Zu: Jürgen Gauer: Du hältst deine Hand über mir, Gottesdienste mit Demenzkranken, Patmos-Verlag Düsseldorf 2009, ISBN 978-3-491-70424-4, Preis: 14,90 Euro
und zu:
Jürgen Gauer: Von allen Seiten umgibst du mich, Symbolgottesdienste für Senioren, Schwabenverlag Ostfildern 2011, ISBN 978-3-7966-1543-6, Preis: 16,90 Euro
Der Band mit Gottesdiensten für an Demenz erkrankte Gottesdienstbesucher richtet sich an Seelsorgerinnen und Seelsorger verschiedener Konfessionen, die im Seniorenheim oder öffentlich Gottesdienste mit demenzkranken Menschen halten möchten. Das Vorwort ist faktisch eine Einleitung, in der der Autor, Pfarrer und Altenheimseelsorger im Kirchenkreis Soest, Jürgen Gauer, eine sachkundige Einleitung gibt und darin den Wert der Erinnerungsarbeit für Seniorinnen und Senioren vor allem bei Demenz hervorhebt. Die Gottesdienste greifen das Bedürfnis danach auf, sich erinnern zu können und zu dürfen. Schon die Erfahrung, einen bekannten Psalm auswendig mitzusprechen, sowie Gebete wie das Vater Unser und bekannte Lieder wiederzukennen, kann Menschen zurückholen in die Gegenwart, in das Hier und Jetzt. Wozu solche Gottesdienste da sind, lässt sich wohl am besten mit den Worten des Autors selbst wiedergeben: „Gottesdienste mit demenziell erkrankten Menschen sind – wie alle Gottesdienste – Herzenssache, Frohmachereignisse. Sie sind Trost- und Vergebungsoasen. Segenstankstellen. Gemeinschaftsquellen.“ (S. 11)
Die abgedruckten Gottesdienste enthalten das Textmatetrial, das zur Vorbereitung und Durchführung der Gottesdienste nötig ist, einschließlich der Lieder. Die Gebete sind meist aus der Hand des Autors und lassen erahnen, mit welcher Klarheit und Prägnanz Texte mit Demenzkranken formuliert sein sollten. Die Gottesdienste selbst sind mit Gegenständen veranschaulicht, sei es zum Kirchenjahr, zu den Jahreszeiten oder sogar durch Themen, die von Symbolen vorgegeben sind. Die in diesem Zusammenhang eingegebenen Texte sind allerdings doch manchmal etwas zu vielschichtig, so dass Zweifel daran aufkommen, ob in der Verwendung von Symbolen nicht manchmal weniger faktisch mehr wäre. Gut, dass man dann aus dem gelieferten Textmaterial auswählen kann. Da die Gottesdienste einschließlich der Lieder nicht länger als 30 Minuten dauern sollten, wie es im Vorwort heißt, wäre eine deutlichere Konzentration auf ein Thema manchmal wünschenswert. Zugleich sollten im Interesse der Wiedererkennbarkeit vielleicht doch auch einige biblische Kerntexte vorgelesen werden, ohne dass jedoch die Ansprachen zu regelrechten Predigten mutieren. Vielleicht würden dann auch Formulierungen vermieden, in denen Jesus als jemand bezeichnet wird, „der sich hat aufs Kreuz legen lassen“ (S. 36).
Während das Vorwort im ersten Band deutlich auf die Gottesdienstaufgabe bezogen ist, richtet sich die Einleitung im zweiten Band an Menschen, die über die Situation des Alters allgemein nachdenken wollen. Die schon bei den „Gottesdiensten mit Demenzkranken“ (s. o.) eingeschlagene Richtung, die Gottesdienstthemen mit Symbolen zu veranschaulichen, wird beibehalten, ja wird zum Thema des Buches. Eine ausführliche Bearbeitung des Symbolbegriffes wird allerdings nicht gegeben. Die Einleitung bietet stattdessen eine ausführliche Situationsbeschreibung über Menschen im Alter und die dazu gehörende Aufgabe der Seelsorge.
Die Wahl von Symbolen in den Gottesdiensten kommt manchmal durchaus dem Anlass des biblischen Themas oder der Kirchenjahreszeit entgegen und kann auch von dort her weiter entfaltet werden, zum Teil auch mit begreifbaren Gegenständen wie den Sorgenpüppchen oder einem Handkreuz aus Holz. Anders gesagt ist die Auswahl des passenden Symbols der erste Schritt der Gottesdienstvorbereitung. Hier wird im Zusammenhang mit den Bedürfnissen von Kranken und in der Sinneswahrnehmung oft eingeschränkten Menschen ein guter Schatz von begreifbarer Verkündigung erschlossen. Auch Gebetskarten wie die betenden Hände (Dürer) o. ä. scheinen recht geeignet für solche Gottesdienste zu sein. Ob es hingegen möglich ist, wie aus der Elementarpädagogik bekannt, spielerisch Symbole mit der Bibel und den Gottesdienstthemen bei alten Menschen in Verbindung zu bringen, sollte zumindest angefragt werden. Die symbolische Tragweite in seelsorgerlicher Hinsicht muss z. B. bezweifelt werden bei einer Glasperle (Tränen), einem Strohhalm (sich an einen Strohhalm hängen), einem Notenschlüssel, einem roten Faden oder einem Leuchtturm. Sicherlich sind auch Gebete und Ansprachen eine gute Anregung, auf die eigene Situation hin weitere Vorarbeiten anzustellen und auszuwählen oder zu verändern. Gottesdienstvorbereitung wird ein kreativer Prozess, dessen Ideenreichtum auch den Gottesdiensten selbst zu Gute kommt, wie Jürgen Gauer in diesem vielgestaltigen Band zeigt. Die Gottesdienste sind lebendig und anschaulich, konkret und werden nicht textlich überfrachtet.