Coming-Out eines Priesters, zum Hintergrund, Christoph Fleischer, Welver 2017

Zusammenfassung eines Interviews in: Philosophie Magazin Nr. 06/2017, Rubrik Horizonte: Portrait Krzysztof Charamsa, Durch die Gnade der Liebe.

Das Philosphie-Magazin dokumentiert ein Interview, das zuerst in französischer Sprache erschienen ist, gehalten von Alexandre Lacroix, aus dem Französischen von Till Bardoux.

Der Artikel berichtet zuerst von der „Liebe auf den ersten Blick“, die Krzysztof Charamsa erfahren hat, er bezeichnet diese Erfahrung als „Offenbarung der Liebe“ (S. 24).

Im Jahr 2005 noch unter Kardinal Ratzinger ist Charamsa Mitarbeiter der „Kongregation für die Glaubenslehre“ im Vatikan geworden. Die „Verteidigung der absoluten Wahrheit“ habe ihm am Herzen gelegen (S. 24). Von dieser Zeit sagt er: „Mir war meine Homosexualität nicht bewusst, oder eher: Als etwas, das ich verabscheute, hatte ich sie in den Tiefen meines Unterbewusstseins vergraben.“ (S. 25). Er gibt sogar zu, dass die Kongregation (vor 2003!?) daran beteiligt war, sich an „Verfolgung Homosexueller“ zu beteiligen (S. 25). Er meint, die Kongregation sei eine Art Geheimdienst, der die Aufgabe hatte, die weltweite Kirche und die Diplomatie des Vatikans im Sinn der Glaubenslehre zu beeinflussen.

Aus heutiger Sicht stellt er fest, dass die Einstellung Jesu im Unterschied dazu von absoluter Offenheit auch gegenüber Homosexualität geprägt sei: „Bei Lukas begegnet Jesus einem Zenturio, der ihn anfleht, einem kranken Sklaven zu retten, den er sehr liebt. Christus erhört ihn.“ (S. 25). Paulus hingegen sei mit dem Bruch der Toleranz in Verbindung zu bringen. Festgestellt wird auch, dass sich der Kampf der Kirche gegen die Homosexualität seit 2005 sogar verschärft habe unter Benedikt XVI. Der Widerspruch der kirchlichen Lehre liegt auch darin laut Charamsa, von Transvestie o.ä. die Rede war, von homophilem Umgang ganz zu schweigen.

Hier kommt das Interview allerdings auch auf eine etwas abstruse These Charamsas zu sprechen, der meint, viele Priester und Ordensleute seien schwul, auch ohne sich geoutet zu haben.

Für Charamsa war der 3. Oktober 2015 der Tag, an dem er in einer Pressekonferenz, an dem er in einer Pressekonferenz sich öffentlich zu seiner Homosexualität bekannt und seinen Freund vorgestellt hat. Gegenüber der Vermutung, er habe dies in quasi priesterlicher Art liturgisch inszeniert meint Charamsa: „Ich betrachte das Coming Out als ein Sakrament. […] Nach einem Sakrament bist du nicht mehr derselbe. Du hast dich für immer verändert. Also habe ich die Kräfte meines Geistes und meines Körpers vereint, […] schon war ich frei.“ (S. 27).

Das Buch zu diesem Coming Out ist 2016 auf Italienisch und 2017 auf Deutsch erschienen (siehe Rezension). – und was macht Krzysztof Charamsa heute? Leider fehlt darauf im Artikel eine Antwort.  Auf seiner Homepage gibt es weitere Informationen: http://www.kcharamsa.com/home

Hier findet sich auf folgender Link zu einem Artikel in englischer Sprache:

articlescompilationforbandsexuality.pdf

Zur Wahl 2017, Niklas Fleischer, Dortmund

Ich glaube, die Situation um die AfD herum wird von den meisten falsch eingeschätzt. Die AfD erreicht derartige Prozentzahlen nicht, weil so viele Leute in Deutschland plötzlich rechtsradikal geworden sind. Es gibt derzeit genug potenzielle AfD wähler mit Bildungs oder Migrationshintergrund – man könnte sich jetzt natürlich fragen, wieso wollen diese Leute AfD wählen? Ich selber habe von vielen gut gebildeten und nicht schlecht verdienenden Leuten bereits gehört, dass Sie ihr Kreuzchen bei der AfD machen werden.

Das Problem liegt eher an einer anderen Stelle. Es gibt – vielleicht abgesehen von der Linkspartei – keine Partei mehr, die nicht bestens in das System integriert ist. Eine Wahl der AfD wird in den meisten Fällen also eher eine „Abwahl“ oder „Bestrafung“ des politischen Systems sein.

Auch die Grünen haben sich mit Industrie und Strukturen inzwischen bestens arrangiert – das wird vermutlich derzeit am besten in Baden-Württemberg sichtbar, wo sich ein grüner Ministerpräsident mit der Automobilindustrie arrangiert hat. SPD und Grüne wird weiterhin – meiner Meinung nach teilweise zurecht – der Abbau des Sozialstaates vorgeworfen, der unter Schröder begonnen wurde.

Die SPD hat darunter zu leiden, in vielen Jahren großer Koalition nichts geschafft zu haben, außer weiterhin einen Beitrag zum Abbau von Sozialstaat und Bürgerrechten geleistet zu haben – und eine Aufklärung im NSU-Komplex erfolgreich verhindert zu haben.

Die Linke wird zwar nicht direkt mit dem System in Verbindung gebracht, kann aber – möglicherweise wegen zu fundamentalistischer und zu wenig pragmatischer Politik – auch keine größeren Erfolge mehr erzielen. Ein Wandel wird der Partei vermutlich derzeit auch nicht mehr zugetraut.

Auch am Sonntag wird wieder eine große Koalition gewählt werden – und die AfD wird mit großer Wahrscheinlichkeit als drittstärkste Kraft in den Bundestag einziehen. Die Umfragen können trügerisch sein, ich gehe persönlich davon aus, dass ähnlich wie bei Trump oder beim Brexit, die Schätzungen weit daneben liegen werden.

Meine Generalabrechnung mit den Parteien, die Sonntag auf dem Wahlschein stehen werden:

– CDU: Zu sehr darauf bedacht, vorhandene Strukturen im Land zu halten – am Status Quo und der Vermögenskonzentrierung soll nicht gerüttelt werden. Eine Partei nur für die, die Geld haben und es behalten möchten, oder sich für christlich konservativ halten, was auch immer das bedeuten mag. Keine Zukunftsvisionen (auch geschuldet durch eine rein „verwaltende“ und reagierende Kanzlerin).

– SPD: Keinerlei Glaubwürdigkeit mehr, praktisch eine sterbende Partei. Man hatte genug Zeit an diversen Regierungen Themen wie soziale Gerechtigkeit anzugehen, stattdessen war man offenbar wieder mehr an Pöstchenerhalt und Koalitionsfrieden interessiert. Verdient es, in 4-5 Jahren zuerst in der Opposition zu landen und danach gänzlich unter zu gehen. Tschüss!

– Grüne: Glaubwürdigkeitsprobleme – eine Partei für gut verdienende Menschen, die sich für „Links“ und „Öko“ halten, aber in überteuerten Bio-Supermärkten einkaufen, die sich aber kein normaler Mensch mehr leisten kann. (Kann man sich einen ganzen Monat lang mit dem von Rot-Grün eingeführten ALG2 biologisch ernähren? Würde mich schon sehr erstaunen). Ökologie predigen, aber Daimler nicht verprellen. Dafür hat die Partei z.B. geschafft in NRW mit ideologischer Schulpolitik nachhaltig das Schulsystem zu zerstören. Oder für schwachsinnige, realitätsferne Forderungen wie „Zone 30 überall“ zu stehen. Anbiederung an die CDU, Stichwort „Schwarz Grün“ – man möchte wohl gerne die Fehler der SPD wiederholen. Und da wundert man sich noch, dass man es nicht mehr aus dem Umfragetief schafft?

– FDP: Wie die CDU, nur ohne Konservativismus. Bei Schwarz-Gelb hat sich die Partei als Verkörperung des Gesellschaftszerstörenden Neo-Konservativismus geoutet. Mit „Liberalität“ hat das nichts mehr zu tun.

– Linkspartei: Ein paar gute Ansätze, allerdings Forderungen die an der Realität der Menschen weit vorbei gehen. Zu viele Flügelkämpfe. So wird es mit einer Regierungsbeteiligung auf Bundesebene weiterhin nichts, was schade ist, da die SPD das Thema „Soziale Gerechtigkeit“ ja aufgegeben hat. Müsste „pragmatischer“ werden.

Mal sehen. Ich selber schwanke noch zwischen einer Stimmabgabe für „Die Partei“ oder einer sonstigen Kleinpartei, aber entschieden habe ich mich wenige Tage vor der Bundestagswahl immer noch nicht. Die Wahl zwischen Trump und Clinton wurde in der beliebten Fernsehserie persifliert mit einer Wahl zwischen „Rieseneinlauf“ und „Mit Kot belegtem Butterbrot“ – leider kommt es mir inzwischen auch bei uns im Land so vor.

Über produktive und konstruktive Gegenargumente wäre ich dankbar!

Rezension zu Robert Eisenman (1997), Christoph Fleischer, Welver 2017

Titel: Jakobus der Bruder von Jesus, C. Bertelsmann, München 1998.

Robert Eisenman hat 1989 ein Buch mit Übersetzungen der für ihn historisch wichtigsten Qumramtexte herausgegeben und nannte diese Zusammenstellung provokativ „Jesus und die Urchristen – die Qumranrollen entschlüsselt“. Dieses Buch habe ich jetzt zufällig im Bücherkasten der Gemeinde Welver wiedergefunden. Die Texte aus Qumran sind messianisch und passen insofern zur Botschaft des Neuen Testaments. Doch anstelle den Zusammenhang zu beweisen, blieb nur die Verschwörungstheorie der Autoren des Bandes „Verschlusssache Jesus“. Ein paar Jahre später nahm er einen neuen Anlauf und erklärte die von ihm ermittelten Zusammenhänge zwischen Messianismus, den Zeloten, Jesus und den Quellen des Neuen Testaments. Ich persönlich bin durch die Lektüre von Daniel Boyarin dazu gekommen, mir einen Text von Eisenman neu anzuschauen und bin richtig froh. Die Hauptsache ist nicht, ob das alles richtig ist, was nach 2000 Jahren ohnehin niemand sicher sagen kann, sondern wie die historischen Verhältnisse sich aus der Sicht der Quellen darstellen. Die einzige Kritik, die ich habe ist, dass er manche Texte des Neuen Testaments antisemitisch nennt, obwohl eigentlich deutlich sein müsste, dass die junge Christenheit sich immer noch als Teil des Judentums sieht und dies wohl auch noch unangefochten war. Toll ist auch auf Bibelstellen gestoßen zu werden, die man sonst überlesen hat. Sei es der Besuch der herodianischen Prinzessin Berenike bei Paulus (Apostelgeschichte 24,23 – 25,32), Sei es dass Galiläa im Matthäusevangelium als Symbol des Heidentums gesehen wird (Matthäus 4,15) und dass die Zerstörung Jerusalems in den Evangelien sicher bezeugt ist (Markus 13). Das Buch ist gründlich begründet und gewissenhaft belegt, trotzdem jedoch allgemeinverständlich geschrieben.

Ausstellung zu Reformation und Taufe, Pressemeldung Stadtmuseum Münster

 

30.08.2017

Die Macht des Wassers – Taufen in der Reformation

500 Jahre Reformation / Gemeinsame Ausstellung von Stadtmuseum Münster und Evangelischer Kirchenkreis Münster / Ab 1. September

Erwachsenentaufe, Kupferstich, um 1660. Foto: Stadtmuseum Münster.

Münster (SMS) Im 21. Jahrhundert bietet das Sakrament der Taufe wenig Konfliktstoff zwischen den Kirchen. Vor 500 Jahren war dies anders, da stritten Erwachsenentäufer wie in Münster mit der katholischen Kirche und mit Martin Luther, den Befürwortern der Kindertaufe. In der Ausstellung werden deshalb die drei unterschiedlichen Taufverständnisse und Taufrituale in einer inszenierten Gegenüberstellung verständlich gemacht. Das Stadtmuseum Münster präsentiert gemeinsam mit dem Evangelischen Kirchenkreis Münster  „Die Macht des Wassers – Taufen in der Reformation“ vom 1. September bis 14. Januar 2018. „Ausstellung zu Reformation und Taufe, Pressemeldung Stadtmuseum Münster“ weiterlesen

Kunstraub in Düsseldorf, Notiz und Rezension, Christoph Fleischer, Welver 2017

Zu:

SPOT ON: 1937. Die Aktion „Entartete Kunst“ in Düsseldorf, 14.07.2017 bis Sommer 2018.

Ausstellung im Museum Kunstpalast Düsseldorf, mit gleichnamiger Broschüre, 60 Seiten mit farbigen Abbildungen, Herausgeber und Verlag: Stiftung Kunstpalast Düsseldort, 2017, Preis: 9,80 Euro www.smkp.de.

Die in dieser Notiz verwendeten Abbildungen sind für Pressearbeit freigegeben worden.

Foto: Wanderausstellung „Entartete Kunst“ in Düsseldorf 1937

„In den Kunstsammlungen der Stadt Düsseldorf wurden 1937 über 1000 Kunstwerke beschlagnahmt. Wenige Werke sind heute wieder im Bestand des Museums Kunstplast, der weitaus größere Teil ist verschollen oder zerstört, einige Werke befinden sich in anderen Sammlungen.“ (Programm Kunstpalast, Juli – September 2017, S. 13)

Die Ausstellungsreihe Spot ON hat sich zum Ziel gesetzt ausgewählte Werke des Kunstpalasts in ihrer Werkgeschichte zu präsentieren. Die hier vorgestellte Ausstellung erinnert an die Aktion „Entartete Kunst“, die als Wanderausstellung der Nazi-Propaganda gegen moderne Kunst richtete. Hierbei sind in Düsseldorf über 1000 Gemälde oder Zeichnungen geraubt worden. Auch wenn nur wenige von ihnen nach Düsseldorf zurückgekommen sind, so kann man exemplarisch an diesen beispielhaft die Geschichte des Expressionismus als Opfer der Nazi-Diktatur in Deutschland verfolgen. „Kunstraub in Düsseldorf, Notiz und Rezension, Christoph Fleischer, Welver 2017“ weiterlesen