Haiku, japanische Gedichtform, international präsentiert, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2019 

Zu:

Corinna Griesbach (Hrsg.)
Christian Gerhard & Sara Hawkes-Hollands
VON DAUNEN UND ZIKADEN
Pillows and Blossoms
Van Kussens en Bloemen
日常と季節
Außer der Reihe 36
p.machinery, Winnert, Juni 2019, 120 Seiten, Hardcover, ca. 148 x 100 mm
ISBN 978 3 95765 164 8 – EUR 16,90 (DE)

Information aus dem Duden:

Hai|kai das; -[s], -[s], Hai|ku das, auch: der; -[s], -[s], Hokku das; -[s], -[s] <jap.>: aus drei Zeilen mit zusammen 17 Silben bestehende japanische Gedichtform. – Dau|ne, die; -, -n (Flaumfeder). – Zi|ka|de, die; -, -n <lateinisch> (kleines, grillenähnliches Insekt, Zirpe). –

Zur Edition:

Corinna Griesbach präsentiert in diesem kleinen Büchlein von zwei Autor*innen Sara Hawkes-Hollands aus England und Christian Gerhard, der in Japan lebt. Seine Gedichte sind den Jahreszeiten gewidmet. Corinna Griesbach schreibt in ihrem Vorwort dass das Kurzgedicht Haiku in Japan immer etwas mit den Jahreszeiten zu tun haben sollte. Dieser Thematik ist Christian Gerhard verpflichtet, der seine Haikus dem Jahresablauf nach ordnet. Die Gedichte von Sara Hawkes-Hollands orientieren sich eher am häuslichen und stofflichen Bereich. Beiden gemeinsam geht es um Vergänglichkeit. 

Die Gedichte werden hier in vier Sprachen präsentiert: Deutsch und Japanisch von Christian Gerhard, das Englische als Übersetzung von Axel Bölling sowie das Niederländische von Felix Kirchhart. Sara Hawkes-Hollands schreibt in englischer Sprache.

Zum Inhalt:

Das traditionelle japanische Gedicht Haiku wird in drei Zeilen aufgeteilt. Es soll insgesamt 17 Silben enthalten. Für mich war es interessant, die englische und niederländische Fassung neben der deutschen lesen zu dürfen. Mit der japanischen konnte ich weniger anfangen, da ich weder Schrift noch Sprache beherrsche. Doch dadurch bekommt das Büchlein gerade einen globalen Flair. Es gilt nicht nur die Sprachverwirrung, sondern auch deren partielle Überwindung durch Übersetzung und Sprachverständnis. 

Das Bändchen bringt zuerst die Gedichte von Sara Hawkes Hollands unter der Überschrift „Daunen“ und danach unter der Überschrift „Zikaden“ die unter die Gedichte zu den Jahreszeiten Sommer, Herbst, Winter und Frühling. Man könnte auch sagen Haus und Welt.

Ich konnte dabei wieder beobachten, was mir schon einmal bei einer Übersetzung von Lyrik begegnet ist, dass in der englischen Sprache ein weiterer Bildraum in der gleichen Wort Anzahl geschaffen werden kann, als in der deutschen. Die englische Sprache bringt dadurch mehr Dynamik hervor. 

Doch zugleich frage ich mich: Was hat die deutsche Sprache mehr als das englische? Ich glaube es ist so etwas wie Einfühlung. Ein Beispiel: Zuerst lese ich das Gedicht im Deutschen.

Ein Beispiel:

Stille lauert er

Im goldenen Dschungelgras

Kurz vor dem Angriff

Dann auf Englisch:

Silently he stalks

Through the golden jungle grass

About the Attack

Das Wort Stille ist unspezifischer als Silently, kann aber eher ein Gefühl präsentieren. Es müsste ja eigentlich auch still lauten und nicht Stille. Mit dem Wort Stille klingt mehr an als nur Natur. Es ist fast philosophisch. 

Mir kommt beim englischen Gedicht die Assoziation des Tigers oder eines anderen Raubtiers, ich ahne schon was kommt. Das Deutsche präsentiert eher eine Situation der Stille in der Steppe. Der Löwe liegt noch im Gras. Springt er schon? Ich weiß es nicht. Es liegt müde ein Raubtier am Boden und träumt im Gras, möglicherweise greift es an.

Was sagt das Niederländische?

Stil loert hij

Door het gouden jungle grass

Vlak voor het aanval

Ich denke es ist in Deutschen näher als das Englische. Während der Tiger im englischen stalkt, ist in Deutschland vom Lauern die Rede wie genauso im Holländischen. Zusammen mit dem Englischen betont das Niederländische, dass das Löwe oder Tiger durch das Gras geht und nicht nur das er im Gras lauert, es ist also eine Aktivität zu spüren.

Fazit:

Ich wollte jetzt nur dieses Beispiel herausgreifen, um zu zeigen, dass die unterschiedlichen Übersetzungen auch auf die Phantasie einwirken. Die Haikus von Christian Gerhard vermitteln dazu noch die Kultur eines Volkes, zumindest sofern Begriffe aus der japanischen Kultur genommen sind. Die entsprechenden Begriffe werden durch Anmerkungen erläutert. Und so taucht aus der Lektüre der Gedichte nicht nur Weltoffenheit und Globalität auf, sondern auch ein bestimmtes Heimatgefühl. Die japanische Kultur lädt dazu ein, entdeckt zu werden. Und das, obwohl weder das Wort Japan noch das Wort Haiku im Titel des Büchleins auftauchen.

Auch das Titelbild hat künstlerische Qualität. Die Künstlerin Helga Wagenknecht, hat bei Prof. Benno Werth in Aachen Kunst studiert und war danach Galeristin. Heute lebt und arbeitet sie in der Eifel und nimmt mit ihren Bildern an zahlreichen Ausstellungen teil. Mehr Bilder unter www.helga-wagenknecht.de

Zu den Gedichten müsste man sagen: In der Kürze liegt die Würze. Alle Aspekte der Sprache sind auf engem Raum beisammen. Die Dynamik und die Situationsbeschreibung, der ontologische Sinn und der vordergründige, die intellektuelle und die emotionale Ebene, die Vorstellung eines Bildes oder die eher sinnliche Wahrnehmung. Alles, was ein Wort ausdrücken kann regt hier zum Denken und Mitfühlen, aber auch zum Weiterdenken an.

„Postmoderner Glaube“, Kurzer Bericht und Gedanken zu einem Text von John D. Caputo, Christoph Fleischer 2015

John D. Caputo, Truth, Philosophy in Transit, Penguin Books, London 2013, ISBN 978-1-846-14600-8

Caputo truthJohn D. Caputo, emeritierter Philosoph aus Syracusa (USA) mit dem Schwerpunkt Religionsphilosophie, legt hier die Ausarbeitung einer schwachen Theologie („weak theology“) vor. Hierbei zieht er vor allem Schriften des französischen Philosophen Jacques Derrida (Dekonstruktion) heran. Das Buch „Truth“ erschien in einer Reihe, genannt „Philosophy in Transit“, die anlässlich des Jubiläums der Londoner U-Bahn herausgegeben worden ist. Dass das Wort Transit nicht nur den Weg zur Arbeit meint, sondern auch das Lebensgefühl der Postmoderne aufgreift, wird in den Titeln der Reihe thematisiert.

John D. Caputo geht auf die philosophischen Wurzeln und die Vorläufer der Postmoderne ein (z. B. Kant, Hegel, Nietzsche, Kierkegaard). Die Postmoderne ist gegenüber der Moderne keine neue Ära, sondern eine Fragerichtung, die die Kritik selbst auf die Grundlagen der Moderne anwendet. Nun verdeutlicht der Autor den Wahrheitsbegriff der Postmoderne am Beispiel der Religion, wie im Abschnitt „What Do We with Religious Truth?“ (S. 49-65). „„Postmoderner Glaube“, Kurzer Bericht und Gedanken zu einem Text von John D. Caputo, Christoph Fleischer 2015“ weiterlesen