Zu: Bruno Preisendörfer: Hat Gott noch eine Zukunft? Glaube – Alltag – Transzendenz, S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-7776-2286-6, Preis: 19,80 Euro
Deutschland ist zugegebenermaßen ein säkulares Land, doch immerhin mit religiöser Prägung. Es wäre daher schon recht verwunderlich, wenn nicht nur die Gesellschaft auf die Religion einwirken würde, was sie zweifellos beabsichtigt, sondern auch die Religion des Christentums, die über Jahrhunderte präsent ist, die Gesellschaft prägen würde. Man kann nach 2000 Jahren Christentum nicht so tun, als wäre eine säkulare Gesellschaft komplett ohne religiöse Einflüsse denkbar. In diesem Sinn eröffnet der Autor des Buches „Hat Gott noch eine Zukunft?“ eine breite Palette gesellschaftlicher Themen, die auf irgendeine Weise mit religiösem Einfluss zu tun haben. Da gibt es z_B. den Sport, der sehr stark von religiösen Elementen beeinflusst ist, seien es von der Askese geprägte Fitnesseinstellungen oder ein Starkult, der einer Heiligenverehrung gleichkommt, sowie die Rituale der Fankultur der Fußballvereine. Das Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit und die dieses bestimmende Regel des Ruhetages und der Feiertage sind allerdings weniger religiös geprägt, als es anzunehmen wäre. Zwar haben die Feiertage einen religiösen Ursprung, gehören aber inzwischen zur Freizeitkultur. Untersuchungen haben gezeigt, dass der regelmäßige Ruhetag die Arbeitsproduktivität sogar noch unterstützt. Der regelmäßige Sonntag liegt daher sogar eher im ökonomischen, als im religiösen Interesse, so verständlich der Anspruch der Kirchen auf die Feiertagsruhe auch ist.
„Hat Gott noch eine Zukunft?“ Die Frage des Titels bezieht sich weniger auf die Metaphysik einer Religion als auf ihre Institutionen. Dabei wird der Religion ein Ort in der Gesellschaft zugewiesen, ohne sie jedoch zu einer bestimmenden Instanz zu machen. Die Frage des Titels wird also mit „Ja“ beantwortet, wenn sich denn die Religionen von ihrem Alleinvertretungsanspruch verabschieden. Insofern hat der Autor, vielleicht sogar, ohne es zu beabsichtigen, ein Buch im protestantischen Sinn vorgelegt. Die absolute Religionslosigkeit des Laizismus ist dagegen nicht intendiert. Gläubige sollten ihre Einstellung in die Gesellschaft hineintragen können, und die Gesellschaft sollte ihrerseits über Instrumente verfügen, den Einfluss der Religionen zu begrenzen.
Der Autor versteht das Buch als Essay, der „nicht verkündigen oder verlautbaren, sondern diskutieren und ‚diskurieren‘ (‚hin- und herlaufen‘) und ausprobieren“ will. (vgl. Korrespondenz des Rezensenten mit dem Autor) Dabei argumentiert er überwiegend pragmatisch und ist am „Moderaten“ orientiert. Dass die Themen des Buches letztlich eine Auswahl bilden und keine Vollständigkeit beanspruchen, wird daran deutlich, dass ein Thema fehlt: „Tod und Ewigkeit“. Es wäre noch einmal ein lohnender Versuch, die Durchdringung von säkularen und religiösen Elementen in der Bestattungskultur aufzusuchen. Der Ansatz des Autors lässt sich durch Beobachtungen aktueller Umfrageergebnisse unterstützen. Zu jedem Kapitel gibt der Autor ein kleines Dossier, das die benutzte Literatur enthält und einige inhaltliche Schwerpunkte benennt. So ist hier ein wirklich interessantes Buch auch für die praktischen Seiten des gesellschaftlich-religiösen Dialogs entstanden.