Theologisch von Politik reden. Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2011

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Zu: Francis Schüssler Fiorenza, Klaus Tanner, Michael Welker (Hg.), Johann Baptist Metz, Jürgen Moltmann, Elisabeth Schüssler Fiorenza: Politische Theologie, Neuere Geschichte und Potenziale, Neukirchener Verlagsgesellschaft, Neukirchen-Vluyn 2011, ISBN 978-3-7887-2532-8, Preis:

Erwähnenswert ist über die o.g. bibliografischen Angaben hinaus noch, dass dieses Buch im Neukirchener Verlag eine neue Reihe begründet, deren 1. Band es ist: „Theologische Anstöße“. Der Text dieses Buches ist, bis auf die von den Herausgebern verfasste Einleitung, die Dokumentation der Vorträge einer Tagung der Universität Heidelberg, in der die dortigen Theologieprofessoren Klaus Tanner und Michael Welker in den Dialog mit Vertretern der politischen Theologie der sechziger und siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts eintreten. Dabei wird selbstredend deutlich, dass die Vertreter Moltmann, Fiorenza (heute Schüssler Fiorenza) und Metz, sowie Schüssler Fiorenza  sich selbst weiter entwickelt haben, auch über eine grundsätzliche politische Theologie hinaus. Dennoch lassen sich die Positionen von Jürgen Moltmann (Tübingen) und Jean Baptist Metz (Münster) recht klar skizieren: „Es gibt keine unpolitische Theologie“. Allerdings hat eine bewusste und ausdrückliche politische Theologie die Aufgabe, diesen Sachverhalt hermeneutisch zu begründen und das Verhältnis dazu bewusst am Beispiel konkreter Positionen zu verdeutlichen. Eine solche politische Theologie bringt die Nähe Gottes zu den gesellschaftlich Leidenden und Unterdrückten zur Sprache, leitet also über zu einer „Theologie der Befreiung“. Daher bildet die politische Theologie die Brücke zu den auf Befreiung hin ausgelegten globalen Bewegungen. Unter dem dadurch aktuell nötigen interreligiösen Diskurs, verblasst die christliche Positionierung ein wenig. Elisabeth Schüssler Fiorenza nimmt die Gedanken dieser progressiven und an den Marginalisierten orientierten Theologie auf und konkretisiert sie daran, dass Frauen das Recht auf öffentliche Sprache genommen worden ist. Ihr Ausgangspunkt der feministischen Theologie wird allerdings aus der Gender-Thematik herausgelöst und auf grundsätzliche Macht-Dispositionen zu einer umfassenden Herrschafts- und Sozialkritik erweitert. Anstelle von Patriarchat spricht sie vom „Kyriarchat“. Diese Position ist eine grundsätzliche Kritik auch metaphysischer Denkvoraussetzungen, wobei außer in einer Anwendung auf die Schreibweise des Gottesnamens (G*tt) keine dogmatisch-theologische Konkretion gegeben wird. Die Position ist damit jedoch weiter reichend und eine weitere Perspektive auch in religiöser Hinsicht eröffnend. Ihr Ehemann Francis Schüssler Fiorenza konzentriert sich an der Arbeit von Carl Schmitt, einem Mitbegründer von politischer Theologie überhaupt, der in seiner Demokratiekritik Wegbereiter des Nationalsozialismus war. Während er von daher auch stets in seiner politischen Theologie verurteilt wird, sieht Francis Schüssler Fiorenza hingegen dessen Aktualität, die er am Beispiel der Georg W. Bush Aministration erläutert. Der Beitrag von Klaus Tanner beschreibt die Position von Benedikt XVI., bzw. des Vatikan, und legt dessen Gefangensein in metaphysischen Denkmodellen offen. Michael Welker eröffnet in seinem Vortrag wie am Ende der Einleitung Zukunftsperspektiven politischer Theologie. Hier hätte man sich mehr Klarheit gewünscht, zumal der Ausdruck „pneumatologisch“ nicht konkret genug gefasst wird. Klar dagegen und weiterführend sind die Kriterien der „lebensfördernden Prozesse“ sowie eines Diskurses um die Frage der Macht, die im Zusammenhang politischer Theologie sowohl als Macht der staatlichen Ordnung und der Märkte, als auch als Macht der Worte im Aufdecken deren Opfer darstellt. Auch politische Theologie drängt im Namen Gottes zur Macht, womit ihr zugleich eine Grenze gewiesen ist. Die Fragen der Zukunft sind: Welche Kriterien der Partizipation setzt Machtdenken voraus und wie stützt dieses unumkehrbare Demokratisierungsprozesse?

Es wurde Zeit, die politische Theologie wieder auf die theologische Tagesordnung zu setzen, um ihre Impulse in theologische Sprache zu übertragen.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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