Predigt über 5. Mose 30, 14, Joachim Leberecht, Herzogenrath 2020

Denn es ist das Wort ganz nah bei dir   5. Mose 30,14

Es war ein alter Mann. Sein Körper war verbraucht. Er ahnte, dass er bald sterben würde. Seine Frau Elfriede umsorgte ihn Tag und Nacht. Auf sie konnte er sich verlassen. Sie saßen oft schweigend in den alten Sesseln. Ein runder niedriger Tisch stand vor ihnen. Darauf lag eine Decke, bestickt von seiner Frau Elfriede. Im Hintergrund war eine Nische. Dort stand ein altes Radio. Oft saßen sie da, hörten eine Sendung oder einfach nur Musik. Sie waren einander vertraut. Gustav sagte zu Elfriede: „Hol die Brüder aus der Gemeinde. Ich will noch einmal mit ihnen reden.“

Es war alles vorbereitet. Der alte Mann hatte sich mit seiner letzten Kraft und Hilfe den schönen Morgenmantel angezogen. Er war grau und hatte weinrote Streifen. Darin sah er auf seine Art vornehm aus trotz seiner Hinfälligkeit.

Es klingelte. Die zwei bekannten Brüder aus der Gemeinde traten ein. Sie legten ihre Mäntel ab und nahmen am kleinen runden Tisch Platz. Nach der kurzen Begrüßung war es eine Zeit lang still. Elfriede stand auf, holte eine Kerze, stellte sie auf den kleinen runden Tisch und entzündete sie.

Es breitete sich eine friedvolle Atmosphäre aus. Helmut, einer der Brüder, fragte Gustav, ob er eine Karte ziehen wolle. Auf den Karten standen – ähnlich wie in den Losungen – Bibelverse. Stumm zog der alte Mann eine Karte. Lesen konnte er nicht mehr. Sein Augenlicht war zu schwach. Helmut las: „Wenn du aber getreu bist bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.“

Das Licht der Kerze flackerte. Elfriede saß versunken da und Tränen rollten ihr über die Wangen. Sie schämte sich nicht.

Dann fing Gustav an leise und stockend zu sprechen: „Schon dreimal habe ich diese Krone gesehen. Es war letzte Nacht. Ich konnte nicht gut schlafen. Ich träumte schlecht und hatte Angst. Dann war da plötzlich ein Frieden.“

Alle schwiegen. Es war genug gesagt.

Als die Brüder gingen, saß Elfriede noch lange neben Gustav. In der Nacht starb ihr Mann.

Am nächsten Morgen kam der Bestatter. Sie betteten Gustav in einen Sarg und trugen den Sarg die Treppe herunter. Unten ging die Tür auf. Hier wohnte der Enkel. Er sah wie der Sarg hinausgetragen wurde. Der Sarg war offen und er konnte seinen toten Opa sehen. De Sarg war weiß ausgeschlagen. Eine weiße Decke ragte dem Toten bis zum Kinn. Das schneeweiße Haar, das bleiche Gesicht aus dem alles Leben gewichen war, erschreckte den Enkel bis ins Mark.

In seinen Träumen sah er immer wieder das blasse Gesicht seines Opas. Es machte ihm Angst.

Eines Tages nach der Schule ging der Enkel zu Oma. Sie stand in der kleinen Küche und bot ihm ein Glas Rotbäckchensaft an. Sie setzten sich an den runden Tisch.

„Oma, bist du gar nicht traurig, dass Opa gestorben ist?“

„Doch, ich bin traurig“, sagte die Oma. „Ich weine viel. Doch ich weiß, Opa ist jetzt zuhause.“

„Wo ist denn sein zuhause?“ fragte der Enkel.

„Sein zuhause ist bei Gott.“

Und dann erzählte Oma dem Jungen, was Opa halb gesehen und halb geträumt hatte. Dass er einen Bibelvers gezogen habe, darauf stand: „Du wirst die Krone des Lebens empfangen.“

„Diese Krone hat Opa dreimal gesehen.“

Das Bild mit der Krone prägte sich dem Enkel ein. Es begann das Schreckensbild des bleichen Gesichts zu überlagern.

Dann und wann kam es noch mal hervor, aber das Bild der Krone blieb.

Joachim Leberecht

 

Dekonstruktion, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2018

Zu:

Derrida und die Dekonstruktion, Philosophie Magazin Nr. 3/2018, Sammelbeilage Nr. 39, Vorwort Jean Luc Nancy, Überblick Martin Duru, Texte von Jacques Derrida: „Brief an einen japanischen Freund (Auszüge) und Auszüge eines Interviews aus Le Monde, geheftet, 16 Seiten, Philomagazin Verlag Berlin, Herausgeberin: Anne-Sophie Moreau

Das neue Heft Philosophie Magazin ermöglicht in seiner kleinen Beilage einen interessanten Einblick in das Wirken von Jacques Derrida (1930 – 2004). Derrida war ein französischer Philosoph, der Anstöße Martin Heideggers aufnahm. Er zählt zu den Vertretern der sogenannten Postmoderne. Sein Hauptbegriff war „Dekonstruktion“, ein Wort, das sicher schwer definieren lässt. Es bezieht sich hauptsächlich auf die Bedeutung der Sprache, hat aber auch Kunst und Architektur geprägt. Svenja Flaßpöhler, Chefredakteurin des Philosophie Magazins, gibt die Einführung zur „Klassiker“-Beilage im Heft. Mir fällt auf, dass Derridas Bedeutung darin gesehen wird, „Machtverhältnisse aufzulösen“. (S. 75) „Dekonstruktion, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2018“ weiterlesen

Bücherschau zur Frankfurter Buchmesse, Herbst 2016, Christoph Fleischer, Welver 2016

Nach unserem Besuch auf der Frankfurter Buchmesse möchte ich einfach folgende Bücherschau zur Kenntnis geben. Diese Bücher sind mir beim Rundgang oder bei der Durchsicht der Prospekte aufgefallen. Ich habe diesmal nur ein paar von Ihnen zur Rezension angefordert. Wer also eines dieser Bücher zur Rezension auf unserem Blog www.der-schwache-glaube.de anfordern möchte, sollte sich mit mir in Verbindung setzen.

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Foto: Christoph Fleischer (c)

Ellert und Richter Verlag Hamburg:

Matthias Gretzschel: Auf den Spuren von Martin Luther. 14,95 Euro

Dieser Band wird gleichzeitig in englischer Sprache erscheinen. Der in Hamburg ansässige Verlag ist auf Reiseliteratur spezialisiert und legt einen kurzen Lutherband mit vielen Illustrationen vor, der hauptsächlich zugleich die Luthergedenkstätten in den Blick nimmt.

Hier eine Ankündigung des Verlages: „Die Wirkungen des Wittenberger Reformators Martin Luther waren universal. Die meiste Zeit verbrachte er in Kursachsen, das durch ihn zum „Mutterland der Reformation“ wurde. Der Theologe und Journalist Matthias Gretzschel nähert sich dem Phänomen Luther, indem er dessen Schicksal anhand der einzelnen Lebensstationen nachzeichnet: vom Geburtsort Eisleben im Mansfelder Land über die Schulzeit in Eisenach bis zum Eintritt ins Erfurter Augustinerkloster, vom Wittenberger Thesenanschlag zu den Disputationen in Leipzig, von den Auftritten vor dem Reichstag in Worms bis zur „Schutzhaft“ auf der Wartburg, wo er die Bibel übersetzte. Dokumentiert werden auch die späteren Reisen, die Luther von Wittenberg aus unternahm, um sein reformatorisches Werk zu fördern.“ „Bücherschau zur Frankfurter Buchmesse, Herbst 2016, Christoph Fleischer, Welver 2016“ weiterlesen