Jesus erzählt Gleichnisse, wenn er den Menschen etwas über Gott und sein Reich sagen will. Hier erzählt er von einer Frau, die einen Silbergroschen verliert und ihn mit Mühe solange sucht, bis sie ihn findet. Ihre Freude darüber ist so groß, dass sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen herbeiruft, dass sie sich mit ihr mitfreuen.
Verlieren und Wiederfinden sind Themen, die sich durch unser Leben ziehen und die uns immer wieder existentiell angehen.
Die Fernsehserie Letzte Spur Berlin im ZDF dreht sich darum, dass ein Team von Ermittlern einen Menschen sucht, der mir nichts, dir nichts wie vom Erdboden verschwunden ist. Meistens entspinnt sich darum eine komplizierte Geschichte und der Zuschauer gewinnt einen tiefen Einblick in die menschliche Seele und atmet am Ende auf, wenn die vermisste Person wiedergefunden wird.
Menschen können sich auch selbst verlieren, sich so sehr verausgaben bis in den Burnout hinein, dass sie sich selbst nicht mehr kennen und andere sie auch nicht mehr wiedererkennen. Wie sehr wünschten sie sich, sich wiederzufinden und sie strengen sich dabei an und merken, dass der Wille nicht reicht – sie leiden unter ihrem eigenem Ausgebrannt-Sein, sind in ihrem Selbstwertgefühl völlig verunsichert, verlieren sich Stück für Stück, oft auch ihre Arbeit, Partner oder Partnerin.
Ist da jemand, der sie sucht, dass sie sich wiederfinden können? Wollen sie sich wieder finden lassen? Haben Sie Geduld nach der Suche nach sich selbst?
Und wenn ihnen das Geschenk widerfährt, dass sie sich wieder finden. Was ist das dann für eine Freude?
Auch jede Sucht ist ein Verlust seiner selbst. Die Sucht füllt nicht die Lücke, die Leere, die Angst. Das weiß der süchtige Mensch intuitiv und er weiß, dass er sein Leben zerstört und andere damit unglücklich macht, aber er kommt nicht davon los. Die Sucht ist sein einziger Halt, denkt der Süchtige. Diesem Irrglauben ist der Süchtige verfallen. Doch es gibt Wege aus der Sucht.
Und der Verlust der Selbständigkeit? Davor fürchten sich Menschen unserer Breitengrade am meisten. Der Verlust der körperlichen Selbständigkeit und der Verlust der geistigen Fähigkeiten greifen stark in unser Selbstbild ein. Wer bin ich dann noch? Gibt es dann überhaupt noch ein Sich-Wiederfinden?
Sicher in vielen Fällen kein Wiederfinden als sei nichts geschehen. Verlieren und Wiederfinden sind Prozesse. Nichts ist mehr wie vorher und wird wie vorher sein. Der Verlust bleibt immer ein Teil der eigenen Biografie, selbst da, wo der Mensch sich wieder findet, aber die Freude am Leben – und sei es nur ein Lächeln, das erwidert wird – ist wirklich Freude, und wie jede Freude, wie jedes Glück, wie jede Liebe ein Wieder-Gefunden-Werden – und das ist möglich bis zum letzten Atemzug.
Jesus spricht von Gott, als würde Gott und die ganze Welt Gottes unter dem Verlust der Menschen leiden, die er verloren hat. So sehr verloren hat, dass diese Menschen keine Beziehung mehr zu ihm haben. Das Geschöpf ist von seinem Schöpfer getrennt. Da ist eine Beziehungsunfähigkeit, die ein großer Verlust ist für die himmlische Welt. In der Bibel heißt dieser Verlust Sünde. Sünde ist die Entfremdung von Gott. Sünde ist in erster Linie ein relationaler Begriff. Der Sünder, die Sünderin hat keine Beziehung mehr zu Gott. Das ist die Sünde, nicht irgendein moralisches Fehlverhalten.
Jesus sagt, die Freude unter den Engeln ist groß, wenn ein Sünder sich wieder auf Gott ausrichtet, wenn ein Mensch wieder die Beziehung zu Gott lebt – dann ist es, als sei Gott selbst das Geschenk des Wiederfindens widerfahren.
Verlust kann schwer wiegen. Der Gottesverlust, sagt Jesus – so wie ich ihn verstehe – , ist der größte Verlust für den Menschen. Der Mensch lebt in Gottesferne, entfremdet von Gott und entfremdet von sich selbst und den Nächsten, weil jeder Mensch ein Ebenbild Gottes ist.
Wer die Dimension des Göttlichen, der göttlichen Liebe, in seinem Leben wieder entdeckt, wieder findet, den durchflutet eine Freude, die niemand nehmen kann.
Im Grunde genommen war die große Aufgabe des Gottessohnes Jesus den Menschen wieder neues Vertrauen zu Gott zu schenken. Dafür ist Jesus Mensch geworden, das hat ihn sein Leben gekostet, weil Jesus nicht anders konnte als von einem Gott der Liebe zu reden.
Gott hat mit der Auferweckung Jesu dafür gesorgt, dass der Verlust des Lebens aufgehoben wurde ins ewige Leben. Und im Glauben an Christus haben wir heute schon ewiges Leben in uns.
Es gibt ein Wiederfinden, jetzt schon und einmal in Ewigkeit. Und jedes Wiederfinden löst große Freude aus.
Predigt über „Von guten Mächten…“ von Dietrich Bonhoeffer.
Liebe Gemeinde,
Heute möchte ich das Gedicht „Von guten Mächten“ in den Mittelpunkt der Predigt stellen. Es ist inzwischen ein Kirchenlied geworden. Schon von der ersten Zeile an enthält es biblische Bezüge. Die Wortwahl lehnt sich an biblische Texte besonders an die der Psalmen an. Es ist anzunehmen, dass Bonhoeffer eine Lutherbibel benutzte. Mit einer alten Bibelkonkordanz versuchte ich, den biblischen Quellen dieses Liedes auf die Spur zu kommen. „Predigt am Buß- und Bettag – Von guten Mächten – , Christoph Fleischer, Werl 2007“ weiterlesen
Predigt über Lukas 15, 1-10, die Predigt wird gehalten in Lohne und Bad Sassendorf am dritten Sonntag nach Trinitatis.
1 Es nahten sich ihm aber alle Zöllner und Sünder, um ihn zu hören. 2 Und die Pharisäer und die Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen.
3 Er sagte aber zu ihnen dies Gleichnis und sprach: 4 Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, wenn er eines von ihnen verliert, nicht die neunundneunzig in der Wüste lässt und geht dem verlorenen nach, bis er’s findet? 5 Und wenn er’s gefunden hat, so legt er sich’s auf die Schultern voller Freude. 6 Und wenn er heimkommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn und spricht zu ihnen: Freut euch mit mir; denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war. 7 Ich sage euch: So wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.
8 Oder welche Frau, die zehn Silbergroschen hat und einen davon verliert, zündet nicht ein Licht an und kehrt das Haus und sucht mit Fleiß, bis sie ihn findet? 9 Und wenn sie ihn gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen und spricht: Freut euch mit mir; denn ich habe meinen Silbergroschen gefunden, den ich verloren hatte. 10 So, sage ich euch, ist Freude vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut.
Liebe Gemeinde,
Zunächst sollten wir die beiden Gleichnisse aufgreifen. Jesus sagt ja, dass das zentrale Motiv bei beiden Vorfällen zu vergleichen ist, der Suche nach dem verlorenen Schaf und der Suche nach dem verlorenen Silbergroschen.
Ich versuche mir die Situation, die das verlorene Schaf betrifft, einmal genauer bildlich vorzustellen.
Zwei Hirten am Ende eines langen Arbeitstages, nennen wir sie Joseph und Jakob:
Joseph: „Wir haben noch zwei Tage vor uns, dann sind wir wieder an unserem Hof angekommen. Ich hoffe, dass wir den Weg ohne Schwierigkeiten zurücklegen, denn der Viehhändler will kommen, um uns einen Teil der Herde abzukaufen.“
Jakob: „Ich will schnell noch einmal gehen, um die Herde durchzuzählen. Hoffentlich sind alle Tiere mitgekommen.“
Kommt nach einer Viertelstunde zurück: „Du, Joseph, ich glaube, dass das schwarze Lamm zurückgeblieben ist. Ich glaube, dass ich den Weg zurückgehen muss, um nach dem verlorenen Tier zu suchen.“
Joseph: „Das ist zwar schade, aber wenn wir das machen, verlieren wir wertvolle Zeit. Wir müssen morgen weitergehen. Auf das eine Schaf müssen wir verzichten. Bestimmt ist es ja von einem Wilderer oder einem wilden Tier gefangen worden.“
Jakob ärgerlich: „Nein, das sehe ich nicht ein. Wir wollen kein Tier zurücklassen und kein Tier aufgeben. Ich möchte doch zurückgehen und das verlorene Schaf suchen. Jedes Tier gehört zur Herde. Wir dürfen auch das eine Schaf nicht so schnell verloren geben. Wenn ich es heute Nacht nicht finde, dann müssen wir es verloren geben, aber vorher nicht.“
Jakob geht den Weg im Mondlicht zurück. Nach vier Stunden findet er das Schaf allein an einer einsamen Stelle in der Wüste, nimmt es auf die Schultern und kehrt zurück.
Jakob: „Hallo Freunde, schaut her, ich habe es wiedergefunden, das schwarze Lamm. Es stand an einer einsamen Stelle und hat wohl den Anschluss verpasst.“
Joseph: „Danke, dass du dich doch auf den Weg gemacht hast. Wir freuen uns doch alle, dass die Herde wieder vollständig ist.“ Und lasst uns dann weiterziehen.
Ich meine, dass aus dieser fiktiven Schilderung hervorgeht, dass die Suche nach dem verlorenen Schaf ein selbstverständlicher Teil des Hirtenberufs ist. Der Hirte ist ja ein Landwirt, der insgesamt für die Tiere seiner Herde verantwortlich ist. Vielleicht muss er Verluste riskieren, aber zugleich doch alles dafür tun, diese Verluste so gering wie möglich zu halten.
Der Hirte ist ein Bild des Königs. „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ Das ist zwar nicht der einzige Psalm Davids, aber doch einer der wichtigsten. David ist der typische König, der sich für das Volk einsetzt. Er ist der gute Hirte, so wie Gott für ihn der gute Hirte ist.
Die Anfangsfrage des Gleichnisses zeigt doch, dass es einfach dazugehört, das verlorene Tier zu suchen, und auf die Schultern zu nehmen, wenn er es findet. Der Hirte, der ein Schaf auf der Schulter trägt, das ist der gute Hirte, der ein verlorenes Schaf gesucht und zur Herde zurückgebracht hat.
Das Gleichnis zeigt Jesu politische Verkündigung. Er kritisiert die gegenwärtigen Machthaber als schlechte Hirten, weil sie die Menschen aufgeben, die auf der Strecke bleiben. In der Erzählung des Lukas werden aus diesen verlorenen Menschen die ehemaligen Sünder, bei denen Jesu zu Gast ist und die zur Gemeinde gehören.
Interessant finde ich, dass das zweite Gleichnis bewusst von einer Frau handelt. Der Inhalt ist ja nicht viel anders als beim ersten. Aber der Akzent der Suche eines Silberstücks im Haus soll wohl bewusst einen anderen Teil der Zuhörerschaft ansprechen. Das, was beiden Gleichnissen gemeinsam ist, ist die Aussage, dass der Fund Freude auslöst. Um dieser Freude willen lohnt sich die Suche nach dem verlorenen Schaf und die Suche nach dem Silberstück.
Einen Hinweis habe ich bei Dietrich Bonhoeffer gefunden, den ich aus einer Andacht zitieren möchte. Bonhoeffers Andacht handelt ausschließlich von einem einzigen Wort: Freude.
„Gottes Wort schafft Freude in dem, der es aufnimmt. Es ist die Freude über die wiedergeschenkte Gemeinschaft mit Gott. Es ist die Freude über die Erlösung aus Furcht und Sünde. Es ist die Freude des Verirrten, der nach langer Nacht den rechten Weg wiedergefunden hat. Gott bereitet dem Menschen festliche Freude. Er ist selbst der Ursprung aller Freude, ja, Gott selbst kennt die Freude. […] An dieser Freude Gottes an der Erlösung und dem Glauben seines Volkes teilzunehmen sind wir geladen. Gottes Wort selbst ist voll dieser Freude Gottes, die bei uns anbrechen soll. Über die Fleischwerdung des Wortes Gottes in Jesus Christus steht die große Freudenverkündigung. […] Wo das Wort Gottes ist, da ist Freude. […] Vollkommene Freude ist das Geschenk des Wortes Gottes an seine Hörer. Gott will Freude. […] Gottes Wort ist der Ursprung aller Freude, und die Wege seiner Zeugnisse sind solcher Freude voll. Denn es sind die Wege, die Gott selbst gegangen ist und mit uns geht. Wo aber Gott mit uns ist, da ist Freude und diese Freude wird niemand von uns nehmen.“
(Dietrich Bonhoeffer, Predigten, Auslegungen, Meditationen, hrsg. Von Otto Dudzus, Chr. Kaiser Verlag München 1985, S. 423/424, Meditationen über Psalm 119, Fragment, 1939/1940).
Jesu Verkündigung zielt also bewusst auf die Freude Gottes. Diese steht aber wohl im Gegensatz zum Verhalten der schlechten Hirten, die sich um das Verlorene nicht zu kümmern scheinen. Die Frage der Zöllner und Sünder, die den Pharisäern und Schriftgelehrten in den Mund gelegt wird, ist die Frage danach, wozu Jesus die Gemeinschaft dieser Menschen sucht, die aus der Gemeinschaft ausgeschlossen sind.
Es ist aber meines Erachtens keine schlichte Gnadenpredigt, sondern eine Aussage, die die Gnade Gottes in Beziehung setzt zu der Kritik derer, die Jesu Vollmacht nicht anerkennen wollen. Jesu Vollmacht besteht darin, im Namen Gottes Menschen zu heilen und ihnen die Sünden zu vergeben. Jesus will diese Menschen in die Gemeinschaft mit Gott zurückholen. Ja, er geht sogar noch weiter, denn er will, dass wir jeden Menschen als ein Kind Gottes ansehen.
In den Beispielen der Bibel stellt sich Jesus als der von gesandte Retter dar. Die Frage der Schriftgelehrten wird gelautet haben: Woran erkennen wir den Messias? Diese Frage wird von Jesus gestellt und zugleich beantwortet. Der Messias ist der gute Hirte, der Hirte, der die Freude Gottes verkündigt. Alle Menschen sind eingeladen, sich dem Bund Gottes anzuschließen. Jesus ist dagegen, die Gesetze so zu verschärfen, dass sie Menschen ausschließen. Jesus legt die Thora so aus, dass sie zum Leben hilft und kein Instrument der Ausgrenzung ist. Jesus scheut die Verbindung zu den Zeloten nicht, die die Fremdherrschaft bekämpfen, aber er plädiert dafür, die Verwirklichung des Reiches und des Friedens Gott selbst zu überlassen. Seine Macht liegt allein in seinem Wort. In ihm ist das Wort Gottes Mensch geworden.
Jesus nennt sich selbst ein Kind Gottes, um allen zu zeigen, dass sie ebenfalls Kinder Gottes sind. Er ist der Christus, der Gesalbte, um allen zu zeigen, dass sie in seinem Sinn als Gesalbte und von Gott gewollte Söhne und Töchter leben können. Er verheißt nicht die Verwirklichung der Macht, sondern das Wirken des Geistes. Gott ist die Liebe und damit ist Gott das Zeichen der Freude!
Ich wiederhole noch einmal den Roten Faden des Textes:
Was steckt hinter dem Vorwurf, der den Schriftgelehrten und Pharisäern in den Mund gelegt wird. Ich meine, dass man aus dem Satz den Auftrag Jesu entnehmen kann, hier in der Gestalt des Vorwurfs: „Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen.“ Jesus zeigt die Annahme der Sünder, weil er damit seinen eigenen Auftrag verbindet. Damit geht es weniger um die früher immer so beschworene Gesetzlichkeit, sondern um die Mitte der Botschaft Jesu, um seinen eigenen Auftrag.
Als Mensch ist Jesus der Sohn Gottes. Der Sohn Gottes ist im Alten Testament der rechtmäßige König in der Nachfolge Davids. Wenn Jesus sich selbst Sohn Davids nennt, bekräftigt er seinen Anspruch.
Jesus ist aber auch zugleich der Menschensohn, der bei Gott lebt, der vom Himmel gekommen und zu Gott zurückgekehrt ist. Alle Worte der Bibel sind immer auch Verkündigung des Auferstandenen, der zu Gott zurückgekehrt ist. Der Menschensohn ist also kein Mensch, sondern Gott selbst, ein Teil von Gott und eine göttliche Person.
Die Rückkehr der Sünder und die Freude im Himmel gehören zusammen. Die von Jesus beschriebene Sündenpredigt ist kein Mittel der Disziplinierung, sondern eine Verkündigung der christlichen Freiheit. Der Begriff Sünde kann und darf nicht gegen die Zusage der Freude Gottes ausgespielt werden. Wie bei dem verlorenen Groschen ist es die Freude vor den Engeln Gottes.
Die Kirche, die Gottes Wort im Namen Jesu verkündigt, ist dazu da, die Freude Gottes zu den Menschen zu bringen. Sie macht sich eher auf die Suche nach den Verlorenen als nach der Effektivität und dem Profit zu fragen. Sie ist nicht dazu da, den Menschen einen Handel anzubieten, durch den sie mit Gott ins Reine kommen, sondern zu verkündigen, dass Gottes Gnade umsonst ist, nicht von bezahlbaren oder praktizierbaren Bedingungen abhängig. Die völlig grundlose Freude Gottes, die Jesus bis zum Kreuzestod verkörpert, wird hier gepredigt und von Jesus auf die Urgemeinde übertragen. Kirche ist dazu da, den Menschen den Weg zu Gott ermöglichen und nicht dazu da, ihn zu versperren.
Die Buße, die Rückkehr zu Gott ist jederzeit möglich. Gott selbst sucht die verlorenen Schafe, in dem er Jesus, den guten Hirten schickt, der in der Gemeinschaft mit Zöllnern und Sündern Gottes Nähe und Barmherzigkeit verkündigt.
Und daraus wird deutlich, dass Jesus, wenn er im Wort gegenwärtig ist, auch die Freude Gottes in den Alltag hineinbringt. Jesus bringt keine Hinterwelt und keine Gegenwelt, sondern will diese Welt in der wir leben verändern. Er lässt sich von keinen Tabus und Vorurteilen davon abhalten, die Freude Gottes allen Menschen zusagen zu lassen. Daher steht die Kirche immer an der Schwelle zur Gesellschaft. Sie ist keine politische Partei, aber sie lädt dazu ein, sich einzumischen und sich für Frieden und Gerechtigkeit einzusetzen. Im Sinne unseres Textes ist es wohl doch eher der Einsatz für das Verlorene und die Verlorenen in der Welt, der zum Auftrag der Kirche gehört. Gemeint sind aber immer alle. Gemeint ist das Reich Gottes als Einladung für alle.
Zu: Cay Rademacher: Jesus und seine Welt, Eine historische Spurensuche, Ellert & Richter Verlag, Hamburg 2013, Paperback, 159 Seiten, zwei Karten, Orts- und Personenregister, ISBN: 978-3-8319-0513-3, Preis: 9,95 Euro
Ein kurzer Artikel im Heft G-Geschichte 1/2017 – laut Titelbild der Geschichte des frühen Christentums gewidmet – ist überschrieben: „Freitag in Jerusalem, Tod eines Unruhestifters“. Das Magazin weist am Schluss im Literaturtipp auf das Buch von Cay Rademacher hin. Dem Urteil, dass die dort zusammengetragenen Fakten nach wie vor aktuell sind, schließe ich mich an.
Philipper 4,4–7 (wird gehalten in Günne und Meiningsen)
4Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! 5EureGüte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe!6Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!7Und derFriede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Liebe Gemeinde!
„Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich Freuet euch!“ Das ist eine interessante Aufforderung zur Freude. Wo Freude sich von selbst versteht, müsste man sie nicht so eindringlich fordern und mit „und abermals sage ich“ unterstreichen. Freude kann man nicht befehlen. Paulus geht hier bis an die Grenze. Er spricht zu einer Gemeinde, die den Weg zur Freude nicht sofort gefunden hat. Doch er zeigt: die Freude ist da, wir können sie ergreifen. Sie kann Trauer überwinden oder einfach respektieren.
Dieser Hintergrund des Textes hat mich motiviert, persönlich über die Freude zum Weihnachtsfest nachzudenken, und danach zu fragen, wie ich es in der Familie erlebt habe.
Ich gehe in Gedanken in die Kindheit zurück. Geboren bin ich 1955. Im Jahr 1961 wurde durch den Mauerbau die innerdeutsche Grenze geschlossen. Von da an waren Besuche aus der DDR bei uns kaum noch möglich. Die Reisen dorthin mussten kompliziert und frühzeitig beantragt werden. Meine Mutter galt als Republikflüchtling und konnte zuerst nicht reisen.
Weihnachten war das traurigste Fest des Jahres, denn es gehörte dem Erzgebirge, der Heimat meiner Mutter, auch das Weihnachtsland genannt. Besuche gab es natürlich nicht. Telefonieren konnten wir auch nicht. Die Angehörigen drüben waren in Gedanken dabei, und in ihren Briefen und Päckchen. Aber das war ja nur ein schwacher Trost. „Predigt über Philipper 4, 4-7 zum 4. Advent, Christoph Fleischer, Welver 2015“ weiterlesen
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