Jesus-die Gestalt des Heiligen, Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2012

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Zu:  Notker Wolf, Leo G. Linder: Jesus, Ein Leben, Gütersloher Verlagshaus Gütersloh 2012, ISBN 978-3-579-06578-6, Preis 19,99 €.

Zunächst sollte man das Nachwort „Entstehungsgeschichte“ zur Kenntnis nehmen. Die Erkenntnis Albert Schweitzers, ein Leben Jesu können nicht geschrieben werden, die hier ausgelassen wird, relativiert hier zumindest den Anspruch des Titels „Jesus, Ein Leben“. Leider bleibt ebenfalls unerwähnt, inwieweit die Evangelienharmonie (z. B. Diatessaron des Tatian, verfasst um 170), die auch den Heliand beeinflusste, auf die Konstruktion des Buches einwirkte. Klar ist auch hier: auch aus der plausibelsten Abfolge der Neutestamentlichen Erzähltexte kann kein Bild des Lebens Jesu gewonnen werden. Wichtige Fragen, wie die nach seiner Ehefrau, müssen einfach offen bleiben. Doch das haben die Autoren Notker Wolf, kürzlich wiedergewählter Abtprimas des Benediktinerordens und Leo G. Linder, Filmregisseure aus Düsseldorf gewusst.

Leo G. Linder steuerte fast alle Fotos zu diesem Band bei, die die Geschichte Jesu deutlich verorten und auf Palästina beziehen lassen. Die Bibeltexte werden im Sinne einer Erzählung geordnet, unter Berücksichtigung aller Evangelien und mit dem Grundwissen über die historischen Verhältnisse in Judäa ergänzt.  So wird der Auftrag Jesu klarer, auch in seiner untrennbaren Verbindung zu Johannes dem Täufer. Ein Leben Jesu mit biografischem Anspruch bieten die Evangelien also nicht, so dass auch dieses Buch solches nicht liefern kann, wie bereits oben festgestellt. Was aber viel wichtiger ist, ist die Tatsache, dass den Leserinnen und Lesern vor Augen geführt wird, dass sie selbst nicht anders können, als aus der Überlieferung der vier Evangelien und den zeitgeschichtlichen Informationen ein Bild von Jesus zu konstruieren. Das Buch ist ein Beispiel einer solchen Konstruktion. Vieles bleibt vage und das soll es auch sein.

Die Jesus-Konstruktion dieses Buches ist in etwa folgendermaßen:
Jesu Heiligkeit gehört von Anfang an zum Bild seiner Person. Nicht nur seine Worte, sondern sein ganzes Leben sind das Bild eines Sohnes Gottes im Verständnis der Religion, im religiösen Sinn. Soll damit in einer Welt, in der Politik auf der ganzen Linie scheitert, die Vorstellung vom Sohn Gottes und von der Anwesenheit Gottes in der Welt von der Politik in die Religion zurückgeholt werden? Gilt das nur für die Antike oder auch für die Gegenwart? Selbst dort, wo Jesu Auftrag ins Politische abzuweichen droht, bleibt der Vorrang des Persönlichen und Religiösen. Heil und Heilung, Wunder und Geistervertreibung sind der symbolische Wunsch nach Lebenserfüllung ohne die heillose Machtentfaltung der Politik. Das politisch angelegte Messiasbild des Judentums wird entpolitisiert und an die religiöse Frage nach dem Menschen gebunden. Jesus wird schon hier in der Hauptsache als Gekreuzigter gesehen. Die Kreuzigung wird aber nicht als Martyrium verstanden, sondern religiös gedeutet. Die Machtspiele der Politik werden entlarvt und ad absurdum geführt, denn der Gekreuzigte bleibt wirksam, steht auf nach seinem Tod und bildet die Gemeinde.

Das Buch „Jesus, Ein Leben“ macht Mut, die Bibel zu lesen und daraus ein eigenes Jesusbild zu konstruieren. Leider fehlt dem Buch der wissenschaftliche Anhang und ein Index, was es zu einem wichtigen Instrument der Predigtvorbereitung gemacht hätte. Vielleicht verzichten Autoren und Verlag darauf bewusst, um den Bibeltext selbst den Vorrang zu geben. Das Buch führt zu Jesus und zur Bibel und ist somit im Sinne der Verkündigung wichtig und angemessen. Es ist aber eben kein Jesus-Buch im Sinne einer Biografie, sondern ein Buch über die Evangelien und die Apostelgeschichte und ihr Konzept von Jesus, das die Verkündigung der Kirche bis heute prägt. Dieses Konzept offen zu legen und zu erzählen, ist das Verdienst dieses Buches.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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