Zu: Das Gedicht, hrsg. Von Anton G. Leitner und José F. A. Oliver, #25, Jubiläumsausgabe, Ein Vierteljahrhundert Das Gedicht, Religion im Gedicht, Anton Leitner Verlag, Weßling bei München 2017, 224 Seiten einschließlich Werbung, ISBN 978-3-929433-82-1, auch als e-Book erhältlich, Preis: 14,00 Euro
Es ist interessant und wichtig, dass die Religion zunächst formal gesehen einen so hohen Stellenwert hat, dass die Jubiläumsausgabe von „Das Gedicht“ diesem Thema gewidmet ist.
Die fortlaufende Lektüre hat mich allerdings wenig inspiriert. Es scheint, als müsse sich ein Lyriker, eine Lyrikerin an Religion abarbeiten.
Die Gedichte im Hauptteil sind offenbar in erster Linie dem Abschied von der Religion gewidmet, der doch in einer säkularen Gesellschaft längst erledigt sein müsste. Die Religion, so gewinnt man den Eindruck, hat hier beinahe die Funktion eines Schützenfestadlers, der alljährlich wieder aufsteht, um von den Schützen regelrecht zerlegt zu werden.
Dass sich die Gliederung nach dem Prinzip der sieben Todsünden ordnet, spricht eine ähnliche Sprache: Als ob Religion nach wie vor die Funktion hätte, der Gesellschaft vorzuhalten, worin sie den Ansprüchen des Christentums nicht genügt.
Das alles ist keine Aussage über die gewiss hochstehende Qualität der Literatur. Nur, dass Religion immer noch als Sparringspartner dient, ist schon enttäuschend.
Auch wenn die menschliche Sinnsuche keinesfalls nur im Schoß einer alleinseligmachenden Kirche münden kann, so müsste doch wenigstens ein Gefühl für die Einheit der Schöpfung, das Wunder von Liebe und Freundschaft, für einen ständig inspirierenden Geist generiert werden, und in der Summe die Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit.
Einige Gedichte hingegen lassen schon das Profil einer politisch engagierten Religion aufleuchten, wie das Gedicht „Kirchentag“ von Sabine Zaplin, die an das „lila Tuch“ der Friedenbewegung erinnert, das dem Direktor auf der Abiturfeier 1983 unpassend erschien (S. 95).
Christian Lehnert schildert in einem Sonett ein böhmisches Wegekreuz inmitten eines Falterschwarms. Wobei die Falter für das neue Leben der Auferstehung stehen, da sie Schöpfung repräsentieren. (S. 74)
Das „Tauflied für anne“ von Andreas Reimann fragt nach, ob die einmalige Waschung der Taufe wohl für das ganze Leben reicht? Es sollen immerhin auch später mal die Ängste weggewaschen werden. Die leuchtenden Kerzen erinnern an das Fest am Tauftag, das zugleich zeigt, dass das „leben schmeckt“ auch wenn er es gleich einschränkt und daran erinnert, dass „anne“ auch von „kuchen und konfekt“ Bauchschmerzen bekommen kann (S. 127).
Erwähnen möchte ich noch kurz das Kapitel II. Lyrik für „Und nachts viele Sterne, weil Gott dich liebt“, „Eine Sammlung neuer Kindergedichte“ von Uwe-Michael Gutzhahn zur Kenntnis zu nehmen (S. 159 – 192).
Die Kindergebete zeigen eine einfache, kindliche Vorstellung von Gott, die immer im Gespräch mit der alltäglichen Wirklichkeit ist. Engel, Gott, Jesus, der Himmel sind weit genug weg, um zum Reich der Phantasie zu gehören, aber auch nah genug, um immer im Alltag vorzukommen. Es gibt einen Himmel für verstorbene Haustiere und Großeltern.
Drei kurze Essays am Ende der Ausgabe geben Anlass, doch noch ein wenig den Gedanken über Religion in der Dichtung nachzugehen, sie zu finden, ohne sie zu suchen. Da ist „Keine Lyrik ohne Gott“ (S. 197) und „Der Mensch zwischen Poesie und Psalm“ (S.203) im Blick.Und, ja, das sehe ich auch: „Es ist Zeit, für einen neuen Dialog zwischen Religion und Poesie.“ (Christoph Leisten, S. 202).