Zu: Jana C. Glaese: Kann Schlachten human sein? In: Philosophie Magazin, Juni/Juli 2019, Philomagazin Verlag, Berlin, Seite 22 – 29, D: 6,90 Euro
Als ich in diesem Tagen in Soest am Kulturzentrum Alter Schlachthof vorbeiging, musste ich erneut an den Artikel von Jana C. Glaese (Soziologin, geb. 1988, promoviert z. Zt. an der New York University, USA) denken. Sie berichtet vom Besuch eines Schlachthofs in Springfield (Vermont, USA), in dem „respektvoll“ und in kleinen Stückzahlen geschlachtet wird.
Der gesamte Betrieb ist offen für Besuchergruppen, denn: „Wer nichts zu verbergen hat, kann auch nichts Falsches tun“ (im Text mit Fragezeichen). Abgesehen davon, dass auch hier Tiere getötet werden, doch eben nicht in Form einer Massenschlachtung, die nun mal eben dort und bei uns zur Massenviehhaltung und Vermarktung gehört, schlicht Fleischproduktion genannt.
Als ich in Soest den Alten Schlachthof sah, der zumindest äußerlich noch recht originalgetreu wirkt mit den Gebäudeteilen und einem hohen Kamin, dachte ich eben, dass auch dieser im Verhältnis eher kleine Schlachthof schon von der Größe her keine Massenproduktion zuließ, dass es also vor 50 und mehr Jahren noch völlig normal war, was hier als ökologisches Vorbild dargestellt wird.
Doch darum geht es im Text ja gar nicht. Es geht um Ethik.
Ein Freund entschied sich, nachdem er vor einigen Jahren einen Film über eine Massenschlachtung gesehen hat, nunmehr Vegetarier zu werden, Fisch und Käse ausgenommen. Einige Zeit später kehrte er zum Fleisch zurück, nahm aber nur zertifiziertes und von artgerechter Tierhaltung, als ob das „Humane Töten“ wirklich qualitativ anders sei, als das in der Fleischverarbeitung auf Massenbasis.
Diese Frage stellt jedenfalls Jana C. Glaese und präsentiert dazu eine ausführliche Recherche. Demnach soll humanes Schlachten besser für die Fleischqualität sein, da die Tiere keine Angsthormone entwickeln.
Der Artikel wechselt zwischen der Anschauung des fleischverarbeitenden Betriebes und der philosophischen Reflexion. Der ehemalige australische Philosoph Peter Singer (72), der jetzt in Princeton lehrt und lebt wird dazu von ihr interviewt. Er hat schon in den Siebzigern den Anstoß zur Entwicklung einer Tierethik in der modernen Gesellschaft gegeben.
Singer geht davon aus, dass Tiere etwas fühlen und daher unter bestimmten Schlachtmethoden leiden würden. Seiner Meinung nach würde die Leidvermeidung auch die Frage der Tötung im Schlachthof anders darstellen.
Dagegen spricht die deutsche Philosophin und Autorin Hilal Szegin, die von Jana C. Glaese zitiert wird. Sie ist Vertreterin der Tierrechte: „Eine Tötung von jemandem, der leben will“ kann nicht richtig sein.
Und so klopft die Autorin einzelne Positionen ab und stellt sie in den Kontext der Besichtigung eines „humanen“ Schlachthofs. Doch der Diskurs will zum Ende hin nicht recht glücken. Ausführlich und detailliert kommen immer wieder neue Positionen zur Sprache, auch eher traditionelle, wie die folgende.
So werden die Tiere in der landwirtschaftlichen Nutzung zum Zweck der endlichen Schlachtung ins Leben gerufen. „Kein Schwein hat die Möglichkeit, sich gegen seine eigene Zucht zu entscheiden.“
Und: Die Massentierhaltung kann in einigen Aspekt sogar „humaner“ sein, d. h. leidreduzierter als die ökologische Schlachtung, denn während hier Tiere bei Bewusstsein sterben, werden sie dort völlig ungiftig durch CO2 betäubt.
Die Reportage über die Schlachtung zeigt einen wirklich gründlichen Artikel, der mit Fragen endet, aber hohe Aufmerksamkeit für ein Problem erzeugt, mit dem jeder und jede jeden Tag konfrontiert wird.
Doch letztlich stört mich hier die Engführung auf individuelle Ethik, die eigentlich nur die Frage im Blick hat, ob Menschen Fleisch essen dürfen, das entweder durch Massentötung oder durch humane Schlachtung erzeugt worden ist. Massentierhaltung erzeugt nicht nur ethische Fragen, sondern auch politische. Sie ist klimaschädlich, zerstört die Natur mit einem Übermaß an Gülle und trägt im Futtermittelimport aus Entwicklungsländern zur Verknappung der Wasservorräte und zur Zerstörung der Regenwälder bei.
Vielleicht ist es individuell gesehen sogar die richtige Wahl, Fleisch bewusster einzukaufen und den Fleischkonsum gezielt zu reduzieren. War nicht in früheren Zeiten auch nicht an jedem Tag Fleisch auf dem Teller?
Vielleicht kommt hier auch wieder die Religion ins Spiel. Die Schlachtung von Tieren war in der Antike nur kultisch möglich. Der Tod des geschlachteten Tieres ist ein Opfer, das auch entsprechend zelebriert wurde. Das Tier gibt sein Leben für uns hin. Wäre es also auch nicht eine Frage der Philosophie, welches Verhalten zu mehr Dankbarkeit und Respekt gegenüber der Schöpfung führt?
Dieser Artikel von Jana C. Glaese kombiniert in guter Weise Kontext und Theorie und lädt zu weiterer Diskussion des Themas der „humanen“ Fleischproduktion ein.