Predigt zu Trinitatis 2020, Joachim Leberecht, Herzogenrath 2020

Predigt 4. Mose 6,22-2,  Trinitatis 2020

Liebe Gemeinde,

Segen ist die Energie Gottes für unser Leben. Die aaronitischen Segensworte zum Ende des Gottesdienstes verdichten alles bisher Gesagte, Gefeierte, Gebetete. Sie stellen den Segensempfänger in einen langen Traditionsstrom, aktualisieren Gottes Lebenskraft im Moment des Segnens und befähigen den dafür offenen Menschen für die kommende Zeit.

Es gibt Worte, die sind für die Ewigkeit geschaffen und wenn sie mit Ernst und Erwartung ausgesprochen werden, stellt sich das ein, was ausgesprochen wird.

Wir Christinnen und Christen stellen uns hinein in die alten hebräischen Worte Israels und bezeugen damit den einen Gott aller Völker. Gott ist der Grund allen Lebens. Gott ist die Quelle des Segens.

Werfen wir einen Blick zurück in die Geschichte. Wie wurde der Segen gesprochen?

Segnen war ein priesterlicher Dienst und den Priestern vorbehalten.

(Vgl. zum Folgenden: Der Priestersegen, in: Roland Gradwohl, Bibelauslegungen aus jüdischen Quellen, 2002, Bd.2, S.86-96)

Um die Gemeinde zu segnen, mussten sich die Priester vorbereiten und das Segnen nach festen Ritualen vollziehen. Dazu gehörte:

  1. Die Priester waschen sich die Hände
  2. Sie erheben die Hände in Haupthöhe
  3. Der Kopf des Segnenden wird durch den Gebetsmantel (Tallit) verhüllt
  4. Die Hände sind gespreizt
  5. Nach jedem der 3 Verse antwortet die Gemeinde: Amen
  6. Der Segnende steht auf einer erhöhten Fläche in Höhe der Torarollen
  7. Der Priester ist barfüßig
  8. Die Segnung geschieht in Richtung Gemeinde
  9. Niemand aus der Gemeinde darf den segnenden Priester anschauen
  10. Der Segen wird jeden Tag der Woche gesprochen, am Sabbat 2x

 

„So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet.“(V.23b)

Seit Jahrtausenden besteht der aaronitische Segen tatsächlich unverändert fort.

In einem Felsengrab bei Jerusalem entdeckten Archäologen zwei kleine Silberrollen mit den Worten des aaronitischen Segens aus dem 7 Jhd. vor Christus. Eines der ältesten Zeugnisse biblischer Texte.

„So sollt ihr sagen.“

Der Segen besteht aus drei Teilen.

Die Zahl der hebräischen Worte steigt von 3 auf 5 auf 7. Die Segensfülle nimmt zu.

  1. Der HERR segne und behüte dich

Segen ist die unbeschränkte Fülle an den Gaben Gottes – den materiellen wie den geistigen.

Zum Segen Gottes gehören nach dem Ersten Testament:

Kinder (Gen 1,28), Fruchtbarkeit der Herden und des Ackerbodens (Gen 49,25), gutes Gelingen der Arbeit (Ex 23,25), Glück der Familie (2. Sam 7,29), der Segen gilt allen Menschen und allen Völkern (Gen 12,3), Frieden (Ps 29,11)

Rabbi Sfarno sagt: „Adonai segne dich mit irdischem Besitz, denn ohne Mehl ist keine Tora.“ (Ohne materielle Güter keine geistige Arbeit/Kultur)

In einem jüdischen Midrasch heißt es: „Adonai behüte dich, damit seine Schechina (Gottes Gegenwart) nicht von dir weicht.“

 

  1. Der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig

Der Ewige wendet sich den Menschen zu. Gott verbirgt sein Angesicht nicht, sondern es leuchtet über uns. „Leuchten“ meint nichts anderes als Kraft schenken. Wenn Gott sein Angesicht leuchten lässt, dann ist durch Gottes Präsenz den Menschen geholfen (Ps 80,20). Sie geraten in sein Energiefeld und werden geisterfüllt aufgeladen wie ein Magnet, das sich an einer Quelle auflädt.

Die gnädige Zuwendung Gottes geschieht im Segen. Sie ist zu spüren und nicht selten beginnt auch der Mensch zu leuchten und zu strahlen. Gott begnadet mit Erkenntnis und Weisheit, dass der Mensch gefallen finde in den Augen vieler. Der Gesegnete weiß sich von Gott angenommen, gehört zur Gemeinde  und erlebt sinnlich Sinn.

 

 

  • Der HERR erhebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden

Wieder ist vom göttlichen Antlitz die Rede. Jetzt leuchtet es nicht über den Menschen, sondern Gott erhebt es über den Menschen. Eine kleine, aber inhaltlich bedeutsame Verschiebung. Zuerst kommt die Gnade des An-Geschaut-Seins. Die Energie beginnt zu fließen. Wenn sich das Angesicht Gottes erhebt über den Menschen ist das wie eine Bestätigung der Zuwendung. Die Erhebung ist ein besonderes sich zu dem Menschen stellen. Es ist ein Symbol von Gottes Liebe und Wohlgefallen. Keine Schuld trennt den Menschen mehr von Gott. Die Erhebung Gottes über den Menschen schenkt den Menschen Freiheit.

Das höchste Gut des Segens wird hebräisch mit Schalom bezeichnet. Rabbi Schimon sagt: „Groß ist der Frieden, denn es gibt kein größeres Gefäß des Segens als den Frieden.“

 

Hebräisches Denken im ersten Testament vollzieht sich in Räumen. Der Segen ist geistig nicht umherirrend, sondern füllt Räume: Den Menschen, die Gemeinde, das Land, die ganze Welt. Der segnende Priester versteht sich als Trichter durch den der Segen Gottes hindurchfließt und die empfangsbereite Gemeinde füllt. Jeder Mensch ist ein Gefäß und wird durch den Segen mit Gottes Lebenskraft gefüllt. Damit aber hört das Segnen nicht auf, sondern nimmt recht gesehen erst seinen Anfang. Der segensangefüllte Mensch geht in seine Lebenswelt und kann gar nicht anders als aus diesem mit Gottes Energie angefüllten lebendig Sein den Segen weitergeben. Das heißt der Segen breitet sich in andere Räume aus. Das können gute Gedanken sein (geistig), das kann eine gute Tat sein (Leib), das kann schöpferisches Arbeiten (geistig/leiblich) sein. Das kann ein Mitfühlen sein (seelisch). Da gibt es keine Grenzen.

Umgekehrt wird deutlich, dass Frieden als das höchste Gut des Segens ganz und gar Gottes Gabe ist, aber der Mensch berufen ist für den Frieden zu arbeiten und selbst den Frieden zu suchen. Auf diese Wechselwirkung kommt es an.

Liebe Gemeinde,

nach evangelischem Verständnis braucht es keine Priester mehr, sondern das Priestertum ist auf alle Getauften übergegangen. Jeder von uns kann und darf segnen und das muss auch nicht allein im Gottesdienst geschehen. Das kann mitten im Alltag, jeden Tag, stattfinden. Erstaunlich ist, dass viele Segensrituale sich bis heute kaum verändert haben. Wenn die Gemeinde gesegnet wird, erhebt der Segnende die Hände. Die Segnenden sind zwar nicht barfüßig, aber sie nehmen eine besondere Haltung ein.

Zum Segnen gehören Segensgesten dazu. Der Segen wird körperlich erfahren. Nehmen sie doch mal ihr Kind in den Arm oder ihren Partner und sagen Sie zu ihm: Ich segne dich im Namen Gottes. Das ist eine kurze Version. Sie können auch mit Worten des aaronitischen Segens einander segnen.

Gerade in diesen Zeiten haben wir Segen nötig. Genauso wie wir Frieden und Gerechtigkeit nötig haben. Lassen wir uns segnen, dass wir inne werden, wozu wir berufen sind: Schalom Gottes zu empfangen und zu leben.

Amen

 

 

 

 

 

Von Gott verlassen? Predigtreihe Passionspredigten Herzogenrath, Renate Fischer-Bausch

Herzogenrath Passionspredigtreihe in der Markuskirche 2020

 „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“  (Markus 15,34)

Sonntag Lätare, 22. März 2020

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen Amen

Liebe Gemeinde,

„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“  Markus 15,34

Aufschreckend und todesmutig, laut geschrien und hörbar ist dieses – eines von sieben Worten, die Jesus gesagt haben soll, als er ans Kreuz genagelt war. Markus, einer der ältesten von denen, die von Jesus als Gottessohn – von seinen Worten, Taten und von seinem Sterben und Auferstehen in einem Evangelium erzählt haben, hat uns dieses Wort als eines der letzten Worte Jesu am Kreuz so überliefert: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“…

Jesus hängt am Kreuz, ein quälendes  Stück über dem Boden erhöht, so dass die Füße keinen Raum mehr haben, Schritte zu tun – die Hände /die Handgelenke sind ihm gebunden und übereinander gelegt –  die Füße. Nägel sind hindurchgetrieben. Ein unbeschreiblicher Schmerz durchzieht den ganzen Menschen – steigert sich – alles wird zur Qual von Kopf bis Fuß, in den Händen und Armen – der Atem wird knapp, der Kreislauf versagt allmählich – es ist ein elendes  Leiden – ein über Stunden dauerndes, stundenlanges Sterben.

Es ist ein Sterben, das von Schuld herkommt, das andere so für Jesus herbeigeführt  haben durch unsolidarisches Verhalten, Verrat, Auslieferung, Verleugnung, Nicht-Verhindern, Verurteilen, Vollstrecken.

Es ist ein Sterben, bei dem den nächsten Angehörigen das  Dabeisein verwehrt wurde, bei dem andere, Außenstehende  dem Sterbenden zusehen: gleichgültig, seine Kleidung bereits verlosend, auf seinen Besitz bedacht.

Argwöhnisch, mit lieblosem Blick wird der sterbende Jesus bewacht, sein Schwächer –Werden wird verhöhnt, sein sich Dahingeben ohne Gewalt – verspottet.

Auf der Hinrichtungsstätte, der Schädelstätte Golgatha in den Schmerz, in die Angst vor dem Tod getrieben, in die Verzweiflung über die Endlichkeit und Vergänglichkeit allen Wirkens – so hängt Jesus am Kreuz. Da ist keiner, der Anteil nimmt oder helfend eingreift, … im Gegenteil:

Schaulustig gehen die, die da sind, auf Abstand, halten Distanz – sehen und hören, was sie sehen und hören wollen: einen Sterbenden, einen der aufgibt und das, wofür er gelebt hat.??

Was ist das für ein Sohn Gottes, der ein solches Ende nimmt? So etwas kann doch keinem Gott widerfahren?!

Am Kreuz Jesu scheitert jede traditionelle Vorstellung von Gott….. „Von Gott verlassen? Predigtreihe Passionspredigten Herzogenrath, Renate Fischer-Bausch“ weiterlesen

Predigt über Markus 10, 17 – 27, Christoph Fleischer, Welver 2017

 

Die Predigt wird gehalten in Soest-Meiningsen, St. Matthias am 18. Sonntag nach Trinitatis

 

Übersetzung: Lutherbibel 2017:

17 Und als er hinausging auf den Weg, lief einer herbei, kniete vor ihm nieder und fragte ihn: Guter Meister, was soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe?

18 Aber Jesus sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als der eine Gott.

19 Du kennst die Gebote: »Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst niemanden berauben; du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.«

20 Er aber sprach zu ihm: Meister, das habe ich alles gehalten von meiner Jugend auf.

21 Und Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb und sprach zu ihm: Eines fehlt dir. Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm, folge mir nach!

22 Er aber wurde betrübt über das Wort und ging traurig davon; denn er hatte viele Güter.

23 Und Jesus sah um sich und sprach zu seinen Jüngern: Wie schwer werden die Reichen in das Reich Gottes kommen!

24 Die Jünger aber entsetzten sich über seine Worte. Aber Jesus antwortete wiederum und sprach zu ihnen: Liebe Kinder, wie schwer ist’s, ins Reich Gottes zu kommen! 25 Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme.

26 Sie entsetzten sich aber noch viel mehr und sprachen untereinander: Wer kann dann selig werden?

27 Jesus sah sie an und sprach: Bei den Menschen ist’s unmöglich, aber nicht bei Gott; denn alle Dinge sind möglich bei Gott.

Foto: Niklas Fleischer (c) Am Phönixsee, Dortmund

Liebe Gemeinde,

 

die Jesuserzählungen der Evangelien sind keine biographischen Bausteine einer Lebensgeschichte Jesu, sondern sollen und können ganz für sich stehen. Sie zeigen als Episoden des Wirkens Jesu ganz praktisch die Beantwortung religiöser und lebenspraktischer Fragen. Dies gilt besonders dann, wenn ein Lehrgespräch durch eine Frage eines Schülers ausgelöst wird.

Die Ausgangsfrage ist dabei im Blick zu behalten. Auch wenn man dann im Folge auf einzelne Aspekte des Textes eingeht, sollte man es tun mit dem Rückblick auf diese Frage.

Diese Frage lautet: „Guter Meister, was soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe.“ „Predigt über Markus 10, 17 – 27, Christoph Fleischer, Welver 2017“ weiterlesen