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Okko Herlyn: Das Vaterunser, Verstehen, was wir beten, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2017, gebunden, 149 Seiten, ISBN: 978-3-7615-6446-2 (print), Preis: 14,99 Euro
Das Buch ist in zweifacher Hinsicht praxisorientiert. Die Reflexionen von Okko Herlyn, Professor an der Evangelischen FH in Bochum und im Nebenberuf Kirchenkabarettist sind in praktischer Gemeindearbeit erprobt und auf den Lebensvollzug als Christ oder Christin bezogen. Der etwas steile exegetische Anfang hätte auch besser ans Ende gehört. Immerhin habe ich daraus erfahren, dass sich Okko Herlyn genauso in reformierter Tradition auskennt wie in eher lutherisch oder uniert geprägter, so wir es eben im Rheinland oder Westfalen vorfinden.
Wichtig finde ich die Schwerpunktsetzung, die man schon am Inhaltsverzeichnis sehen kann: Die einzelnen Bitten oder Begriffe des Vaterunsers werden nicht in eine lebensferne Glaubenswelt übertragen, sondern in einzelne Aspekte des Lebensvollzugs. So gesehen ist das Vaterunser eine Anleitung zum Leben im Alltag: In der Heiligung des Gottesnamens geht es um die „Wiederentdeckung der Ehrfurcht“. Die Erwartung des Reiches Gottes meinte die „Sehnsucht nach einer anderen Welt“. Die Frage nach dem Willen Gottes führt zum Begriff der „Verantwortung“ als des Lebensprinzips. Das tägliche Brot ist ein Symbol für die Ebene der Politik. Die Schuldfrage weist auf die psychologische Ebene des Alltags. Nur die letzten beiden Bitten sind im strengeren Sinn religiös gedacht. Die Schlussformel hingegen zielt trotz steiler theologischer Sprache eher auf die Frage nach dem Sinn des Lebens, als auf Religion.
An der Grundfrage nach der Bedeutung des Himmels lässt sich vielleicht am besten zeigen, welche Art von Religion Okko Herlyn meint: „Wir leben in einer gefallenen und gebrochenen Welt. Hin- und hergerissen zwischen Geborgenheit und Ausgeliefertsein, Zuversicht und Bangen, Liebe und Gewalt. Doch für den Glauben ist das nicht die ganze Wahrheit. Es gibt für ihn auch die Gewissheit – vielleicht gegen allen Augenschein – dass jene Spannung einmal aufgehoben wird.“ (S. 44)
Das Buch ist zu empfehlen, aber man sollte nicht damit rechnen, dass es um pure Erbaulichkeit geht. In Orientierung an der biblischen Botschaft, unterfüttert durch Beispiele aus der Theologie führt der Weg zu einem Glauben, der sich im Lebensvollzug verwirklicht.