Gott in der Seele. Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2012

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zu: Tilman Moser: Gott auf der Couch, Neues zum Verhältnis von Psychoanalyse und Religion, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2011, ISBN 978-3- 579-06572-4, Preis: 19,99 Euro

 

Zur Bibliographie dieses Buches ist zu ergänzen, dass es sich hier um eine erweitere Neuauflage des 2003 im Kreuz Verlag erschienenen Buches von Tilman Moser handelt: „Von der Gottesvergiftung zu einem erträglichen Gott“. Wer das Buch liest, wird an die „Wandlungen Gottes“ von Ernst Barlach erinnert, der die Gottesgestalt hinein zeichnet in den Kontext einer entsprechenden Lebens- und Geisteswelt. Der stoisch im Felsen liegende Gott, der zu allem nichts mehr sagt, der Gott, dessen Himmelstreppe zerbrochen ist und der sich von den Leid-Bergen der Kriege abwendet, der Gott in Gestalt eine Paares im Tanz usw. Tilman Moser verweist auf ein Gemälde, das auch auf dem Umschlag gezeigt wird, in dem ein großer Kopf gebildet wird aus vielen kleinen Köpfen. Er zeigt also ein Gottesbild, das aus verschiedenen Gestalten besteht. Die Gottesvergiftung, entdeckt von Tilman Moser, verblasst, weil es wohl die ihr zugrundeliegende streng-religiöse Erziehung immer weniger gibt. Dass es manchmal schon reicht, mittels Psychotherapie aus einer „religiösen Neurose“ zu einem „erträglichen Gott“ zu finden, ist verständlich und aus der Sicht der Psychologie sinnvoll, in theologischer Sicht jedoch wenig tröstlich. Richtig interessant wird es wohl erst, wenn Menschen ohne oder mit einer solchen Leidensgeschichte ihren Gott als „salutogene Ressource“, als heilende innere Kraft entdecken dürfen. Doch gerade diese Schrift einer so anderen, im kirchlichen Kontext anzusiedelnden psychologischen Praxis, ruft nach einer theologischen oder wenigstens religionsphilosophischen Beantwortung der Gottesfrage. Ist Gott nicht noch etwas anders als nur eine innere Stimme? Mehr als ein Wissen um die Bedeutung von Glaubenssätzen ist Gott auf jeden Fall. Ist nicht die religiöse Literatur der Bibel und theologischer Autoren erwachsen aus einem inneren Konflikt um die Gottesfrage,  wie der von Tilman Moser beschriebene Augustin, und müsste man nicht so ähnlich wie Martin Walser kürzlich in einem Vortrag fragen: Was müssen diese Menschen erlebt haben, dass sie an Gott so (nicht) glauben können? Die gemeinsame Mitte zwischen Religion und Psychologie wird zum Schluss doch mehr sein als nur der „erträgliche Gott“, jenseits allen religiösen Getrieben-Seins. Was hätte Augustin gesagt, wenn er die Möglichkeit gehabt hätte, seine Gewissensnot therapieren zu lassen? Man spürt bei der Lektüre des Buches viele Fragen aufsteigen, die aber eher ins Thema „Gott“ hinein als hinaus führen. Vielleicht bleibt als Fazit: Jede Begegnung mit Gott oder der Religion möge heilsam sein.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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