Zu: Christiane Tietz: Dietrich Bonhoeffer, Theologe im Widerstand, Verlag C.H.Beck München 2013, ISBN 978-3-406-64508-2, Preis: 8,95 Euro
Dieser erschwingliche Band, 2013 in der Reihe C.H.Beck Wissen erschienen, liefert mehr als eine schlichte Kurzbiografie Dietrich Bonhoeffers. Die Autorin Christiane Tietz gliedert deutlich und zeigt so Ergebnisse ihrer Arbeit am Werk Dietrich Bonhoeffers, die sie nicht zuletzt durch ihre Arbeit als Vorsitzende der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft in Deutschland erhalten hat. Ortswechsel markieren hier wie in einer Erzählung Sinnabschnitte und Textzäsuren. Die Frage des Ortes allgemein gesagt spielt schon in der Überschrift eine Rolle: „Theologe im Widerstand“.
Die Frage der Rolle dieses Theologen zur „Ortsbestimmung“ Widerstand, wird im Schlussabschnitt „Bonhoeffer heute“ verallgemeinert und auf die heutige Generation bezogen. Deutlich ist, dass Bonhoeffer immer an der Herstellung eines Zusammenhangs interessiert war. Christiane Tietz schreibt: „Die Wirklichkeitsnähe seines Denkens war ihm stets wichtiger als das Festhalten an einem einmal gewonnenen theologischen System.“
Doch Wirklichkeit und Widerstand müssen nicht identisch sein. Warum verbrachte er sein Dasein „…im Widerstand“? War der Widerstand nur durch äußere Lebensumstände herausgefordert, oder pflegte Bonhoeffer auch ein widerständiges Denken, eine Art politische Theologie? Wenn eine äußerliche Beobachtung darauf hindeutet, dass er ein solches Denken pflegte, so sind es die häufigen Ortswechsel in seiner Biografie. Schon in diesem recht kurzen, durch Ermordung in einem KZ beendeten Leben, stand alle drei bis vier Jahre ein Ortswechsel an, wozu noch Studienaufenthalte, ökumenische Begegnungen und Dienstreisen kamen. Zugleich lässt sich allerdings feststellen, dass er das Studierzimmer im Elternhaus in Berlin, das heute ein Museum ist, bis zu seiner Verhaftung nicht aufgegeben hat, so dass es bei aller Beweglichkeit ein kontinuierlicher Rückzugsort war. Zu jedem Kapitel gehört jedoch auch die Bemühung Bonhoeffers um die wissenschaftliche Arbeit einschließlich der Herausgabe von Schriften und Büchern. Von der Habilitation „Akt und Sein“ abgesehen, werden die wichtigsten Schriften Bonhoeffers gesondert besprochen. So ist die kleine Biografie zugleich eine Einführung in sein Werk, das sich allerdings erst durch die „Rezeption Bonhoeffers nach 1945“ durch die Herausgabe des Buches „Widerstand und Ergebung“ einer größeren Öffentlichkeit dargestellt hat. Doch Bonhoeffer ist mehr als eine geschichtliche Figur. Das mündige Christsein ist es vor allem, was seine heutige Attraktivität ausmacht und somit über historische Bezüge hinaus interessant sein lässt. Die Autorin schreibt dazu: „Ein Mensch kann intellektuell mündig und ethisch selbstständig sein und gleichzeitig an Gott glauben.“ Von diesem Gedanken aus müsste eigentlich noch deutlicher, als es in diesem Buch geschieht, gesagt werden, welches Glaubensbewusstsein der Einstellung des Widerstandes vorausgeht und worin es, auch im Zukunftsbezug, eingebunden ist. Müsste nicht es heißen: Widerstand lebt aus der Dankbarkeit im Glauben? Doch wogegen richtet sich der Widerstand dann genau? Es ging Bonhoeffer sicherlich nicht allein um die Verteidigung des kirchlichen Denkens und der Institution Kirche an sich, wie es im Kirchenkampf sicherlich nötig war, sondern auch um Gerechtigkeit, um Frieden, um Ökumene und die Anerkennung einfachster Rechte wie das Recht auf Leben. Mag sein, dass die Autorin Bonhoeffer zu sehr auf den Widerstand im Dritten Reich fokussiert, allerdings macht sie am Ende des Buches den Blick nach vorn deutlich: Dort beschreibt sie Bonhoeffers Verantwortungsethik, die von ihrer christlichen Begründung her jeden Leser daran erinnern müsste, welche Verantwortung die Kirche heute vor der künftigen Generation und dem Leben der Welt hat.