Facharbeit, Sankt Leonhard Gymnasium, Aachen 2020 Kurs: Grundkurs Religion
Inhaltsverzeichnis
Einleitung und Begriffseingrenzung der Resilienz
Resilienz aus entwicklungspsychologischer Perspektive
Risikofaktoren
Schutzfaktoren
normative und nichtnormative Krise
Verbindung zwischen Resilienzdiskurs und Kirche
Vulnerabilität als Kernthema der Kirche
Verbindung zwischen Vulnerabilität und Resilienz
Krisenbewältigung als Thema der Bibel
Seelsorge
Haus der Stille
Kirchliche Arbeit- Grundvollzüge der Kirche
Diakonia
Martyria
Liturgia (oder Leiturgia)
Glaube und kirchliche Gemeinschaft als Schutzfaktor
Kritik an kirchlichen Resilienz-Workshops und der Begriffsdarstellung
Fazit
Vorwort
Resilienzforschung gewann innerhalb der letzten Jahre zunehmend an Popularität und ist nun auch in der Gesellschaft als Thema präsent. Es wird angestrebt eine möglichst hohe Resilienz zu erreichen und aufgrund dessen wird der Begriff ebenso zu einem Instrument der Vermarktungswirtschaft.
Zu der stark präsenten Resilienzthematik hat auch die Kirche Aspekte einzubringen. Im Rahmen dieser Facharbeit gilt es daher zu untersuchen, inwieweit Resilienz eine Aufgabe kirchlicher Arbeit ist und welcher Beitrag kirchlicher Arbeit zum Resilienzdiskurs geleistet wird. In diesem Zusammenhang wird kurz der aktuelle Entwicklungsstand der Resilienz dargelegt. Die gesamte historische Entwicklung des Forschungsdiskurses steht hierbei nicht im Vordergrund. Primär werde ich mich mit der heutigen Perspektive kritisch auseinandersetzen, um kirchliche Arbeit optimal auf die Thematik anwenden zu können und die Relevanz kirchlicher Arbeit für die aktuelle Forschung herauszustellen.
Zu Beginn soll dazu Resilienz als gesondertes Phänomen betrachtet werden. Die Betrachtung der entwicklungspsychologischen Perspektive erfolgt daraufhin, um die weiteren Gedankengänge der Arbeit in die Thematik einordnen zu können. Daraufhin lege ich die Verbindung zwischen Resilienz und Kirche dar, um grundsätzlich aufzuzeigen, weshalb sich Kirche zwangsläufig mit Resilienz beschäftigen muss. Ich beleuchte zudem die Grundvollzüge der Kirche, woraufhin die Darlegung verschiedener Beispiele kirchlicher Arbeit mit Bezug auf Resilienz erfolgt. Neue Impulse werden hierbei hervorgehoben. Zuletzt äußere ich Kritik bezüglich der unkritischen Verwendung des Terminus unter anderem in Bezug auf kirchliche Workshops.
Schließlich verfasse ich am Ende meiner Arbeit ein Fazit, das den Beitrag der kirchlichen Arbeit zum Resilienzdiskurs zusammenfasst. Hierbei stelle ich die allgemeine gesellschaftliche Bedeutung der Impulse heraus. Außerdem führe ich die Risiken, die dauerhaft beachtet werden müssen, auf.
Einleitung und Begriffseingrenzung der Resilienz
Die Arbeitsdefinition einer interdisziplinären Resilienz-Forschungsgruppe am IFZ (Internationales Forschungszentrum Salzburg) bezeichnet die Resilienz als „Fähigkeit Krisen erfolgreich zu bewältigen“ ([1] S.24, FN 41). Durch die Weite „innerhalb einer wissenschaftlichen Perspektive“ ([1] S.23) und zunehmende Instrumentalisierung durch die Vermarktungswirtschaft ist eine klare und eindeutige Definition jedoch schwierig. So ist nicht nur in Bezug auf Menschen von Resilienz die Rede, es wird auch zunehmend von resilienten Gesellschaften, Ökosystemen, Infrastruktur, Demokratie usw. gesprochen.
„Eine eingehende Beschäftigung mit Resilienz in theoretischer und praktischer Weise kann für den mitteleuropäischen Raum insbesondere seit dem Beginn des 21. Jahrhundert konstatiert werden“ ([1] S.21). Die zunehmende Relevanz der Resilienzforschung lässt sich unter anderem durch den Anstieg der Anzahl wissenschaftlicher Artikel zum Thema Resilienz feststellen (1983 unter zehn, 2013 knapp 1000) ([1] S.23). Dabei untersuchen „mehrere wissenschaftliche Disziplinen das Phänomen“ ([1] S.22/23).
Im Zuge der voranschreitenden Forschung innerhalb dieses Bereichs der wissenschaftlichen Disziplin der Psychologie „werden zurzeit zahlreiche Bücher und Schulungen zur Krisenbewältigung angeboten“ ([2]). Eine Google-Suche am 05.02.2020 ergibt mit den Suchwörtern „+Resilienz +Kurs“ 265.000 Einträge. Die Anzahl der Bücher, die amazon.de mit dem Suchbegriff „Resilienz“ filtert, beträgt zum selben Suchdatum 1650. Dr. Karin und Prof. Dr. Klaus E. Grossmann betonen, dass Resilienz selbst „in der Psychologie ein inzwischen inflationär verwendeter, künstlicher Begriff“ ist (Fingerle 2007, 299; [1] S.21 FN 15).
Die deutsche Wortherkunft lässt sich auf das lateinische Wort resilire (deutsch: zurückspringen, abprallen) zurückführen. Das englische Wort resilient bezeichnet üblicherweise eine „psychologisch relevante Eigenschaft“ ([1] S.45). Auch im deutschen ist die Auslegung von „Resilienz als Persönlichkeitsmerkmal“ ([1] S.25) möglich, wobei „Förder- und Erlernbarkeit von Aspekten, welche Resilienz begünstigen“ ([1] S.25) weiterhin bestehen.
Der psychologische Forschungsdiskurs bezieht sich bei der Auslegung der Resilienz auf menschliche Individuen. Im Rahmen dieser Arbeit steht die Perspektive der Psychologie und der kirchlichen Handlungsfelder im Zentrum der Betrachtungen. Dem psychologischen Forschungsdiskurs zugeordnet ist die leitende Fragestellung „welche Voraussetzungen eigentlich dazu beitragen, dass einige Menschen sich von Schicksalsschlägen schneller erholen als andere und wie Menschen möglicherweise lernen könnten, kommende Krisen zu überstehen“, so Prof. Dr. Cornelia Richter im ekir.de-Interview [2].
Resilienz aus entwicklungspsychologischer Perspektive
Der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit liegt auf der personalen Resilienz von Einzelindividuen. Zur Identifizierung von Resilienz muss grundsätzlich ein „objektiv feststellbarer Einfluss, der auf das Individuum einwirkt und zumindest von diesem als belastend wahrgenommen wird“, vorhanden sein ([1] S.45/46). Dies wird dargestellt durch einen „prinzipiellen Kausalzusammenhang“, der das Verhältnis einer Auffälligkeit und eines „kausalen Risikofaktors“ beschreibt ([1] S.46).
Risikofaktoren
Risikofaktoren sind allgemein als Variablen „die die Wahrscheinlichkeit eines negativen Outcomes erhöhen“ zu verstehen ([1] S.49). Sie sind aus unterschiedlichen Aspekten (z.B. Wirkung) heraus differenzierbar, wobei sie in der Regel nach ihrem Ursprung unterschieden und eingeordnet werden. Kategorisiert wird in internale, proximale und distale Bedingungen, wobei proximale und distale nicht wie internale intrinsische, sondern externale Bedingungen sind. Biologische und psychologische Risikofaktoren werden den internalen Bedingungen zugeordnet, wohingegen proximale Bedingungen sich auf Beziehungsqualitäten und Bezugspersonen beziehen und distale Grundlagen sozioökonomische und soziokulturelle Risikofaktoren darstellen ([1] S.50).
Genannte Faktoren stellen „Indikatoren für weitaus komplexere Prozesse und Mechanismen, die die individuelle Anpassung beeinflussen“ ([4]) dar, haben daher keinen direkten Wirkungszusammenhang und prägen „den Lebensvollzug des Menschen“ ([1] S.51) kurz-, mittel und langfristig.
Schutzfaktoren
Dem gegenüberstehend sind Schutzfaktoren, die als protektive Faktoren einem Risiko entgegenwirken und als „günstige Einflüsse“ ([1] S.52) eine daraus mögliche resultierende Festigung einer Störung „verzögern, abmildern oder verhindern können“ ([1] S.52). Daher ist die Betrachtung nur in Verbindung mit Risiko sinnvoll. Zeitlich ist die Ausbildung der internalen, proximalen und distalen Schutzfaktoren vor der „Einwirkung des Risikofaktors“ ([1] S.52) notwendig, da ein bewusster Rückgriff auf diese vollzogen werden muss, um die „Bewältigung der Herausforderung“ ([1] S.53) zu bewerkstelligen. Internale Bedingungen haben denselben Bezugspunkt wie bei den Risikofaktoren, doch in diesem Kontext wird zusätzlich bei den personalen Kompetenzen nach dem Entstehungszeitpunkt unterschieden, da dieser auch während des Bewältigungsprozesses zu verorten sein kann ([1] S.53). Bei proximalen Bedingungen ist hier außerdem zu berücksichtigen, dass „supportive soziale Umwelten als Puffer gegen negative pathologische familiäre Einflüsse wirken“ (5]. Für distale Bedingungen sind keine weiteren Aspekte hinzuzufügen und es kann auf die Ausführung im Kontext der Risikofaktoren verwiesen werden.
Ebenso sind Faktoren miteinzubeziehen, „die nicht primär auf Funktion und nachvollziehbare Optimierung abzielen“ ([1] S.54), jedoch als Teilaspekte von Transzendenz einflussreich sind. An dieser Stelle sind persönliche Reifungsprozesse und Seiten psychischer Veränderung gemeint ([1] S.54). (UNFERTI Krisenbegriff)
Verbindung zwischen Resilienzdiskurs und Kirche
Vulnerabilität als Kernthema der Kirche
„Parallel zur Resilienz hat sich „Vulnerabilität“ in den letzten Jahrzehnten zu einem neuen Schlüsselbegriff entwickelt“ ([6] S.224). Spektrum.de formuliert eine psychologische Definition, die Vulnerabilität als „genetisch oder/und biographisch erworbene Verletzlichkeit“ bezeichnet [7]. Wie auch der Resilienzdiskurs ist der Vulnerabilitätsdiskurs Teil mehrerer unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen. Innerhalb dieses „innovativen Forschungsfelds“ ([6] S.224) können christlich-theologische Perspektiven „zu deren Kernthemen Wunden gehören“ ([6] S.224), eingebracht werden. Trotzdem ist es die Theologie selbst „die gerade erst beginnt, diese innovative Forschung wahrzunehmen“ ([6] S.225). Eine Teilnahme der Theologie an den von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekten, die als Teil des „interdisziplinären Vulnerabilitätsdiskurs“ den Begriff „Vulnerabilität in Titel, Projektbeschreibung oder Projektergebnis haben“ [8], bleibt trotzdem bislang aus. Bei Förderbeginn lag die Anzahl entsprechender Projekte bei zwei, wohingegen im Jahr 2015 20 solcher Projekte unterstützt wurden [8]. Durch die zunehmende Behandlung des Themas in der Forschung und die aktuelle politische Relevanz, die durch Themen wie Armut, Flucht und Krieg entsteht, wird die Einbindung der christlich-theologischen Perspektive umso dringender, da neue und zentrale Impulse aus dieser hervorgehen ([6] S.225). „Der resilienzfördernde Umgang mit Wunden und Verwundbarkeiten“ zählt zu den „Kernkompetenzen der Theologie“ ([6] S.225), wodurch die Betrachtung der Perspektiven bedeutend wird.
Von besonderer Wichtigkeit ist in diesem Kontext der Begriff Inkarnation (Lehre von der Menschwerdung Gottes), der in der christlichen Theologie zu verorten ist. Gott macht sich „aus freien Stücken“ verletzlich, indem er in Jesus Christus Mensch wird [8]. Biblische Figuren wie Maria und Josef, Paulus und Maria Magdalena gingen ebenso das Risiko der Verwundbarkeit ein. Dieser Ansatz widerspricht jedoch der Sichtweise des aktuellen Vulnerabilitätsdiskurs, da nach dieser jegliche Formen von Verwundbarkeit vermieden werden sollten. Die Inkarnation betont daher einen bisher kaum beachteten Aspekt, der herausstellt, dass „die eigene Verwundbarkeit zu riskieren, für ein humanes Zusammenleben notwendig ist“ [8].
Selbstschutz und damit verbundene Sicherungsmaßnahmen erfüllen häufig das Gegenteil ihrer Intention, indem sie neue Gewalt erzeugen, aus der ein Anstieg der Verwundbarkeit resultiert. Andererseits besteht keine Möglichkeit vollständig über den Aspekt der Sicherheit hinwegzusehen. Das Christentum schafft an dieser Stelle einen dritten Aspekt im „Spannungsfeld von Verwundbarkeit und Sicherheit“ [8]. Dieser wird als „Andersmacht“ bezeichnet, „die dort entsteht, wo Menschen ihre eigene Verwundbarkeit riskieren, um das Leben Anderer zu schützen und zu fördern“ [8].
Dies geht über den kirchlichen Kontext hinaus und ist „im Leben aller, die den Gewaltspiralen der Verwundbarkeit widerstehen und Hingabe wagen“ [8] von hoher Bedeutung. Das „Wagnis eigener Verwundbarkeit“ [8] hat allgemein Humanität zum Ziel und intendiert eine Stärkung von Gemeinschaften und Menschen. Daher gilt es über die Notwendigkeit des Wagnisses hinsichtlich der Humanität abzuwägen [8]. Der Ansatzpunkt bezieht sich unter anderem auf eine gesellschaftliche, politische und personale Dimension, wodurch die Weite der Anwendbarkeit innerhalb des Vulnerabilitätsdiskurses demonstriert wird ([6] S.226).
Anhand der Inkarnation wird deutlich, dass die christliche Perspektive neue gesellschaftlich relevante Seiten des Vulnerabilitätsdiskurses beleuchtet. Somit kann die Kirche in diesem Themenbereich eine signifikante Rolle einnehmen, die von aktueller Relevanz geprägt ist.
Verbindung zwischen Vulnerabilität und Resilienz
„Vulnerabilität ist für die Resilienzforschung eine entscheidende Kategorie, denn nur wo es Wunden und Verwundbarkeiten gibt, braucht es überhaupt Resilienz“ ([6] S.225). Insofern entsteht eine Abhängigkeit der parallel entwickelten Forschungsdiskurse, wobei beide Themenbereiche auch weiterhin separat betrachtet werden. Das Begriffspaar „Vulnerabilität und Resilienz“ hat sich „in Medizin und Psychologie zu einem gängigen Begriffspaar entwickelt“ ([6] S.225) und auch in anderen Forschungssektoren wie der Sozialraum- und Sicherheitsforschung wird die Nutzung zunehmend üblicher, da für die Erkennung und Steigerung von Resilienz die Untersuchung von „konkreten Verwundbarkeiten“ ([6] S.225) grundlegend ist.
Die Art des Umgangs mit Verwundung ist „in weitem Sinn gefasst (…) eine Frage der Resilienz“ ([6] S.225). Somit ergibt sich eine Überschneidung der beiden Diskurse. Darüber hinaus werden in beiden Bereichen Zukunftsperspektiven behandelt, die sich auf das „gegenwärtige Handlungspotential“ ([6] S.227) auswirken. Mögliche zukünftige Verwundungen werden erforscht, woraufhin „Maßnahmen zum Schutz, zur Sicherung und Resilienzförderung“ ([6] S.227) getroffen werden. In diesem Zusammenhang zeigt sich wie die beiden Diskurse ineinandergreifen und innerhalb einer Kategorie gemeinsam angewendet werden. „Angst vor erneuter Verwundung“ ([6] S.227) ist hier wesentlich aufgrund der damit verbundenen Zukunftsaussicht.
Wie bereits in Kapitel 3.1 ausgeführt gehören Wunden und Verletzlichkeit zu den Kernthemen der Theologie. Dies bedeutet, dass eine Auseinandersetzung der Kirche mit Resilienz zwangsläufig stattfinden muss, infolge der Verbindung zwischen Vulnerabilität und Resilienz. In Anbetracht dessen ergibt sich, dass Resilienz als Aufgabe kirchlicher Arbeit, die im Rahmen der folgenden Kapitel spezifischer ausgeführt wird, zu behandeln ist. Durch die Verbindung erhält die Kirche gleichzeitig die Chance, über den Vulnerabilitätsdiskurs hinaus innerhalb des Resilienzdiskurses eine mitwirkende Rolle einzunehmen.
Krisenbewältigung als Thema der Bibel
Zwar ist Resilienz als quellensprachlicher Begriff in der Bibel nicht vertreten, jedoch ist die Überwältigung von Krisen ein häufig aufgegriffenes Thema. Mit Rückbezug auf die in Kapitel 1 aufgegriffene Arbeitsdefinition: „Resilienz als Fähigkeit Krisen erfolgreich zu bewältigen“ wird deutlich, dass die Darstellung der Bibel von Krisenbewältigung sinngemäß einen resilienten Umgang mit Krisen zeigt.
Unter anderem beinhaltet das Markusevangelium Narrationen, die den Umgang mit widrigen Umständen darstellen. Die „Wundergeschichten“ des Markusevangeliums sind durch ihre Krisen erzählende Art auch als „Krisengeschichten“ zu verstehen ([12] S.57). (Weiter unten werden die Todes- und Ostererzählung und die Heilung eines besessenen Jungen als entsprechende Beispiele weiter vertieft und auf spezifische Impulse für die Resilienzfrage untersucht.)
Psalm 23, Vers 4 lautet: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich“. Der Vers kann verstanden werden als die Überwindung einer Krise durch Gottes Unterstützung und greift daher ebenso Resilienz auf. Als ein weiteres demonstratives Beispiel kann 2.Korinther 12,10 angeführt werden: „Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark“. Inhaltlich wird hier ein resilientes Verhalten bezüglich misslicher Situationen dargelegt.
Durch die Behandlung von Krisenbewältigung als umfangreiches Thema der Bibel ist das Thema für die Kirche essentiell. Demnach wird Resilienz nicht ausschließlich aufgrund der Überleitung durch den Rahmen der Vulnerabilität bedeutend, sondern additional durch die biblische Darstellung der Thematik. Demzufolge ist Letztere relevant und wird durch seine Wichtigkeit innerhalb der Kirche gleichzeitig zu einem integralen Bestandteil kirchlicher Arbeit. Des Weiteren ist die mögliche Impulsgebung sehr vielseitig durch die Vielzahl an biblischen Narrationen, die von Krisenbewältigung erzählen.
Grundvollzüge der Kirche
In den Anfängen der Kirche wurden drei griechische Begriffe gewählt, um die Grunddienste der Kirche zu beschreiben [15]. Der dadurch formulierte Auftrag bezieht sich auf die Dimension „einzelner Gemeinden“, wie auch auf die „Weltkirche“ [14]. Umfassend ist bei der korrekten Auslebung der formulierten Aufgabe der Gemeinschaftsauftrag miteinzubeziehen. Die sogenannte „Koinonia“ (altgriechisch κοινωνία, „Gemeinschaft durch Teilhabe“) impliziert die Ausführung des kirchlichen Auftrags in Gemeinschaft und setzt darüber hinaus die Entwicklung der Gemeinschaft als Ziel [14]. An dieser Gemeinschaft soll jeder teilhaben und Impulse setzen können. Folgend werden die drei Grundvollzüge „Diakonia“ (altgriechisch διακονία diakonía „Dienst“, von διάκονος diákonos „Diener“), „Martyria“ (altgriechisch μαρτυρία martyría, „Zeugnis“) und „Liturga“ (λειτουργία leiturgía, „Gottesdienst“) ausgeführt [14].
Diakonia
Diakonia ist „der Dienst am Menschen“ [15], verbunden mit der „tätigen Nächstenliebe“ [15]. Der sogenannte „Geschwisterdienst“ [14] beinhaltet eine Vielzahl an kirchlichen Tätigkeiten wie „die Seelsorge in Kindergärten, Jugendarbeit, Nachbarschaftshilfe, Altenarbeit, Besuchsdienste und Hospizarbeit (Begleitung Sterbender)“ [14]. Insbesondere ist die Unterstützung von leidenden Menschen im Fokus, ebenso wie die Sicherung der Existenz von Menschen, die unter extremen Umständen der Armut leiden. Diakonische Dienste sind stets bezogen auf die Gegenwart und wirken vor Ort. Hilfsorganisationen wie die evangelische Diakonie sind Teil des Aufgabenfelds. In der Diakonia Wirkende bekleiden das geistliche Amt des Diakons.
Jesus demonstriert durch seine Taten und seine Botschaft, dass jeder Mensch unabhängig von seinem sozialen Stand ein Teil von Gottes Reich ist [14]. Hiermit definiert er seine Nachfolge. Der Inhalt der Bildrede „vom Weltgericht“ (Mt 25, 31-46) drückt hinzukommend aus, dass „der Dienst am Nächsten zum Auswahlkriterium dafür, wer von Gott gesegnet sein wird und gerettet werden wird“ [14].
Martyria
Martyria bedeutet grundlegend Zeugnis von seinem Glauben zu geben und die „Frohbotschaft“ [14] zu verkündigen. Auch bei Reaktionen wie „Spott, Häme, Unverständnis und (…) Ablehnung“ [14] gilt es gefestigt hinter seinem Glauben zu stehen und diesen zu vertreten.
Heutzutage steht eine Vielzahl an Mitteln zur Verbreitung des Bekenntnisses zu Jesus Christus zur Verfügung. Der Glaube kann über Erziehung und Religionsunterricht weitergegeben werden. Die Verkündigung findet statt über Medien, stellt einen Inhalt von Predigt dar, zeigt sich in der Bibelarbeit und ist ein zentraler Aspekt der Vorbereitungen auf die Feier der Sakramente [14]. Aktuelle gesellschaftspolitische Teilnahme kann mit der Verkündigung einer christlichen Perspektive verbunden sein. Insbesondere bei ethischen Debatten kann die Kirche ihre aktuelle Relevanz und ihren Einfluss steigern und insofern das Glaubenszeugnis verbreiten [14].
Biblisch wird die Mission der Verbreitung von Leben und Wirken Jesu Christi im Ersten Petrusbrief aufgenommen. „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“ (1 Petr 3, 15b). Jesus fordert außerdem: „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ (Mt 28, 19f). Damit wird die Martyria explizit formuliert [14].
Ergänzend zur Martyria steht der Begriff Kerygma (altgriechisch κήρυγμα kérygma „Bekanntmachung“, „Predigt“; Verb κηρύσσω). Während Martyria sich auf die Verkündigung durch Zeugen zentriert, richtet sich Kerygma auf die Botschaft des Evangeliums und die Predigt und nicht auf die Mission der Verkündigung des Glaubenszeugnisses. Jeder Bibeltext hat ein Kerygma und der Weitergebende ist ein Zeuge und erfüllt die Aufgabe der Martyria [16].
Liturgia (oder Leiturgia)
Liturgia beschreibt die Feier des Gottesdienstes einschließlich der verschiedenen christlichen Riten und Zeremonien. Formen der Liturgie sind unter anderem „das persönliche und gemeinschaftliche Gebet, Andachten, Wortgottesdienste, Meditationen, Wallfahrten usw.“ [14].
Anfänglich stellte die Liturgie „eine Erinnerung an Jesu Tischgemeinschaften und an die Feier des letzten Abendmahles (vgl. dazu Mk 14, 17-25 par; Apg 2,43-47)“ [14] dar und Christen kamen als Tischgemeinschaft zusammen. Dadurch ergibt sich die hohe Bedeutung der Eucharistie, die in der evangelischen sowie katholischen Kirche zu den Sakramenten gehört, als Bestandteil des Gottesdienstes. Das Abendmahl steht besonders „für Versöhnung, Heilung und Gemeinschaft aller“ [14]. Zusätzlich wird der christliche Gedanke des miteinander Teilens betont.
Insgesamt wird durch den Gottesdienst „die Wirklichkeit Gottes erfahrbar“ [14], wodurch der Gottesdienst als Grundlage des christlichen Lebens Glaubende stärkt und ihnen Unterstützung gibt.
Neutestamentliche Verbindungen zur Resilienzfrage und neue Impulse anhand des Markusevangeliums
Im Folgenden soll das Kerygma des Markusevangeliums ausgeführt werden in Hinsicht auf Verbindungen und Anreize für den Resilienzdiskurs. Da die Verkündigung des Evangeliums Teil der kirchlichen Grunddienste ist, stellt diese Ausführung ein praktisches Beispiel kirchlicher Arbeit, die einen Bezug auf Resilienz hat, dar.
Grundsätzlich muss herausgestellt werden, dass Resilienz kein quellensprachlicher Begriff des Neuen Testaments ist. Trotzdem lassen sich Ansätze zum Umgang mit aus heutiger Sicht als Krise einzuordnenden Umständen, wie zum Beispiel „Ohnmacht und Angst, (…) Schwachheit, Misshandlungen, Nöte, Verfolgung, Bedrängnis (1Kor 12,10), (…) Krankheit und Tod“ ([12] S.47/48), finden. Im Zuge der Untersuchung der biblischen Elemente, die impulsgebend in Verbindung mit der Resilienzfrage und signifikant in Bezug auf Krisenbewältigung sind, werden folgend Inhalte des Markusevangeliums herangezogen.
In Mk 15,20b-29 wird die Todesgeschichte Jesu, die auf die Rezeption von Leid und Tod zentriert ist, erzählt. Ein wichtiger Aspekt der Narration ist die Erkenntnis des Hauptmanns beim Anblick des Sterbens Jesu. Dieser sprach: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn!“. Maßgebend für seine Einsicht ist die Art des Sterbens ([12] S.49). Erst aus dem mit Jesus Tod verbundenem Leid geht die Erkenntnis des Hauptmanns bezüglich der „Gottessohnschaft“ ([12] S.50) Jesu hervor. Seine Erkenntnis resultierte nicht aus der Lehre Jesu. Daher zeigt sich Gottes Präsenz hier im „schlimmsten Leiden und Sterben“ ([12] S.50). Die Erkenntnis gewinnt noch an Bedeutung dadurch, dass der Hauptmann als römischer Soldat Teil einer Kultur ist, in „der Leiden und Tod (…) geächtet und aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden“ ([12] S.50) mit Ausnahme des Heldentods. [[[Aus der Perspektive der Antike wird lediglich der Heldentod akzeptiert, wie der des Hektors, der ehrenvoll und seiner Familie sowie seinem Vaterland dienend stirbt. Somit erfolgte eine Anerkennung der Gesellschaft. Insgesamt trägt die Distanz antiker Götter zum Tod zur Betonung ihrer Göttlichkeit bei.]]]
Unter der gesellschaftlichen Verdrängung von Leid und Tod liegt im Tod Jesu daher eine „echte Krise“ vor, die durch seine „Dissoziation von der Gesellschaft“ ([12] S.52) neben seinen Gewalt- und Leiderfahrungen zusätzlich an Dramatik gewinnt. Im Gegensatz zu den griechischen Göttern und den Menschen, die dem Tod ausweichen, ist Gott besonders hier präsent. Aus der Tatsache, dass Gott gerade in Krisen präsent ist, resultiert gleichzeitig, dass das Ausweichen einer Krise widergöttlich ist. Damit verbunden wäre demnach die aktive Vermeidung der Präsenz Gottes.
Ein weiterer zentraler Begriff ist die Leidesnachfolge, die durch das Bild Jesu als leidender Messias geprägt wird. Durch Jesus Leiderfahrungen ermutigt er die sich zu ihm bekennende Gemeinde, Krisen in Form von Isolierung und Bestrafungen, die bis zum Tod reichen, anzunehmen, indem er demonstriert, dass Leid und Sterben nicht mit Gottlosigkeit verbunden sind. Jedoch muss an dieser Stelle betont werden, dass „die Präsenz Gottes im Leiden weder Selbstzweck noch das Endziel von Gottes Handeln“ ([12] S.54) ist. Die Ostererzählung bestätigt die Präsenz Gottes über die Krise hinausgehend und es zeigt sich die Wichtigkeit der Präsenz bei der Überwindung der Krise.
Signifikant ist, dass Gott „kontrafaktisch“ ([12] S.56) präsent ist. Dies ergibt sich aus der Verlassenheit als Zeichen der Krise, die auch bei Jesus identifizierbar ist. „Mein Gott, mein Gott, wozu hast du mich verlassen?“ (Mk 15, 34) schreit Jesus kurz vor seinem Tod. Das Paradoxe entsteht dadurch, dass sich Gottes Präsenz in Jesus Verlassenheit des Sterbens zeigt. Jedoch lässt sich diese Antithese auflösen, da gerade das Abstinente durch die Verdeutlichung seines Mangels heraussticht. Zusätzlich führen die Gefühle von Hilflosigkeit und Isolierung zu einer Ernsthaftigkeit der Krise ([12] S.55,56).
Darüber hinaus ist es erforderlich herauszustellen, dass Gottes Präsenz in der Krise „kontradiktorisch“ ([12] S.56) ist, da Gott grundsätzlich Einwände gegen das Bestehen der Krise hat. Folglich wird Gott vielmehr durch seinen Einspruch und seine Solidarität mit den Leidenden präsent.
Anhand des Aspekts der Leidesnachfolge wird die Krisen erzählende Art des Markusevangeliums deutlich, die das Verständnis von „Wundergeschichten“ der Schrift als „Krisenerzählungen“ ([12] S.57) schafft.
Die biblischen Mittel der Lösung einer Krise lassen sich anhand der „sogenannte[n] Heilung eines besseren Jungen“ ([12] S.57), die in Mk 9, 14-29 zu finden ist, hervorheben. Der Vater des Jungen, der „von einem sprachlosen und tauben Geist vollkommen besessen“ ist, wendet sich in der Not an Jesus, um Hilfe zu erhalten. An dieser Stelle unterstreicht dieser: „dem Glaubenden ist alles möglich“ (V.23). Seine Aussage manifestiert die Relevanz des Glaubens als Weg der Lösung und zeigt, dass keine Wundertat zur Lösung führt. Jedoch ist dies simplifiziert und die Bedeutung des Glaubens verfügt in diesem Kontext über eine höhere Komplexität. Auch in diesem Zusammenhang ist eine antithetische Struktur vorherrschend. Der Vater spricht: „Ich glaube- hilf meinem Unglauben“ (V.24). Der Unglaube ist eine bedeutende Beeinträchtigung der Überwindung der Krise und steht dem Glauben als Mittel der Lösung gegenüber und macht diesen unmöglich ([12] S.58). Dadurch zeigt sich die Unlösbarkeit die Krise. Das entstehende Paradoxon mündet in einem Schrei des Vaters, dem die Heilung des Jungen folgt. Dieser Schrei bringt somit die Heilung herbei, und er ist mit einer Art Gebet gleichzusetzen. Daher wird das Gebet als Instrument der Lösung gezeigt, wobei das Markusevangelium die Kongruenz des Gebets und des Glaubens betont (Mk 11, 23f.). In dem Vers 24: „alles, was ihr nun bittet, glaubt“ wird die zentrale Bedeutung von Kommunikation ersichtlich.
Aus der im Folgenden dargestellten Vertiefung kann ein Ansatz mit Bezug auf die Resilienzfrage abgeleitet werden. Glauben als „Kommunikation mit einem Gegenüber“ ([12] S. 59) wirkt gegen Unglauben und Verzweiflung in der Situation, da die Kommunikation gleichzeitig im Verhältnis mit Vertrauen steht und beide sich gegenseitig erzeugen. Zusätzlich verstärkt die Sprachlosigkeit als Inhalt der Krise die Bedeutung der Kommunikation. Letztere findet sich in dieser Situation als „Schrei [, der] die Ausweglosigkeit der Krise benennt“ ([12 S.60), wieder, obwohl dieser als Negierung der Kommunikation intendiert ist. Gerade dadurch entsteht zwangsläufig „ein Gegenüber“ ([12] S.61), was zur Überwindung der Krise führt.
Ein weiteres Beispiel dafür ist die Kreuzigungserzählung. „Indem Jesus Gott anklagt abwesend zu sein, setzt er ihn unausweichlich als Gegenüber seiner Kommunikation“ ([12] S.61). Es stellt den Ausgangspunkt der Lösung der Krise dar.
Anhand dieser Impulse des Markusevangeliums ergibt sich die „vertrauensbildende Kommunikation als entscheidendes Element der Krisenbewältigung“ ([12] S.60). Es kann ein Beitrag zum Resilienzdiskurs geliefert werden, indem aufgezeigt wird, dass die „kommunikative Versprachlichung“ ([12] S.69) der Paradoxie der Krise entgegenwirkt und ein Hauptmerkmal des Lösungswegs wird.
Haus der Stille
Als Bestandteil des kirchlichen Grunddienstes Diakonia ist das Haus der Stille als ein Beispiel anzusehen, das für Resilienz relevante Elemente enthält und ist daher ein gutes Beispiel für die spezifische Verbindung zwischen kirchlicher Arbeit und Resilienz.
Das Haus der Stille ist das 1992 eröffnete Einkehr- und Meditationszentrum der evangelischen Kirche im Rheinland in Rengsdorf [10]. Ursprünglich war es als Ruheort für die Mitarbeitenden der evangelischen Kirche im Rheinland angedacht, der auf Besinnung orientiert ist. Allerdings stand 2015 die Schließung bevor, die letztendlich durch Spendengelder und Fundraising verhindert werden konnte. Es folgte eine zentrale Änderung der Orientierung mit Fokussierung auf Öffentlichkeitsarbeit [11].
Insgesamt besteht die Anlage aus drei Gebäuden mit Unterkunftsmöglichkeiten innerhalb eines Parks am Rheintal. Die Umgebung ist ruhig und naturnah, die Versorgung ist vegetarisch [10].
Das Kursangebot wurde 2015 signifikant erweitert und aktuell werden jährlich „über rund 140 verschiedene Tages-, Wochenend- und Wochenkurse von Tanz über Eutonie, Fasten und Schweigen bis biografischem Schreiben, sowie Fortbildungen für beruflich und ehrenamtlich Mitarbeitende der Kirchen in Geistlicher Begleitung“ angeboten [11]. Ermöglicht wird dies durch die 14 Mitarbeitenden, die zusätzliche Unterstützung von Förderkreisvereinen erhalten. Die Termine sind im Kalender auf der Seite der evangelischen Kirche im Rheinland (ekir.de) nachzuschlagen [12].
Resilienz ist thematischer Bestandteil mancher Seminare. Ein Beispiel ist der 2019 angebotene Einkehrkurs unter dem Thema „Von der Kunst aus der Fülle zu leben“ [12]. Als Untertitel der Veranstaltung wurde „Resilienz stärken- innere Kraftquellen entdecken“ [12] gewählt. Inhaltlich wurde sich mit dem Umgang mit Veränderungen im Leben auseinandergesetzt. Die Entdeckung eigener Ressourcen stellte ein Kernthema dar, das allgemein häufig Bestandteil verschiedener Kurse ist. Des Weiteren wurden „Perspektive[n] von Glauben, Hoffnung [und] Liebe“ [12] beleuchtet. Insofern wurde eine Verbindung zwischen dem internalen Glauben und der Resilienz geschaffen. Anhand des Beispiels wird deutlich, dass die Auseinandersetzung mit Resilienz innerhalb der Kursangebote des Hauses der Stille zum Thema kirchlicher Arbeit wird.
Das gesamte „Angebot will ermutigen, die Beziehung zu sich, zu anderen und zu Gott zu überdenken“ [10]. Ziel ist eine erhöhte Achtsamkeit, die Setzung wesentlicher Anker und eine Besinnung, die durch Stille und Meditation verstärkt wird [10]. Eine Beschäftigung mit biblischen Botschaften ist ebenso Teil der Seminare. Die Kirche schafft somit einen praktischen Beitrag zum aktuellen Resilienzdiskurs, indem christliche Perspektiven miteinbezogen werden und Teilnehmer angeregt werden, diese auf ihr Leben zu beziehen.
Seelsorge (UNFERTIG)
Seelsorge ist Teil des Grundvollzugs Diakonia
Alle zwei Jahre findet der Ökumenische Bundeskongress Notfallseelsorge und Krisenintervention statt, dessen 18. Auflage im Jahr 2017 vom 30. März bis zum 1. April andauerte und in Hannover ausgetragen wurde. Das abschließende Podiumsgespräch des Kongresses wurde unter der Fragestellung, ob Resilienz machbar ist, gehalten und kirchliche wie auch wissenschaftliche Perspektiven wurden zusammengeführt. Dabei wurde ein direkter praktischer Bezug geschaffen, indem die Faktoren einer „erforderlichen Anpassungsleistung“ [9] hinsichtlich einer Rückfindung ins eigene Leben und eines möglichen Wachstums nach dem Ereignen einer traumatisierenden Erfahrung, diskutiert wurden. Erkenntnisse dienen zur praktischen Anwendung in der kirchlichen Arbeit.
Glaube und kirchliche Gemeinschaft als Schutzfaktoren
Der Glaube, der die allgemeine Grundlage kirchlicher Arbeit darstellt und von dem Zeugnis gegeben werden soll, steht in Verbindung mit Resilienz.
In einer Studie der Columbia University unter Leitung von Myrna Weissmann werden die „Faktoren oder Lebensumstände [,die] gegenüber Depressionen resilient machen“ untersucht. 103 Personen wurden auf durch Hirnscans auf neurologische Merkmale untersucht. Die Personen verfügten über verschiedene Dispositionen, wobei „ein Teil (familiär bedingt) extrem anfällig für Depressionen war“ [17]. Besonders anhand dieses Teils der Probanden können Einflussfaktoren untersucht werden, da im Normalfall höchstwahrscheinlich eine Erkrankung als Konsequenz der genetischen Disposition erfolgen würde. Gläubige wiesen Verdickungen der Hirnrinde an verschieden Stellen auf, was sie signifikant von den anderen Probanden unterschied. Personen mit entsprechenden neurologischen Merkmalen und einer Selbstbeschreibung als gläubig oder spirituell werden insgesamt weniger krank. Daraus kann eine „statistische Korrelation“ abgeleitet werden und die „These, dass der Glaube für die Psyche einen Schutzfaktor darstellt“ konnte weiter verstärkt werden [17].
Harold G. Koenig trägt die Ergebnisse von Studien mit diesem Forschungsschwerpunkt in der Metastudie „ISRN Psychiatry, doi:10.5402/2012/278730“ zusammen [17]. Laut Harold G. Koenig seien in Hinsicht auf psychische wie auch gesundheitliche Parameter signifikant positive Zustände bei Gläubigen erkennbar [17]. Als mögliche fördernde Faktoren werden neben dem intrinsischen Glauben „stabilisierende religiöse Rituale und (…) soziale Bindungen“ [17] angesehen. Dementsprechend können auch Koinonia und Liturigia als Begriffe mit eingebracht werden, da die Gemeinschaft durch Teilhabe und die mit Riten verbundene Feier des Gottesdiensts für zuvor genannte Faktoren bestimmend sind.
Daten der National Longitudinal Study of Adolescent Health konnten eine Korrelation zwischen der Einbindung in eine religiöse Gemeinschaft und Resilienz ebenso bestätigen [24]. Ein positiver Effekt auf das physische und psychische Wohlbefinden ist darüber hinaus feststellbar.
Insbesondere der soziale Bezug der kirchlichen Gemeinde und der internale Glaube schaffen daher mögliche Schutzfaktoren und der potenzielle Einfluss auf individuelle Resilienz lässt sich herausstellen. Aufgrund der Tatsache, dass der Glaube offensichtlich mit der Resilienz von Menschen korreliert, ist die zukünftige Untersuchungen spezifischerer Zusammenhänge von Interesse der Forschung [17].
Kritik an kirchlichen Resilienz-Workshops und der Begriffsnutzung
Diverse kirchliche Sektoren greifen den Begriff Resilienz direkt auf und verwenden ihn in Titeln von Workshops und Artikeln. Einige Beispiele sind der vom Evangelische Kirchenkreis Berlin Stadtmitte 2018 gehaltenen Workshop, betitelt mit „Balance und Resilienz durch TRE“ [18]. Auch das Maria-Laach Kloster verwendet den Begriff: „Resilienz-Training“ als Oberbegriff eines 2020 stattfindenden Workshops [19]. Des Weiteren formuliert die evangelische Zeitschrift „Sonntagsblatt“ „6 Tipps für (…) psychische Widerstandsfähigkeit“ unter dem Hauptthema „Resilienz fördern“.
Diese direkte simplifizierte Einbringung der Resilienz ist jedoch kritisch zu betrachten, da damit die allgemeine Erlernbarkeit von Resilient impliziert wird. Diese Implikation muss eingeschränkt werden aufgrund der genetischen Disposition, die als Faktor der Resilienz nicht vernachlässigt werden kann [21]. Demnach wird das Förderungspotenzial individuell und eine Verallgemeinerung ist nicht möglich.
Die Ausbildung von protektiven Faktoren ist vor der „Einwirkung des Risikofaktors“ ([1] S.52) notwendig, da ausschließlich dadurch ein Rückgriff zur „Bewältigung der Herausforderung“ ([1] S.53) möglich wird. Demzufolge ist die Krisen unspezifische Betrachtung resilienzstärkenden Faktoren, die innerhalb der Workshops stattfinden soll, grundsätzlich sinnvoll. Dabei stellt das interdisziplinäre Forschungsprojekt „Resilienz und Spiritualität“ der Universität Bonn jedoch den zentralen Aspekt heraus, „dass Resilienz und Krise zumindest im Kontext individueller existentieller Krisen in einem intrinsischen Verweis- und Entwicklungszusammenhang stehen und Resilienz daher selbst ein Krisenphänomen par excellence ist“ ([22] S.12). Der Versuch der Ausbildung von Resilienz ist zwar weiterhin positiv, doch sind „ihre Wahrnehmung [und] möglicherweise sogar ihre Ausbildung nicht zu trennen vom Erleben einer schweren Lebenskrise“ ([22] S.12). Resultat dieser Feststellung ist die notwendige Untersuchung von passiv geprägten Wegen der Auseinandersetzung mit Krisen, die das Durchstehen einer Krise durch Aushalten darlegen. Ausschließlich Möglichkeiten der vollständigen Krisenbewältigung zu betrachten, kann als eindimensional gewertet werden und birgt in Verbindung mit der Annahme einer allgemein möglichen Erlernbarkeit der Resilienz Gefahren. Cornelia Richter beschreibt die Entwicklung der Resilienz zu einem allgemeinen „Sehnsuchtsbegriff“ ([22] S.11). Aktuell werde durch die Trendentwicklung Resilienz als ein Allheilmittel gegen Krisen und Probleme angesehen, so Klaus Ottomeyer [23]. Daraus resultiert eine „unkritische Erwartungshaltung“ ([22] S.11), die zu einer simplifizierten Sichtweise auf die Resilienz führt.
Von kirchlichen Sektoren wird der Begriff nicht wie im Maße der Coachingindustrie kommerzialisiert, doch aufgrund der voranschreitenden Simplifizierung komplexer Zusammenhänge verschiedener Faktoren muss ein äußerst kritischer Umgang mit der Thematik erfolgen, um in der Gesellschaft ein realistisches Bild der Resilienz und ihrer potenziellen Förderung zu erzielen.
Fazit
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass kirchliche Arbeit direkte Verbindungen mit dem Resilienzdiskurs aufweist.
Die Kirche ermöglicht neue gesellschaftliche Anreize, indem sie die Auswirkung spiritueller Ressourcen in Bezug auf Resilienz verdeutlicht. In der Forschung wird der positive Effekt von unter anderem der Gemeinschaftszugehörigkeit (Koinonia), des Glaubens und religiöser Rituale (Teil von Liturgia) nachgewiesen [17],[24], wobei weiterhin Forschungsbedarf besteht. Insbesondere der intrinsische Glaube muss herausgestellt werden, da dieser einen stabilen Schutzfaktor darstellen kann. Darüber hinaus könnte das positive psychische und physische Wohlbefinden Glaubender [17] einen Impuls im Gesundheitswesen setzen, der die Bedeutung von Spiritualität und Religion betont. Die spirituelle Dimension sollte daher insgesamt in der Gesellschaft mit Ernsthaftigkeit betrachtet werden.
Obgleich biblische Narrationen in einem anderen historischen und gesellschaftsstrukturellen Rahmen stattfinden, können wie anhand der Ostererzählung und der sogenannten Geschichte eines besessenen Jungen in Kapitel ((..)) dargestellt, Konzepte für die Resilienz anhand ihres Kerygmas abgeleitet werden. Durch die Menge an Krisenerzählungen ergibt sich eine vielseitige Chance für den Resilienzdiskurs [12].
Die Einbringung der passiv geprägten Verhaltensmöglichkeit in Krisen sticht als signifikante Anregung heraus, da eine neue Dimension des Umgangs mit Krisen geschaffen wird. Dieser dynamische Prozess des Aushaltens ist von aktiven Bewältigungsstrategien zu differenzieren und verhindert eine Verzweiflung an der scheiternden Überwindung der Krise.
Durch die vielseitigen Anregungen der Kirche kann diese innerhalb eines aktuellen und wichtigen Themas der Forschung und Gesellschaft eine prägende Rolle einnehmen. Daher profitiert die Kirche stark von der Thematik und zukünftig sollte dies zugunsten der Forschung und der Kirche augenutzt werden
Trotzdem muss der Resilienzbegriff grundsätzlich kritisch betrachtet werden. Oftmals wird der Terminus simplifiziert verwendet und funktionalisiert. Wie zuvor erläutert führt die kommerzialisierte Entwicklung der Resilienz zu der Entstehung eines „Sehnsuchtsbegriff[s]“, der mit einer „unkritischen Erwartungshaltung“ ([22] S.11) verbunden ist.
Es ist stets zentral, die individuellen Voraussetzungen miteinzubeziehen und die Begrenzung des Förderungspotenzials der Resilienz wahrzunehmen. Die Resilienz selbst ist grundlegend als „Krisenphänomen“ ([22] S.12) anzusehen und sie verfügt nicht über unendliche Möglichkeiten.
Literaturverzeichnis
[1] Elias D. Stangl, Resilienz durch Glauben- Die Entwicklung psychischer Widerstandskraft bei Erwachsenen, 2016
[2] https://www.ekir.de/www/service/resilienz-19308.php?desktop=1
[3] Gabriel, Thomas, Resilienz- Kritik und Perspektiven, in: Zeitschrift für Pädagogik 51, 2005
[4] Oerter, Ralf, Entwicklungspsychologische Grundlagen, in Günter Esser (Hg.), Lehrbuch der klinischen Therapie und Psychotherapie bei Jugendlichen, 4. Auflage, Stuttgart 2011, 7
[5] Fiedler, Peter, Persönlichkeitsstörungen, in: Hans-Ulrich Wittchen / Jürgen Hoyer (Hg.), Klinische Psychologie und Psychotherapie, 2.Auflage Berlin 2011, 1107
[6] MThZ 67 (2016) 224–233, Vulnerabilität und Resilienz Christlich-theologische Perspektiven von Hildegund Keul
[7] https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/vulnerabilitaet/16544
[8] https://xn--vulnerabilittsdiskurs-h2b.de/vulnerabilitaetsdiskurs/
[9] https://www.zentrum-seelsorge.de/fortsetzungen_nachrichten/archiv_2017_1/2017_04_04
[10] https://www.ekir.de/haus-der-stille/unsere-arbeit-153.php
[11] https://www.ekasur.de/presse/details/haus-der-stille-feiert-silberjubilaeum/
[12] https://www.ekir.de/haus-der-stille/kalender-157.php
[13] Flebbe, Jochen „Ich glaube- hilf meinem Unglauben.“ Strukturen antithetischer Krisenbewältigung im Neuen Testament, in „Ohnmacht und Angst aushalten“ von Cornelia Richter, 1.Auflage 2017
[14] http://www.bsbzarchiv.de/unterricht/grundvollzuege_der_kirche.htm
[15] http://www.wuerzburg-martin-luther.de/nachgedacht/Der-vierfache-Auftrag-der-Kirche.htm
[16] https://de.wikipedia.org/wiki/Kerygma
[18] https://www.kkbs.de/event/4366697das
[19] https://www.maria-laach.de/aktuelles/veranstaltungen/resilienz-training-2020.html
[20] https://www.sonntagsblatt.de/artikel/achtsamkeit-resilienz/ratgeber/resilienz-foerdern-6-tipps-fuer-ihre-psychische
[21] S. Scarr, L. McCartney: How people make their own environments: A theory on genotype environment effects. In: Child Development. 54, 1983, S. 424–435.
[22] Einleitung in „Ohnmacht und Angst aushalten“ von Cornelia Richter, 1.Auflage 2017
[23] Fit für die Katastrophe? Der Resilienzdiskurs in Politik und Hilfe. stiftung medico international, Frankfurt, 6. Juni 2015.
[24] Amber Anderson Johnson: Want Better Grades? Go to Church. In: Christianity Today. Mai 2002.