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Doris Feil: Hochschwarzwald, KJM Buchverlag, Hamburg 2024, Hrsg. In der Reihe: European Essays on Nature and Landscape, hrsg. Von Klaas Jarchow, gebunden, 139 Seiten, mehrfarbige und schwarz-weiße Abbildungen und Karten, ISBN 978-3-96194-235-0, 22,00 Euro (print)
Heideggers Waldhütte in Todtnauberg
Mittelpunkt des Buches ist Todtnauberg, der Ort der Waldhütte des Philosophen Martin Heidegger (1889 – 1976) und zugleich Titel des Gedichts von Paul Celan (1920 – 1970). Das Gedicht reflektiert die Landschaft des Hochschwarzwaldes wie die Begegnung des Dichters mit Heidegger gleichermaßen. Der Dichter und der Philosoph waren jeweils am Werk des anderen interessiert. Heidegger bereitete die Lesung Celans in Freiburg 1967 begleitend vor und lud Celan zu einem Besuch in der Waldhütte ein. Paul Celan, selbst an Botanik interessiert, bat Heidegger zweimal um eine geführte Wanderung in ein Hochmoor, einmal sogar, wie es heißt, bei strömendem Regen. Es ist in der Tat nicht immer leicht, sich zu bei der Lektüre auf Celan oder auf Heidegger zu konzentrieren. Dass Celan sich als Opfer des Nazi-Terrors versteht, zeichnet ihn keinesfalls aus.
Das Buch ist vielschichtig und könnte schon als Einführung in einen Martin-Heidegger-Tourismus gelesen werden, da etliche Orte der Begegnung dazu einladen.
Wintersport oder Naturerfahrung, oder beides?
An zwei Stellen habe ich Bedenken. Zunächst vermisse ich hier die Erwähnung des Winters bzw. Wintersports. Auf einer Homepage über Todtnauberg, Skilifte finde ich folgenden Text: „Egal ob groß, klein, jung oder alt, mutiger Anfänger oder leidenschaftlicher Ski-Profi – es ist für jeden das Passende dabei.“ (https://www.skilifte-todtnauberg.de) M. W. soll Heidegger, der damals Professor in Freiburg war, die Hütte gekauft haben, weil er begeisterter Skiläufer war. Doris Feil erwähnt hingegen Heidegger selbst nicht, wenn sie schreibt: „Von unangetastetem Schnee könnte ich noch sprechen, von dem Gefühl, im Januar ober am Skihang zu stehen…“ (S. 68)
Trotzdem geht es beim Skilaufen bei aller Faszination für die Natur doch eher um Sport unter extremen Bedingungen. Immerhin wird hier nach naturphilosophischen Ansätzen gefragt, die Heidegger in der Hölderlin-Rezeption findet: „Dieses allseitige Bezogensein von Erde und Himmel, Mensch und Gott nennt Heidegger „Geviert“. Nichtentfremdete Naturerfahrung im „Geviert“ könnte zu Seinserkenntnis hinführen. Da das Sein uns aber nach Heidegger durch das „Wesen der modernen Technik“ verstellt ist, kann seine Erfahrung nur indirekt – als Abwesenheit – gemacht werden.“ (S. 91f).
„Hochschwarzwald“als Landschaftsbeschreibung?
Mein zweites Fragezeichen ist die Frage nach der Verortung des Titels „Hochschwarzwald“ im Buch. Ich frage mich eben angesichts der Thematik der Reihe, ob in diesem Buch über Landschaft und Natur wirklich der „Hochschwarzwald“ im Mittelpunkt steht, wie es der Titel suggeriert, oder ob es nicht ausgehend vom Gedicht Celans um eine kritische Betrachtung der Begegnung des Nazi-Opfers Celan mit dem Nazi-Gefolgsmann Heidegger geht. Dass die Autorin diese Zeichnung voraussetzt, ist durchweg deutlich.
Heideggers Nähe zur Nazi-Ideologie wird sogar anhand der 1933 gehaltenen Rektoratsrede verdeutlicht, sogar unter Verwendung des Hitler-Buches „Mein Kampf“. Doch anstelle hier Celans Zerrissenheit zwischen Abscheu und Interesse an Heidegger zu verdeutlichen, kommt die Autorin dann auf Heideggers Hölderlin Rezeption zu sprechen. Zu Celan wird dann biografisch nichts mehr gesagt, aber seine dichterische Intention nachgezeichnet, „Gedichte zu schreiben, die Toten in Erinnerung zu rufen und jede Tendenz zur Flucht in eine geschichtsrelativierende, zeitenübergreifende oder punktuell ästhetische Seinserfahrung, die dem enttäuschten Heidegger bleibt, zunichte machen.“ (S. 93)
Erst danach bezogen auf den Titel lässt sich Landschaft hier natürlich auch kulturell oder sozial verstehen. Hierzu passt das Gedicht Celans „Todtnauberg“ genauso wie die Fahrstrecken und Wanderungen, dazu auch die Städte Freiburg und St. Blasien. Doris Feil, die auch die Fotos beigesteuert hat, folgt den Spuren ihrer eigenen Ausflüge und zeichnet sie nach.
Es ist für die Autorin zugleich eine Rückkehr in ihre eigene Geschichte. Die Hamburgerin (Sachsenwald) hat als Kind eine Zeit lang im Schwarzwald gelebt und die Schule in St. Blasien besucht. So wird das Buch zu einer Dokumentation historischer und persönlicher Spuren einer Landschaft, die nun sicher auch für Besucherinnen und Besucher nachvollziehbarer geworden ist.