Von der Freiheit des Denkens, Rezension von Christoph Fleischer, Fröndenberg 2025

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Kurt Riezler: Parmenides, Übersetzung, Einführung und Interpretation, Vittorio Klostermann, Frankfurt/Main, 4. Auflage 2017 (1. Auflage 1934), Klostermann Rote Reihe 93, Paperback, 105 Seiten, ISBN 9783465043027, Preis: 16,80 Euro

Parmenides‘ fragmentarische Überlieferung

Der Text des Parmenides (515-455 v. Chr.) besteht aus numerisch gegliederten Fragmenten, deren Zusammenhang nicht immer rekonstruiert werden kann. Die Gliederung der Fragmente bei Riezler weist von der davor gängigen ab. Dadurch kann es vorkommen, dass etwa Martin Heidegger aus Text IX zitiert, den Text ab er mit VIII benennt. Die jeweiligen Abweichungen sind aber im Buch klar notiert.

Wie schon bei Homer (8. Jahrhundert v.Chr.) sind die Texte in der Form eines Gedichtes verfasst, das durch Lücken unterbrochen ist. Die Frage danach, auf welche Frage Parmenides antwortet, ist gar nicht leicht zu beantworten.

In der Philosophie bleibt der mythologische Rahmen des Parmenides meist unterbewertet. Es ist schließlich eine Göttin, der Moira, der er die Worte über das Sein in den Mund legt.

Welche Mythologie ist das denn?

Die griechische Mythologie ist eigenartig immanent. Nicht in der Ewigkeit, sondern im Sein, im Denken, in der Gegenwart liegt der Sinn des Lebens. Die Göttin Moira verkörpert das Schicksal. Die alte griechische Götterlehre der Sagen Homers scheint bereits überholt. Die neuen Götter heißen Schicksal, Wahrheit, Ruhm, sind also eher irdisch zu deuten.

Kurt Riezler schreibt dazu: (S. 54): Warum sollen Anagke (Notwendigkeit) und Moira(Schicksal) ein jenseitiges Sein in ihren Fesseln binden? Was sie gefügt haben und festhalten ist Themis (Recht) und Dike (Gerechtigkeit), in ihnen das Wesen der Physis(Gestalt), das Seinsgesetz alles Seienden, gegenüberstehend als göttliche Setzung dem Nomos (Urteil) und der Thesis (Rede) des flüchtigen, nicht in sich ruhenden, sterblichen Menschen.“ (S. 54, Übersetzung der griechischen Begriffe durch den Rezensenten).

Die Götterlehre dieser elatischen Philosophenschule greift auf Gottesnamen zurück, die in das Denkgefüge und die Weltdeutung der Menschen selbst gehören, also keine übermenschlichen Naturmächte sind. Selbst das hier genannte Schicksal meint das Grundverständnis des menschlichen Daseins selbst, genannt das Sein.

Ontologie des Parmenides, Vorbild für modernes Denken

Das Sein wird vom Seienden unterschieden: „Dieses Sein ist oberhalb jenes Gegensatzes, in dem wir etwa Ruhe als Sein der Bewegung und als Werden gegenüberstellen. Es umfasst als Eines das Sein dessen, was wir Bewegung nennen.“ (S. 58)

Hierzu kommt nun fast in idealistischer Intuition, dass Parmenides die Einheit von Sein und Denken feststellt. Damit wird das Denken zuerst als Wahrnehmung gedeutet und erst danach als Reflektion. Und, wieder modern gedacht: Das Sein ist für uns nur insoweit vorhanden, wie wir es erkennen.

Fazit: Meine Notizen sind keine erschöpfende Wiedergabe der Lehre des Parmenides, sondern stellen nur eine Beobachtung heraus, wie sie später auch von Martin Heidegger reflektiert worden sind. (hier im Literaturverzeichnis: Martin Heidegger, Moira (Parmenides VIII, 34-41, in: Vorträge und Aufsätze usw.).

BONHOEFFER, Bericht über den Kinofilm, Christoph Fleischer, Fröndenberg 2025

BONHOEFFER,

Regie und Buch: Todd Komarnicki,

Land, Jahr: Irland/Belgien 2024,

Bilder des Films aus der Pressemappe entnommen: bonhoefferfilm.de

Vorweg: „In der heutigen Gesellschaft schrecken Populisten und Nationalisten nicht davor zurück, die Geschichte und in diesem Fall das Vermächtnis eines ganzen Menschen für ihre unmenschliche Weltanschauung zu verdrehen.“ (Jonas Dassler, Moritz Bleibtreu, August Diehl und weitere Schauspieler des Films BONHOEFFER in der Stellungnahme zu Vorwürfen aus USA und Deutschland, Quelle: bonhoefferfilm.de)

Der Film über Dietrich Bonhoeffer als Erzählung eines beispielhaften Lebens

In der folgenden Besprechung schildere ich, wie ich den Film im Kino aufgenommen und in mein Wissen über Dietrich Bonhoeffer (1906 – 1945) eingeordnet habe.

Der Film (etwa 2 Stunden, 15 Minuten) beginnt mit einer sich durchziehenden Rahmenhandlung. Dietrich Bonhoeffer sitzt in einem antiken Reisebus, mit dem eine Gruppe Gefangener in den letzten Kriegstagen aus Berlin evakuiert werden, alle in Zivil nicht in Gefangenenkleidung. Bonhoeffer redet wenig mit anderen, sondern sitzt stattdessen allein und schreibt in kleines in Leder gebundenes Tagebuch. Er notiert dabei Erinnerungen an sein ganzes Leben. Seine notierten Stichworte rufen die Erinnerungen an die Zeitabschnitte seines Lebens auf, die im Film episodenhaft gezeigt werden.

Diese Reise beginnt damit, dass die Gruppe in ein KZ gebracht wird, wahrscheinlich Buchenwald bei Weimar. Hier wird ein prominenter Nazi sein Zellennachbar, der wohl bei Hitler in Ungnade gefallen ist. Als das Gefängnis unter den Folgen einer Bombardierung zusammenstürzt muss die Gruppe die Fahrt im Bus fortsetzen. Hierin erkenne ich auch eine Anspielung auf die Bombenangriffe, die Bonhoeffer während seines Aufenthalts im Gefängnis in Tegel zwischen 1943 und 1945 erfahren musste. (Der Aufenthalt in Tegel bleibt im Buch Film unerwähnt).

Von dort kommt der Bus nach einer längeren Irrfahrt an einer eingestürzten Brücke zum Stehen. Der Ort, den sie kurz danach besuchen, heißt Schönberg. In der dortigen Dorfkirche feiert Bonhoeffer das Abendmahl mit seinen Mitgefangenen und wird danach zum Hinrichtungsplatz gebracht, wo drei Galgen aufgestellt sind. Die angebotene Möglichkeit, in der Kleidung eines Gefängnisaufsehers zu fliehen schlägt er aus mit Rücksicht auf seine Familie, die dadurch Schwierigkeiten bekommen hätte. Die Hinrichtung erfolgt an diesem Ort. Von Flossenbürg ist jedenfalls nicht die Rede. Ob und wo die anderen Insassen getötet werden, wird nicht erwähnt.

Bonhoeffers Gefangenschaft und spätere Hinrichtung wird zum Leitmotiv des gesamten Films

Im Folgenden gehe ich auf einige Szenen ein, von denen mir die meisten noch in Erinnerung geblieben sind.

Zu Beginn des Films ist Bonhoeffer noch ein Kind (gespielt von Phileas Heyblom, geb. 2012). Die Frisur ist mir von einem bekannten Foto bekannt Bonhoeffers als Kind bekannt. Seine Schwestern und der älteste Bruder werden hervorgehoben, außerdem der Vater und seine Mutter. Das Kinderzimmer sieht ein wenig wie eine kleine Schulklasse aus, vielleicht weil die Kinder in den ersten Schuljahren zu Hause unterrichtet wurden.

Als der Bruder Walter zur Wehrmacht eingezogen wurde, war Dietrich 8 Jahre alt. Vater, Mutter und einige Geschwister begleiten den jungen Soldaten zum Zug. Sofort darauf (im Film) kommt dieser in einem Sarg zurück. Beim Beerdigungskaffeetrinken spielt Dietrich Klavier, das Lieblingsstück von Walter, heißt es.

Die nächste Szene zeigt Dietrich als älteren Studenten in Amerika. Während des dortigen Studienaufenthalts lernte er sowohl den Jazz kennen. Er wird eingeladen, mitzuspielen und spielte ein Thema auf dem Klavier, das dann von der Kapelle aufgenommen wurde. Dann war er auch in einem Gottesdienst einer schwarzen Gemeinde, wo ein großer Gospelchor sang. Nach dem Gottesdienst war er bei der Pfarrersfamilie zum Mittagessen zu Gast.

Zurück in Deutschland arbeitet Bonhoeffer als Pastor. Seine Predigt richtet sich gegen die Umdeutung der Bibel durch die Nazis und gegen den Antisemitismus. Er muss mitansehen, wie seine Konfirmandengruppe in der entsprechenden Kluft zur Hitlerjugend geht. Die Deutschen Christen machen sich in den Gottesdiensten breit und wählen einen Nazibischof. Religiöse Gegenstände wie ein Kruzifix werden in einer Kirche heruntergerissen und stattdessen Nazifahnen aufgehängt. In den vorderen Bänken sitzen Uniformierte als geschlossene Gruppe.

Pfarrer Niemöller gründet die bekennende Kirche. Bonhoeffer legt ihm sein eigenes Bekenntnis vor, dass von dieser Richtung der Kirche auch angenommen wird. Die Kirche bekennt sich zum Alten und Neuen Testament und zu Israel als auserwähltem Volk Gottes.

Danach geht Bonhoeffer nach England und wird Pfarrer in einer deutschen Gemeinde. Er berichtet dem dortigen Bischof über die neuen Verhältnisse in Deutschland besonders über die Judenverfolgung.

Schon nach wenigen Jahren kehrte er zurück, um in Finkenwalde (Pommern, heute Polen) ein Predigerseminar der Bekennenden Kirche zu leiten. Dort lernte er Eberhard Bethge kennen, erst Student und dann enger Mitarbeiter.

Dann wird er noch einmal in Amerika gezeigt. Es war als Auswanderung geplant und wurde nur ein kurzer Trip. Er sollte dort in Sicherheit gebracht hat werden und den deutschen Widerstand aus dem Ausland unterstützen.

Doch ein Professor der Uni leitete eine Meinungsänderung ein. Vermutlich zeigt er ihm auf, dass er an die Seite seiner Familie gehört und in Amerika nichts ausrichten kann. Dass Bonhoeffer hier als Asylant nach Amerika kam, hatte sicher einen anderen Stellenwert als in einem Gaststudium wie 10 Jahre zuvor. Dietrich Bonhoeffer kehrte nach Deutschland zurück. Diese Entscheidung bleibt sicher nicht nur den Kinobesuchern ein stückweit rätselhaft.

In Berlin eingetroffen, schließt der sich dem Widerstand an und wird Mitarbeiter der Abwehr. In deren Auftrag begleitete er eine Gruppe jüdischer Männer in die Schweiz, die das Gerücht entkräften sollten, es sei in Deutschland zu Judenverfolgungen gekommen. Doch Bonhoeffer selbst hatte schon zuvor mit seinen Brüdern einen Film in seinem Zimmer gesehen, der Originalaufnahmen von den Deportationen zeigte.

Dann nahm er in Berlin an einem Attentatsversuch teil. Der Offizier Gersdorff trug eine Bombe unter seiner Jacke und sprach mit Adolf Hitler, als dieser das Mahnmal für den Ersten Weltkrieg in Berlin besuchte. Unter der Jacke muss es heiß gewesen sein, denn sofort danach legte er den Bombengürtel in einer Herrentoilette wieder ab. Die Detonation war nicht eingetreten.

Auf einer Reise kommt Bonhoeffer als Agent wieder nach London und sprach mit dem ihm bekannten Bischof. Dieser wollte sich für den Widerstand einsetzen, meinte aber, Churchill wolle unbedingt Deutschland im Krieg besiegen.

Als zweiter Attentatsversuch wurde die Platzierung einer Bombe in Hitlers Nähe gezeigt. Bei diesem Attentat war Dietrich Bonhoeffer aber nicht selbst anwesend. Im Film war dies dann aber der Anlass für die Aufdeckung der Verschwörung. Sämtliche Mitverschwörer, auch Bonhoeffer selbst, wurden verhaftet.

Damit unterschlägt der Film Bonhoeffers Gefängniszeit in Tegel. Zum Zeitpunkt des Attentats 1944 war er schon mehr als ein Jahr in Haft. An diesem Attentat konnte er also nicht beteiligt gewesen sein. Dass Bonhoeffer für die Abwehr als Agent tätig war, ist historisch richtig. Aber im Film wird nicht gezeigt, dass er seine Tätigkeit als Pfarrer im Rahmen seiner Möglichkeiten fortgesetzt hat.

Durch den Verzicht auf die Tegeler Gefängniszeit unterschlägt der Film auch die Gefängnisbriefe. Das Gedicht „von guten Mächten“ wird nicht erwähnt. Nur, dass der Gefangene Bonhoeffer ständig in sein Tagebuch schreibt, kann vielleicht als Andeutung auf die andauernde Schriftstellerei im Gefängnis gedeutet werden. Ein solches Tagebuch Bonhoeffers ist bis heute aber nicht aufgetaucht.

Dass ein Film aus der Biografie auswählen muss, ist verständlich. Die konspirative Tätigkeit als Agent der Abwehr wurde in der Vergangenheit vielleicht auch zu wenig betont. Doch dass der Christ und Pazifist so zu einem Vertreter des bewaffneten Widerstands geworden ist und als Teil der Abwehr im Grunde auch Soldat war, wird als Problem gesehen. Der Film zeigt tatsächlich auch ein Gespräch in der Familie, in dem man Bonhoeffer gerade damit konfrontiert, dass er ein bekennender Pazifist gewesen sei. Im Grund hat ihm jedoch die Aufnahme in die Abwehr den Dienst mit der Waffe selbst erspart.

Aus Interviewszenen nach der Deutschlandpremiere erinnere ich mich an die Aussage des ehemaligen bayrischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, der Film mache Mut, für das einzustehen, was man glaubt und dafür, sich für die Menschen einzusetzen, denen Unrecht widerfährt. Die Biografie Bonhoeffers bleibt gegenüber den bekannten Biografien ein wenig sperrig, ist aber durchaus plausibel erzählt. Der Spannungsbogen bleibt durch die Rahmengeschichte bestehen, wenn auch die eingefügten Fragmente sich nicht immer zu einer geschlossenen Erzählung zusammenfügen lassen.