Predigt über Johannes 1, 1 – 5,9 – 14,16 – 18 (Gute Nachricht Bibel)
1Am Anfang war das Wort*. Das Wort war bei Gott,
und in allem war es Gott gleich.
2Von Anfang an war es bei Gott.
3Alles wurde durch das Wort geschaffen;
und ohne das Wort ist nichts entstanden.
4In ihm war das Leben,
und dieses Leben war das Licht für die Menschen.
5Das Licht strahlt in der Dunkelheit,
aber die Dunkelheit hat sich ihm verschlossen.
9Das wahre Licht, das in die Welt gekommen ist
und nun allen Menschen leuchtet, ist Er, der das Wort ist.
10Er, das Wort, war schon immer in der Welt,
die Welt ist durch ihn geschaffen worden,
und doch erkannte sie ihn nicht.
11Er kam in seine eigene Schöpfung,
doch seine Geschöpfe, die Menschen, wiesen ihn ab.
12Aber allen, die ihn aufnahmen und ihm Glauben* schenkten,
verlieh er das Recht, Kinder Gottes zu werden.
13Das werden sie nicht durch natürliche Geburt
oder menschliches Wollen und Machen,
sondern weil Gott ihnen ein neues Leben gibt.
14Er, das Wort, wurde ein Mensch,
ein wirklicher Mensch von Fleisch und Blut.
Er lebte unter uns, und wir sahen seine Macht und Hoheit,
die göttliche Hoheit, die ihm der Vater gegeben hat, ihm, seinem einzigen Sohn*.
Gottes ganze Güte und Treue ist uns in ihm begegnet.
16Aus seinem Reichtum hat er uns beschenkt,
uns alle mit grenzenloser Güte überschüttet.
17Durch Mose gab Gott uns das Gesetz*,
in Jesus Christus aber ist uns seine Güte und Treue begegnet.
18Kein Mensch hat Gott jemals gesehen.
Nur der Eine, der selbst Gott ist und mit dem Vater in engster Gemeinschaft steht, hat uns gesagt und gezeigt, wer Gott ist.
(Die Predigt halte ich am 25.12 um 10 Uhr in der Anna-Kaplle Ense-Niederense)
Liebe Gemeinde,
dieses Evangelium, das heute Predigttext ist, ist vormals am zweiten Weihnachtstag vorgelesen worden. In diesem Jahr ist es zur Erprobung am ersten Weihnachtsfeiertag dran. Die Ordnung geht sicherlich davon aus, dass wir aus unterschiedlichen Gründen die Weihnachtsgeschichte des Lukas noch im Ohr oder in Gestalt einer Krippe vor Augen haben. Das Johannesevangelium liefert keine derartige Erzählung, weder die von den Hirten noch die der Weisen aus dem Morgenland.
Trotzdem ist der Anfang des Johannesevangeliums, genannt der Prolog, auch eine Art Weihnachtsgeschichte. Während die eine Weihnachtsgeschichte an einem Ort spielt, in Bethlehem, ist diese Weihnachtsgeschichte über die ganze Welt verbreitet. In der ganzen Schöpfung.
Manches sind Aussagen, manches sind Bilder. Wer jetzt die Bethlehem-Weihnachtsgeschichten vor Augen hat, könnte versuchen, einmal hier in anderer Gestalt Bekanntes wieder zu entdecken.
Der Anfang klingt etwas abgehoben philosophisch. Er bezieht sich auf die Schöpfungsgeschichte. „Am Anfang war das Wort.“ (Joh. 1,1) Das kann man auf die Schöpfung beziehen und sagen, dass Gottes Wort das Leben der Welt bewirkt. Man kann aber auch grundsätzlich sagen, dass Gottes Wirken durch das Wort geschieht. Wort ist hier keine Einschränkung, sondern eine Gestalt des Wirkens Gottes, das Wesen Gottes. So wie Gott nach außen wirkt. Man bezeichnet die Bibel ja nicht umsonst als Gottes Wort, weil Gott durch das Wort handelt. Doch mit Wort ist hier ja im Endeffekt Jesus Christus gemeint. Das soll bedeuten, dass der Erlöser eine Gestalt ist, die es schon immer bei Gott gab und die nun in Gottes Auftrag Mensch geworden ist. Dieser Auftrag ist nötig geworden, weil in der Tat auf der Erde etwas aus dem Ruder gelaufen ist. Wort, Leben und Licht werden miteinander verknüpft. Das Leben ist der Geist Gottes, der Geist des Lebens, der das Licht für die Menschen ist.
Wo kommt in der Weihnachtsgeschichte das Leben vor? Abgesehen von dem Leben der Menschen überhaupt, das hier geschildert wird in den Personen, (ja sogar himmlisches Leben in Gestalt der Engel,) ist es doch hauptsächlich die Geburt eines Kindes, die das Leben verkörpert. Immer, wenn ein Mensch geboren wird, erneuert sich das Leben, das ja andererseits der Sterblichkeit unterworfen ist. Das Kind in Bethlehem, das Kind im Stall, das ist das neue Leben. Es ist ein besonderes Leben, es ist das Licht für die Menschen. Aber es ist eben das Leben eines Menschen.
In den ersten fünf Versen nimmt also Gottes Wort, das von Anfang an bei Gott war, menschliche Gestalt an. Es wird lebendige Botschaft. Dieser Mensch redet nicht nur von Gott, er verkörpert Gott in seinem Reden, Handeln und zuletzt sogar in seinem Tod, der zur Auferweckung führt.
Nun kommt die Menschheit ins Spiel: „Das Licht scheint in der Dunkelheit, aber die Dunkelheit hat sich im verschlossen.“ (Joh. 1,5) In der Erzählung der Weihnachtsgeschichten ist die Dunkelheit die Nacht. Einmal ist es die Nacht, in der Jesus auf die Welt kommt, die Nacht, bei den Hirten der Schafe und die Nacht, die von dem Gesang der Engel erleuchtet wird. Bei der Herodes-Geschichte ist es ja wohl der Stern, der die Weisen leitete und den man ja wohl nur nachts sehen kann, so hell er auch erscheinen mochte.
Diese Aussagen werden nun bei Johannes wiederholt und verstärkt. Jesus ist das wahre Licht, dass alle Menschen erleuchtet. So platt sich das zunächst anhören mag, so wichtig ist es: Hier ist keine besondere Offenbarung für bestimmte Menschen, sondern sie gilt für alle Menschen. Hier wird kein neues Gottesvolk erwählt, sondern das Licht der ganzen Welt geboren. Aber nicht alle sehen dieses Licht.
Jetzt kommt eine wundersame Wendung, die aber durch den Anfang schon vorbereitet ist. Wenn Christus schon von Anfang an in der Welt war, als deren Schöpfungswort, als das Wort des ersten Lebens, ist es verwunderlich, dass die Welt ihn nicht erkennt. Obwohl die Welt durch ihn, durch dieses lebendige Wort geprägt ist, nahmen ihn die Menschen nicht auf.
Dieses Aussage geht über jede Weihnachtsgeschichte hinaus, ist ja eigentlich nur aus der Christusbotschaft vom Kreuz her zu sehen, und es wird nicht jemand konkret beschuldigt, sondern nur allgemein festgestellt, dass in Jesus der Ursprung des Lebens neu erschienen ist, aber in der Welt abgelehnt und abgewiesen oder einfach nicht erkannt wurde.
Das drückt man in der Erzählung der Weihnachtsgeschichte durch die sogenannte Herbergssuche aus. Weil Jesus ja in einem Stall geboren wurde, musste man feststellen, dass Maria und Josef zuvor überall abgewiesen worden sind. Bei Lukas ist es zunächst nur Maria, die das anders sieht, denn sie weiß durch die Botschaft des Engels, dass Jesus auf die Welt kommt und dass Gott rettet.
Doch wie Gott rettet, das ist noch offen. Johannes sagt, Jesus sei das Wort.
Einerseits die Krippe und der Stall, andererseits die Verfolgung der Weisen durch Herodes sind Zeichen der Ablehnung. Gottes Botschaft, die aber eigentlich die Rettung der Welt ist, kommt in der Welt unter die Räder, wird schon von Anfang an nicht erkannt.
Wir würden sagen, dass das ja auch an seinem Auftreten liegt, wenn Jesus nur in dieser einfachen Unterkunft zur Welt kommt, als ein beliebiger Nachkomme Davids zwar, dessen Geburt verheißen ist, aber eben nicht mit dem Anspruch eines Herrschers oder Thronfolgers. Die Macht haben längst andere, zum Beispiel Augustus, der die Volkszählung anordnete.
Doch da gibt es Menschen, die ihn erkannten, in beiden Geschichten. Einmal die Weisen aus dem Morgenland, die dem Stern folgten, und zum anderen die Hirten von Bethlehem, die einer himmlischen Botschaft zufolge in diesem neugeborenen Kind von Josef und Maria den Retter der Welt erkannten. Es ist klar: Er ist Licht der Welt, Wort Gottes, wurde als Mensch geboren, und Menschen erkannten in diesem neugeborenen Leben den Beginn einer neuen Zeitrechnung.
In der anderen Überlieferung wird deutlich, dass man an eine biblische Verheißung glaubt, an prophetische Worte, die Gott in der Gestalt eines Messias in der Welt erscheinen sehen. In unserem Text von Johannes wird das Wort Messias bewusst nicht gebraucht, aber man merkt, dass er es doch auch meint. Es gibt Menschen, die ihn als das Licht der Welt und als das Wort Gottes erkennen.
„Aber allen, die ihn aufnahmen und ihm Glauben schenkten, verlieh er das Recht, Kinder Gottes zu werden. Das werden sie nicht durch natürliche Geburt oder menschliches Wollen und Machen, sondern weil Gott ihnen ein neues Leben gibt.“ (Joh. 1,12+13)
Gottes Kinder zu sein ist etwas, das muss man nicht neu erschaffen, denn wir sind ja Geschöpfe Gottes und so auch seine Kinder. Es ist etwas Geistiges, eine Art des Erkennens. Johannes weiß natürlich, dass man Gottes Kind nicht durch Geburt wird, sondern durch die Taufe, durch die Anerkennung des Wirkens Gottes im eigenen Leben. „Er, das Wort, wurde ein Mensch, ein wirklicher Mensch von Fleisch und Blut. Er lebte unter uns, und wir sahen seine Macht und Hoheit, die göttliche Hoheit, die ihm der Vater gegeben hat, ihm, seinem einzigen Sohn. Gottes ganze Güte und Treue ist uns in ihm begegnet.“ (Joh. 1,14)
Nicht umsonst ist dieser Vers der Wochenspruch zum Weihnachtsfest. Obwohl uns dieser ganze Bibeltext gar nicht so weihnachtlich vorkam und erst mit den einzelnen Elementen des Weihnachtsfestes angefüllt werden musste, ist das nun wie eine Zusammenfassung. Wie bei Lukas der Satz des Engels: „Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“ (Lukas 2,11)
Die Christenheit musste später darum kämpfen, diese doppelte Wahrheit richtig umschreiben zu können: Zum einen: Gott ist Mensch geworden in der Geburt Jesu. Und zum Zeiten: Der Mensch Jesus ist ein durch und durch göttliches Wesen.
Wenn beide Sätze richtig sind, muss das doch heißen, dass in diesem Menschen Jesus, Gottheit und Menschheit einander ganz nah gekommen sind, sich berührt haben und eins geworden sind. So kann ein durch und durch menschliches Verhalten später als göttlich bezeichnet werden, die Liebe: „Gott ist die Liebe und wer in der Liebe bleibet, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ (1. Johannesbrief 4,16)
Die Menschwerdung, die in Bethlehem angefangen hat, wird wie bei einem Schneewalzer oder eine Polonaise fortgesetzt. Jesus fängt damit an und beruft Jüngerinnen und Jünger, diese selbst machen genauso weiter und immer kommen neue dazu.
Johannes sagt, dass in Jesus Gott begegnet, und zwar nur dort, und natürlich im Geist der von Jesus ausgeht.
Ich möchte noch auf drei Aspekte eingehen, mit denen Johannes deutlich macht, wie Gott bei den Menschen wirkt.
Gott wirkt im Wort, Gott wirkt im Licht und Gott wirkt im Leben heute.
Der bekannte Fernsehmoderator Werner Höfer schrieb in einer Predigtmeditation zu diesem Text:
„Ob am Anfang, ob am Ende: das Wort, von Gott an die Menschen, von den Menschen an Gott gerichtet, braucht um seinen Rang nicht zu fürchten. Es muss auch die erreichen, die sich, im Dschungel oder in Slums, mit Worten nicht abmühen wollen, die Sprachlosen, die Unmündigen, die sich mit Bildern, billiger als Brot, abspeisen lassen. Mit ihnen ist zu reden, mit Engeln, mit Bruderzungen: Das Wort werde Mensch.“ (Assoziationen, Gedanken zu biblischen Texten 1, Stuttgart 1978, S. 26)
Er geht in dem gleichen Text auch darauf ein, dass die Kirche heute auf die Menschen angewiesen ist, die das Wort verbreiten, auf Schriftsteller und Journalisten, die im vollen Anspruch ihrer Meinungsfreiheit das freie Wort sagen und vermitteln. Gott lebt da, wo Menschen sich zu Wort melden und wo das Wort zu Gehör gebracht wird. oder wie Jesus sagt: Das Reich Gottes ist wie ein Samenkorn, das in die Erde gelegt wird, und später aufwächst und Frucht bringt. Dieses Saatkorn ist das Wort. Für uns heute ist Jesus Christus dieses Wort. Das Wort ist eine ganz und gar menschliche und säkulare Angelegenheit. Es wird geschrieben, gedruckt, gesprochen, verkündigt, bezweifelt, verbürgt, umgesetzt und so weiter. Aber im Wort drückt sich eben der Glaube aus. Menschen schließen einen Vertrag, der aus Worten besteht und Fakten schafft. Aus diesem Wort wachsen Frieden und Versöhnung.
Gott wirkt im Licht. Weihnachten ist das Fest der Wintersonnenwende oder war es, bevor es christianisiert wurde. Mit Licht ist jetzt nicht Energie oder Strom oder Feuer gemeint. Es geht eher um die Erfahrung von Nacht und Tag und den Zeichen des Lichtes. Der Kern von Bethlehem z. B. ist ein Symbol einer neuen Zeit. In dieser Geburt ist Gott Mensch geworden, das hat es vorher so noch nicht gegeben. Dieses Licht durchdringt die Dunkelheit. Man nennt das einen Dualismus, einen Gegensatz von zwei Kräften, dunkel und hell, gut und böse und so weiter. Die Weihnachtsgeschichten sind voller Lichtanspielungen oder Lichtworten. Die Pastorin Friederike Reiff schreibt in einer Predigthilfe: „Gott gebiert die Schöpfung durch das Wort – Maria gebiert Jesus, in dem das schöpferische Wort ‚Fleisch‘ wird. Gott spricht ‚Es werde Licht‘ und in Jesus kommt das wahre Licht in die Welt. Das Licht in der Dunkelheit – für mich Symbol schlechthin für Trost, Hoffnung, neue Kraft, Gottes Liebe eben.“ (GottesdienstPraxis 1, GTVH 2014, S. 63).
Gott wirkt im Leben heute. Ich sage bewusst heute, weil es ja nicht nur um Schöpfung und Schöpfer geht. Jesus sagt uns, dass wir alle Gottes Kinder sind und sein sollen. Gottes Kind zu sein heißt ja noch nicht, auch so zu leben. Als Gottes Kind lebt man erst, wenn man die Liebe, die man empfängt auch weitergibt. Aber darin wird deutlich, dass es um heute geht. Wenn wir glauben, dass Gott Mensch geworden ist, dann glauben wir auch, dass Gott uns in unserer Gegenwart begegnet. Diese Gedanken sind vom Evangelisten Johannes deutlich ausgesprochen worden.
Gerd Theißen hat sie ganz kurz zusammengefasst und ich lese seine Zusammenfassung ohne die Bibelzitate, also noch einmal gekürzt:
„Im Johannesevangelium ist Jesus der sich selbst legitimierende Offenbarer, der von Anfang an in Gott existierte wie ein Wort im Menschen existiert, bevor es ausgesprochen wird. Dieses Wort wurde Fleisch und wurde so in der Welt sichtbar und hörbar …
Das Johannesevangelium deutet neu den Glauben der ersten Christen:
Sie erwarteten Heil in der Zukunft; er erfährt es in der Gegenwart.
Sie suchten es im Himmel; er findet es auf Erden.
Sie berufen sich auf Wunder; er deutet sie als Zeichen.
Sie suchten nach Titeln für Jesus; für ihn offenbart sich Jesus in Bildern und Gleichnissen.
Das Johannesevangelium ist überzeugt:
Das ewige Leben ist schon Gegenwart….
Das Gericht vollzieht sich schon jetzt….
Die Auferstehung geschieht schon jetzt….
Die Wiederkehr des Herrn ereignet sich schon jetzt….
Für den Johannesevangelisten ist Jesus der Gesandte Gottes….
Dieser Gesandte aus dem Himmel verkündigt sich selbst.
In der Begegnung mit ihm entscheidet sich das Heil….
In Jesus ist der Ursprung aller Dinge gegenwärtig.
Er kommt direkt aus dem Herzen des Vaters und bringt authentische Kenntnis von Gott. Niemand hat Gott je gesehen.“ (Gerd Theißen, Glaubenssätze. ein kritischer Katechismus. GTVH 2012, S. 232 – 236).
Auch wenn sich das etwas kompliziert anhört, ist es doch gar nicht schwer, wenn man sich klar macht, dass für diesen Evangelisten Gott nichts anderes ist als die Liebe und Jesus derjenige, der uns die Liebe bezeugt und den Geist der Liebe gibt. Weihnachten ist nach Johannes das Fest der Liebe.
Amen.