Feuerwerk des Geistes, Rezension Joachim Leberecht, Herzogenrath 2020

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Simon Strauß, Römische Tage, Tropen by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart 2019, gebunden, 142 Seiten, ISBN 978-3-608-50436-1, Preis: 18,00 Euro

Link: https://www.klett-cotta.de/buch/Gegenwartsliteratur/Roemische_Tage/106747

Eindruck

Simon Strauß findet in den römischen Tagen seinen Ton. Ich bin begeistert. Ein junger Romantiker, der das Schöne und Morbide liebt, das Vergangene im Gegenwärtigen erlebt, die Steine sprechen lässt über Profanes und Heiliges und der die radikale Frage nach dem Tod in’s Zentrum stellt.

Seine Sprache fließt wie der Tiber, tritt über die Ufer und löscht Sehnsucht. Ein Buch für laue Sommerabende.

Reisetagebuch

„Römische Tage“ sind wie ein Reisetagebuch aufgebaut. Es beginnt mit der Anreise und endet mit der Abreise. Zu Beginn wird auf Goethe Bezug genommen, zum Schluss Wittgenstein zitiert (142): „Unser Leben ist wie ein Traum. In den besseren Stunden erwachen wir so weit von ihm, dass wir entdecken, dass wir träumen.“ Einzelne Tage, Stunden, Besuche und Begegnungen beginnen mit der Wahrnehmung und gehen oft ohne erkennbare Absätze in Phantasie über. Der namenlose Protagonist trifft seine Italienischlehrerin zum ersten Mal und stellt sich vor, wie es wohl wäre, wenn er diese Frau heiraten und in die Vorstadt Roms ziehen würde: „Sie ist so alt wie ich. … Ich ziehe zu ihr. Abends sitzen wir in ihrem Zimmer auf dem Bett und werfen mit Kissen, während unten vor den schlafenden Großeltern der Fernseher läuft.“ (14) Dieses Abgleiten in die Phantasie schafft eine Schwebe, verwirrt mehr als einmal und ist nichts anderes als eine Annäherung, wie menschliche Wahrnehmung der äußeren Welt, die Gefühle und Gedanken auslöst, funktioniert. Sie ist nicht linear, hat Sprünge und gebiert ihre eigenen Welten. Wer sich auf diesen Stil einlässt, wird nach Eingewöhnung beschenkt, das heißt, er oder sie erkennt sich selbst darin.

Romantik

Der Protagonist besucht den protestantischen Friedhof, auch das Grab des romantischen Dichters John Keats, der gesagt hat: „Erfahrung bedeutet Wahrheit.“ Bei Simon Strauß heißt es ähnlich: „Reine Kenntnis interessiert nicht mehr, das Kennenlernen ist viel wichtiger“ (127).

Nie war der einzelne Mensch durch sein Handy mit dem Wissen der Welt vernetzt wie heute, doch führt dieses Wissen nicht zur Erfahrung. Strauß lässt seinen Protagonisten in Rom Erfahrungen machen, ob er eine alte Kirche besucht oder den Friedhof, sich mit einem Kardinal trifft oder ein Flüchtlingslager besucht. Personen und Objekte sprechen zu ihm und mit ihnen die unendliche und offene Geschichte Roms. Die Steine sind die eigentlichen „Großarchivare“ dieser Stadt. „Wenn die Mauern sich rufen könnten, warum schweigen sie uns dann an? Die Wahrheit ist: Wir verstehen nicht einmal die Hälfte von dem, was um uns herum geschieht.“ (68/69)

Es ist die „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“ (13), die den Ich-Erzähler umtreibt. Das alles und viel mehr löst Rom aus. Da kann das Herz schon aus dem Rhythmus geraten und schmerzen. Die Herzerkrankung des Protagonisten ist eine Metapher für die ungestillte Sehnsucht des modernen Menschen, der sich trotz allem aufgeklärten Wissen immer wieder fragt: Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Wo gehöre ich hin? „Römische Tage“ setzen der gegenwärtigen Welt und ihren meist auf Technik beschränkten Zukunftsentwürfen die Welt des Geistes und des Gefühls gegenüber. Der Ich-Erzähler träumt von einer Wiedergeburt Europas, das krank darniederliegt: „Und dann nenne ich Europa noch ein Sanatorium für betrogene Herzen. Seelenreinigung stünde über ihrem Tor. Wiederverzauberung am Klingelschild.“ (100/101)

Religion

Auffällig in „Römische Tage“ sind die vielen Bezüge zu Religion und Glaube. Religion und Glaube werden nicht historisiert, sondern als gestalterische Kraft wahrgenommen, ja teilweise beschworen: „Vielleicht kann am Ende wirklich nur die Religion es mit dem Markt aufnehmen.“ (63)

Viele Kritikerinnen und Kritiker irritiert das. Dass gelebte Religion durch Migration wieder nach Europa kommt, verunsichert. „Vielleicht haben manche nur deshalb Angst vor denen, die kommen, weil sie sich Eigenschaften bewahrt haben, die ihnen selbst lange verloren gegangen sind. Denn << von früher her>> heißt für sie nicht << für heute gestorben>>.“(63)

Religion und Glaube sind das einzig übrig gebliebene Tabu im öffentlichen und privaten Diskurs. Strauß bricht es, und es macht ihm sichtlich Spaß, den „Gebildeten unter ihren Verächtern“ (Schleiermacher, 1799) die Schönheit und Wahrheit des Glaubens unter die Nase zu reiben. Hatte einst der Protagonist bei einem Lagerfeuer auf einer Party bei Delmenhorst noch ganz und gar dem Glauben abgeschworen: „Nein, ich glaube nicht. An nichts und niemanden. Ich bin kein Gläubiger. Ich gehe nicht in die Kirche“ (112), hält er nun zumindest die Möglichkeit des Glaubens offen: „Was ist Glaube? Was ist Furcht? Wohin laufen, wovor fliehen? Älter werden, weitermachen. Wände streichen, Kinder kriegen, Tannen pflanzen, Lichter löschen. …  Am Fenster stehen und sich erinnern. Den Baum anschauen. Die Liebe leben. Nicht zu spät kommen. Zweifeln. Hoffen. Träumen. Und dabei denken: Vielleicht ist es wahr.“ (118)

Liebe

Lässt die Verliebtheit in eine Stadt noch andere Lieben zu? Nicht wirklich, und doch erinnert der Erzähler an zahlreiche Liebesgeschichten und Legenden, beschreibt Lust mit Todesfolge oder ein kopulierendes Paar im Forum Romanum. Die Liebe ist zart und flüchtig, mächtig und zu Opfern bereit. Sie schlängelt sich wie ein ruhiger oder anschwellender Fluss – hier der Tiber – durchs Leben.

Immer wieder trifft der Ich-Erzähler auf eine Römerin, mit der er Stunden und halbe Tage verbringt, die er erobern will und die sich ihm entzieht. Wie ein kühlender Wind in der Hitze der Stadt, wie ein Versprechen auf mehr sind die Begegnungen. Zuneigung und Zurückweisung halten sich die Waage, Ernst und Spiel führen einen kleinen Tanz auf. Mehr nicht.

 

Religion im Gedicht, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2018

Zu: Das Gedicht, hrsg. Von Anton G. Leitner und José F. A. Oliver, #25, Jubiläumsausgabe, Ein Vierteljahrhundert Das Gedicht, Religion im Gedicht, Anton Leitner Verlag, Weßling bei München 2017, 224 Seiten einschließlich Werbung, ISBN 978-3-929433-82-1, auch als e-Book erhältlich, Preis: 14,00 Euro

Es ist interessant und wichtig, dass die Religion zunächst formal gesehen einen so hohen Stellenwert hat, dass die Jubiläumsausgabe von „Das Gedicht“ diesem Thema gewidmet ist.

Die fortlaufende Lektüre hat mich allerdings wenig inspiriert. Es scheint, als müsse sich ein Lyriker, eine Lyrikerin an Religion abarbeiten.

Die Gedichte im Hauptteil sind offenbar in erster Linie dem Abschied von der Religion gewidmet, der doch in einer säkularen Gesellschaft längst erledigt sein müsste. Die Religion, so gewinnt man den Eindruck, hat hier beinahe die Funktion eines Schützenfestadlers, der alljährlich wieder aufsteht, um von den Schützen regelrecht zerlegt zu werden. „Religion im Gedicht, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2018“ weiterlesen

Osterpredigt über 1. Korinther 15, 1-11, Christoph Fleischer, Welver

  1. Korinther 15, 1-11 (http://www.bibel-in-gerechter-sprache.de)

 

(Die Predigt wird am Ostersonntag in Günne und Meiningsen gehalten.)

Ich erinnere euch, Geschwister, an die frohe Botschaft, die ich euch brachte, die ihr auch angenommen habt und mit der ihr auch auf festem Boden steht.

Durch sie seid ihr auch befreit worden, wenn ihr sie festhaltet in dem Geist, in dem ich sie euch verkündete; ohne diese Botschaft höhlt ihr euer Vertrauen aus. Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was auch ich empfangen habe:

Der Messias ist für unsere Sünden gestorben, wie es die Schrift schon sagt. Er wurde begraben und am dritten Tag aufgeweckt nach der Schrift. Von Kephas und dann den Zwölf wurde er als Lebendiger gesehen. Danach erschien er mehr als 500 Geschwistern auf einmal, von denen die meisten heute noch leben, nur einige sind schon tot. Und er erschien danach noch Jakobus und allen Apostelinnen und Aposteln. Als Letztem erschien er auch mir als einer Nachgeburt.

Denn ich bin der Geringste in der apostolischen Gemeinschaft und nicht wert, Apostel zu heißen, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe. Durch Gottes Freundlichkeit bin ich geworden, was ich jetzt bin, und Gottes Freundlichkeit zu mir ist nicht enttäuscht worden. Ich habe nämlich mehr als alle anderen geschuftet – nicht aus angeborener Kraft, sondern weil Gottes Freundlichkeit mich begleitet hat. Doch gleich, ob die anderen oder ich: So haben wir verkündigt, und so habt ihr geglaubt.

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Liebe Gemeinde,

das Osterfest hat es mit einem Begräbnis zu tun. Jesus ist am Kreuz gestorben und im Grab des Ratsherrn Josef von Arimathäa beigesetzt worden. Das Grab wurde bewacht. Doch die Wachen waren in die Flucht geschlagen worden. Am frühen Morgen des 3. Tages, also nach weniger als 36 Stunden, war das Grab leer, als drei Frauen den Leichnam einmal einbalsamieren wollten. Jesus hat sich dem Begräbniskult verweigert. Der Leichnam schlicht verschwunden. Es hieß, dass Jesus auferstanden sei. Was mit dem Leichnam passiert ist, interessiert von da an niemanden mehr, denn Jesus begegnet den Jüngerinnen und Jüngern persönlich. Dass es sich dabei um Erscheinungen also um Visionen handelt, daraus macht die Bibel kein Hehl. Aber es sind sehr realistisch wirkende Erscheinungen, da Jesus zum Teil mehreren Aposteln gleichzeitig begegnet. Die Zeit der Erscheinungen Jesu ist 40 Tage nach Ostern allerdings auch wieder vorbei. Jesus wird, wie es heißt, in den Himmel aufgenommen. Die Gegenwart des Auferstandenen ist von nun an das Bekenntnis zu ihm. „Osterpredigt über 1. Korinther 15, 1-11, Christoph Fleischer, Welver“ weiterlesen