Predigt über Philipper 4, 4-7 zum 4. Advent, Christoph Fleischer, Welver 2015

Print Friendly, PDF & Email

Philipper 4,4–7 (wird gehalten in Günne und Meiningsen)

4Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! 5Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe! 6Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! 7Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Liebe Gemeinde!

„Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich Freuet euch!“ Das ist eine interessante Aufforderung zur Freude. Wo Freude sich von selbst versteht, müsste man sie nicht so eindringlich fordern und mit „und abermals sage ich“ unterstreichen. Freude kann man nicht befehlen. Paulus geht hier bis an die Grenze. Er spricht zu einer Gemeinde, die den Weg zur Freude nicht sofort gefunden hat. Doch er zeigt: die Freude ist da, wir können sie ergreifen. Sie kann Trauer überwinden oder einfach respektieren.

Dieser Hintergrund des Textes hat mich motiviert, persönlich über die Freude zum Weihnachtsfest nachzudenken, und danach zu fragen, wie ich es in der Familie erlebt habe.

Ich gehe in Gedanken in die Kindheit zurück. Geboren bin ich 1955. Im Jahr 1961 wurde durch den Mauerbau die innerdeutsche Grenze geschlossen. Von da an waren Besuche aus der DDR bei uns kaum noch möglich. Die Reisen dorthin mussten kompliziert und frühzeitig beantragt werden. Meine Mutter galt als Republikflüchtling und konnte zuerst nicht reisen.

Weihnachten war das traurigste Fest des Jahres, denn es gehörte dem Erzgebirge, der Heimat meiner Mutter, auch das Weihnachtsland genannt. Besuche gab es natürlich nicht. Telefonieren konnten wir auch nicht. Die Angehörigen drüben waren in Gedanken dabei, und in ihren Briefen und Päckchen. Aber das war ja nur ein schwacher Trost.

Die Oma schickte jedes Jahr einen Christstollen. Den konnte man damals noch nicht im Westen bekommen. Später gab es zwar welche, aber noch nicht nach erzgebirgischem Rezept. Der Stollen wurde folgendermaßen gemacht. Zuerst mussten wir im November ein Paket packen mit vielen Backzutaten, die es in der DDR nicht zu kaufen gab, Zitronat, Mandeln, Nüssen, Rosinen usw. Dann kam in das Päckchen noch ein Pfund Kaffee hinein und mehrere Tafeln Schokolade. „Geschenksendung keine Handelsware“, das stand auf jedem Päckchen, das den Zoll passieren musste. Trotz dieser Aufschrift wurden die Pakete stichprobenweise kontrolliert, was zusätzliche Zeit kostete. Die Pakete sind immer wohlbehalten angekommen, manchmal aber nicht rechtzeitig. Gerade in der Weihnachtszeit waren die Pakete manchmal zwei Wochen und mehr auf der Post. Es kam nicht selten vor, dass der Stollen erst Heiligabend oder kurz davor ankam. Dann waren noch kleiner Zugaben drin, wie die steinharten Pfeffernüsse aus einer erzgebirgischen Lebkuchenbäckerei.

Meine Mutter wünschte sich immer noch einen Stollen ohne Rosinen, und den gab es dann auch. Der Stollen wurde in Omas Stube vorbereitet und dann auf einem Brett zum nahen Bäcker gebracht, wo er in der Backstube gebacken wurde. Dann musste der Stollen noch so rechtzeitig in den Westen geschickt werden, so dass er Weihnachten angeschnitten werden konnte, sorgfältig in Pergament eingelegt. Erst nach der Lieferung wurde der Stollen noch mit flüssiger Butter übergossen und mit Puderzucker bestreut.

Der erzgebirgische Stollen soll an das Christkind erinnern. Vielleicht soll man dabei an das Abendmahl denken. Wir waren jedenfalls dann mit unseren Lieben im Osten in Verbindung, wenn wir beim Kerzenschein einen Stück Stollen aßen. Doch da war noch mehr: Alle erzgebirgischen Räuchermänner, Nussknacker und Pyramiden wurden rausgeholt. Besonders schön waren die Lichterfiguren, für jedes Mädchen einen Engel und für die Jungen einen Bergmann. Nicht alle Sachen bekamen wir direkt von dort. Die waren ja meist für den Export bestimmt und in den Läden kaum noch zu bekommen. Eine schöne Weihnachtspyramide hatten meine Eltern von einer Diakonisse geschenkt bekommen. Die Hauptsache war eben, dass alles zu Weihnachten an das Erzgebirge erinnerte.

Vor jeder Bescherung wurden Weihnachtslieder gesungen. Dazu hatte meine Mutter schon in der Adventszeit öfter mal die Zither vom Schrank geholt, die sonst das Jahr über nicht angerührt wurde. Die Lieder kannte sie wohl fast auswendig, musste aber wieder ein wenig Fingerfertigkeit üben. Nachdem wir „Alle Jahre wieder“ und „Leise rieselt der Schnee“ gesungen hatten, kamen die erzgebirgischen Lieder dran. Mein Vater wollte immer das Lied vom Feierabend hören, das Lied der Bergleute.

Die Stimmung war wohl festlich und schön. Wir hatten wir im Erzgebirge üblich eine Krippe aufgebaut. Einen Tannenbaum brauchten wir nicht. Das sei ein heidnischer Brauch, sagte man. Die Gestaltung der Krippe wurde immer professioneller. Als wir uns eine Zeit stärker mit der Modelleisenbahn beschäftigten haben wir der Krippe einen Bachlauf verpasst, mit einer kleinen Pumpe. Im Erzgebirge nennt man das den Weihnachtsberg. Im Heimatmuseum in Schneeberg kann man einige solcher interessanten Modellanlagen besichtigen, bei denen sich auch einiges bewegt.

Warum ich das alles erzähle. Es war sicherlich schön, dass sich alles so um das Erzgebirge drehte. Aber da es die Heimat meiner Mutter war und sie darunter litt, ihre Angehörigen nicht sehen zu können, war das immer auch ein trauriges Fest. Da wurden auch einige Tränen vergossen. Meine Mutter erzählte auch oft aus der Kindheit, wozu auch gehörte, dass ihr Vater zu Beginn der Nazizeit mit dem Fahrrad tödlich verunglückt ist, als sie etwa 6 Jahre alt war.

Um so wichtiger war die Weihnachtsbotschaft in vielfältiger Form. Sie erfüllte uns auch mit Freude. Es ist eine Freude, die auch Trauer und Schmerz aushalten kann, so wie es Paulus nim Philipperbrief meint. Ist fast so, wie in diesem Spruch von Paulus, dass es Freude gab, dass wir uns dazu aber auch ein wenig auffordern und ermuntern mussten. „Freuet euch in den Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch.“

Die von mir geschilderte Stimmung möchte ich mit einem kleinen Gedicht unterstreichen. Der Advent macht es Menschen, die trauern nicht gerade leicht: Bei den Adventsfragen geht es noch einmal um den Aspekt der Freude in trostloser Lage.

Adventsfragen

Zu singen auf die Melodie: Es kommt ein Schiff, geladen (eg 8).

  1. Das ist ein Lied mit Fragen
    Zur lauten Weihnachtszeit.
    Was Gott uns hat zu sagen,
    Betrifft auch unser Leid.
  2. Sind jeden Tag die Türen
    Mit Schokozeug versehn?
    Wird`s zum Gelingen führen,
    Wenn wir zum Kaufen gehen?
  3. Was machen alte Leute
    In dieser Weihnachtszeit?
    Wohin gehen Menschen heute
    In Not und Einsamkeit?
  4. Wie Weihnachtslieder singen,
    Wenn keine Kerze brennt?
    Wenn Kinderstimmen klingen,
    Ist´s dann erneut Advent?
  5. Wo Gott kommt auf die Erde,
    Da gilt ein neues Wort.
    Das Wort den Menschen werde
    Zum Heil an ihrem Ort.

Wichtig ist aus dem Text von Paulus noch herauszuhören, dass auf die Freude schon die Güte folgt. Die Nächstenliebe wird nicht befohlen, sondern sie stellt sich einfach ein. Die Freude, die Trauer respektiert, kann auch anderen Menschen in Not und Trauer beistehen. So sagt Paulus: Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! (Philipper 4,5)

Man sollte das nicht als Gebot verstehen, sondern als Teil der Freude. Wir können dann echt und gut geben, wenn wir es aus eigenen Stücken tun, z. B. nach dem Prinzip: „Was du nicht willst das man dir tu, das füg´ auch keinem andern zu.“ Man sollte also ruhig zuerst bei sich selbst anfangen. So heißt es in einem Gedicht von Giannina Wedde;

Du selbst, Giannina Wedde (Giannina Wedde: Dorn der Liebe. Echter Verlag Würzburg 2015, S. 50

Wenn Du Dir Freundschaft wünschst,
so sei ein Freund,
wenn Du die Hoffnung suchst,
so sei ein Licht, das zuversichtlich scheint.
Wenn Du die Tat vermisst,
dann geh beherzt ins Tun,
und wenn nirgends tiefe Stille ist,
sei Du selbst die Stille nun.

Wenn dir die Liebe fehlt,
sei Du selbst der Liebe Klang,
und ist ein Ort noch unbeseelt,
dann fülle ihn mit Lobgesang.
Du selbst trägst Licht,
und alles, was Du liebst,
doch es erreicht den Andern nicht,
wenn Du es nicht umfängst und weitergibst.

Paulus bezieht im Weiteren die Beziehung mit Gott hinein und erinnert an das Gebet. Wir sind in Gottes Nähe und stehen zu Gott in Beziehung. Wir geben weiter, was wir empfangen haben und leben aus der Dankbarkeit. Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! (Philipper 4,6)

Das wird vom ehemaligen Uno Generalsekretär Dag Hammarskjöld so beschrieben:

Dag Hammarskjöld: Zeichen am Weg, Verlag Urachhaus, Stuttgart, 2. Auflage 2012, S. 128:

Du, der über uns ist,
du, der einer von uns ist,
der, der i s t –
auch in uns;

Dass alle dich sehen – auch in mir,
dass ich den Weg bereite für dich,
dass ich danke für alles, was mir widerfuhr.
Dass ich dabei nicht vergesse der anderen Not.
Behalte mich in deiner Liebe,
so wie du willst, dass andere bleiben in der meinen.
Möchte sich alles in diesem meinen Wesen
zu deiner Ehre wenden,
und möchte ich nie verzweifeln.
Denn ich bin unter deiner Hand,
und alle Kraft und Güte sind in  dir.

Gib mir einen reinen Sinn – dass ich dich erblicke,
einen demütigen Sinn – dass ich dich hören,
einen liebenden Sinn – dass ich dir diene,
einen gläubigen Sinn – dass ich in dir bleibe.

Paulus schließt mit dem Friedensgruß, mit dem heute jede Predigt beendet wird: 7Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. (Philipper 4,7)

Amen.

 

 

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.