Kreative Spiritualität – schöpferischer Geist. Interview mit Marlies Blauth von Christoph Fleischer, Werl 2013

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Rezension und Ausstellungshinweis zu: Marlies Blauth: UNTERWEGS, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung hrsg. von Hagenring e. V. (www.hagenring.de) und Brühler Kunstverein e. V. (www.bruehler-kunstverein.de) Hagen und Brühl 2012.

Die Ausstellung „Unterwegs“ von Marlies Blauth, die im Jahr 2012 in Brühl und Hagen im Rahmen einer kulturellen Kooperation gezeigt wurde, ist nun erneut in Wuppertal zu sehen, in der Immanuelskirche vom 13.01. bis 07.04.2013.
Die Immanuelskirche Sternstraße/von Eynernstraße in Wuppertal Barmen ist seit der Achtziger Jahre ein Kulturzentrum (www.immanuelskirche.de). In der Kirchengemeinde in Barmen-Gemarke fand 1934 die Barmer-Bekenntnissynode statt, die die Barmer Theologische Erklärung verfasste, Grundlage der Bekennenden Kirche und bis heute Teil der Grundlagen der Evangelischen Kirche in Westfalen und im Rheinland.

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Die Ausstellung von Marlies Blauth stellt „Menschenbilder“ in diesen historischen und religiösen Kontext. Die Kirche ist durch Menschenbilder herausgefordert, weil sie sich damit fragen sollte, inwieweit sie der Institution oder den Menschen dient.

Der Ausstellungskatalog ist im Rahmen des Projekts Kunstachse NRW entstanden. In der Tat verbindet die Kunstschaffende und Lyrikerin Marlies Blauth die Regionen Rheinland, wo sie lebt und wirkt, und Westfalen, wo sie geboren und aufgewachsen ist. Eine Kurzbiografie und die Aufzählung von Ausstellungen findet sich ebenso im Katalog wie drei inhaltliche Beiträge zu den Kunstprojekten von Marlies Blauth.

Tina Willms gibt einen Einblick in das Projekt „Menschenbilder“, das in der Ausstellung gezeigt und hier im Katalog demonstriert wird.

Susanne Merz, gebürtige Dortmunderin, die in Schweden lebt, berichtet von ihrer langjährigen Freundschaft zur Künstlerin.

Helga Weidenmüller führt kunsttheoretisch in die beiden Ausstellungsbereiche „Menschenbilder“ und „Tagebuch – Stundenbuch“ ein.

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Ich habe im folgenden der Künstlerin einige Fragen per Email vorgelegt.

Was hat Dich bewogen, Fotos von Menschen zu bearbeiten?

Ich wurde 2009 zu einer Ausstellung „Menschenbilder“ eingeladen und hatte nur noch ein paar Skizzen aus dem Studium, die mir nicht aktuell genug waren; so habe ich mich neu in die Thematik eingearbeitet. In der aktuellen Ausstellung geht es um wartende, lesende, nachdenkende, in sich ruhende Menschen, die bisweilen eine meditative Stimmung ausstrahlen, um „Ikonen das Alltags“, wenn man so will.
Der Mensch in der Kunst ist natürlich ein traditionelles Thema, das, in welcher Form auch immer bearbeitet, ständig wiederkehren wird, auch wenn die Kunst zwischendurch vielleicht andere Akzente setzt.

Warum hast Du Dich für schwarz-weiß entschieden?

Ein wichtiger Grund war sicher, dass ich mich von der intensiven Farbigkeit, mit der ich zuvor jahrelang gearbeitet hatte, mal „erholen“ musste. Die Reduktion, hier also die farbliche, ist zwischendurch immer wieder ein Anliegen von mir. Ich habe einige „graue“ Bilder, auch zu anderen Themen, die ich Grisailles nenne – und dazu zählen auch diese Menschenbilder.

DIGITAL CAMERAWie geht das genau mit der Technik? Wird das Foto erst auf eine Platte übertragen und dann bearbeitet?

Nein, das ist etwas komplizierter.
Irgendwann sollte ich für jemanden Zeichnungen von mir (foto)kopieren, und diese Technologie hatte so große Fortschritte gemacht, dass mir manchmal die Kopie besser gefiel als das Original. So begann ich, mit dieser Ästhetik zu experimentieren, Fotokopie-Fragmente in meine Bilder einzubauen und teilweise zu übermalen, teilweise frei zu lassen. An diese Erfahrungen knüpfe ich mit den Menschenbildern an. Diesmal mache ich es aber etwas anders: ich male, zeichne, kratze, ritze bereits in die Fotos hinein, die alle unterwegs entstanden sind und fotografisch erst einmal nicht viel taugen. Von dieser Verbindung aus Foto und Zeichnung entstehen Fotokopien, in die ich wieder male, zeichne und kratze. Irgendwann habe ich dann ein Ergebnis, bei dem man nicht mehr unterscheiden kann, was die Fotovorlage war und was meine manuelle Bearbeitung. Dieses Blatt collagiere ich auf eine Leinwand und übermale es ein letztes Mal. Dieses Vorgehen ist wichtig, um den Menschen in seiner Individualität zu verfremden und ihn gleichzeitig als Typus herauszuarbeiten. Im Gegensatz zum „echten“ Foto – aus Kunststoffen – ist der Träger der Fotokopie bekanntlich ein Bogen Papier, und dieses eher „traditionelle“ Material ist mir lieber. Darauf kann man zeichnen und malen, ohne dass die Farbe perlt, man kann es auch schneiden und reißen. Papier eben.

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Du arbeitest vielseitig – Installation, schwarz-weiß, Linoldruck und was noch? Ölfarben oder Aquarell? Welche Technik ist denn so Deins?

Man sieht daran ja gerade, dass ich mich gar nicht festlegen will, jedenfalls nicht auf Dauer. Über ein Intervall von einigen Jahren beschränke ich mich immer auf eine oder zwei Arbeitsreihen, dann gibt es natürlich Übergangsphasen. Und irgendwann kommt etwas Neues, d. h. in erster Linie eine neue Kombination von Techniken. Vor Jahren habe ich mal den Holzschnitt mit der Collage verbunden, vor kurzem den Linolschnitt mit der Fotokopie. Es geht um das Ausloten ästhetischer Möglichkeiten. Damit bin ich aber keinesfalls allein, viele Künstler experimentieren gerne, begehen unbekannte Wege.

Ich habe schon ein Lieblingsgedicht gefunden. Du wirst kaum drauf kommen, oder?

Ich tippe auf Beim Aufräumen, weil es einen lockeren, fast lustigen Schluss hat und nicht so schwermütig ist wie die meisten anderen.

(Nein. Ich mag das, was Du schwermütig nennst und würde es als eher tiefgründig bezeichnen. Mein Lieblingsgedicht ist „Ruhrgebietskindheit“. Es ist so passend und zeigt doch, wie schnelllebig die Zeit ist.)

Welche Technik würdest Du für die Erarbeitung eines Gedichts empfehlen?

Diese Frage kann ich nicht beantworten, denn dabei gibt es wohl ähnlich viele Methoden oder Angänge wie in der bildenden Kunst. Ich kann am besten unterwegs schreiben. Da habe ich mehr Ruhe als zu Hause, kann mich gut konzentrieren. Die meisten Texte schreibe ich übrigens mit der Hand.

Woher bekommst Du Deine Ideen, aus der Zeitung?

Das ist sehr unterschiedlich. Als Synästhetikerin habe ich glücklicherweise eine sehr lebhafte Wahrnehmung. Außerdem fallen mir viele Details auf. Ideen habe ich eigentlich immer, es kommt eher darauf an, sie einerseits in plausible, andererseits in unübliche Zusammenhänge zu bringen, also zu „komponieren“.
Ein Gedicht ist durch seine Kürze gut überschaubar, dies auch kompositorisch gemeint, und ich liebe es, an einzelnen Wörtern, Klängen, Buchstaben herumzufeilen.

blauth - unterwegs 004bDu arbeitest an einem Kunst-Kirche Projekt. Wo liegt für Dich das Verbindende zwischen Kunst und Kirche?

Beide sind natürlich wichtige Säulen der Kultur. Kunst und Kirche waren lange eng verbunden, Kunst war bekanntlich ein Instrument für die Verkündigung. Verschiedenste Prozesse führten zu einer weitgehenden Trennung –wobei ich manchmal denke: Hätte es die abstrakte Kunst zu einem früheren Zeitpunkt gegeben, wäre die Entwicklung vermutlich anders verlaufen.
In unserem Projekt in der Evangelischen Kirche Osterath suchen (und finden) wir ständig, nunmehr seit gut zehn Jahren, Schnittmengen zwischen Kunst und Kirche. Es gibt sogar Künstler, die selbst erstaunt sind, wieviele letztlich religiöse Inhalte sie in ihrem Werk bearbeiten, andere empfinden es als spannende Herausforderung, etwas für einen Kirchraum zu machen. Ich glaube, dass einige dabei sind zu entdecken, was für einen reichhaltigen Erfahrungs- und Themenschatz Kirche (Religion) bieten kann: Themen, die den Menschen immer wieder betreffen und berühren. Und in genau diesem Bereich arbeiten wir Künstler ja auch, nur eben mit unseren Mitteln.

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(Die Rechte für Gedicht und Bilder liegen bei Marlies Blauth)

Der Katalog kostet 5 Euro und ist in der Ausstellung erhältlich, sowie bei Hagenring e. V., Eilper Str. 71 – 75, 58091 Hagen, Tel.: 02331 28779.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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