Geist & Leib, Predigt Römer 12,1-8, Joachim Leberecht, Herzogenrath 2021

1. Sonntag nach Epiphanias 2021

Geist & Leib

Bibeltext aus der Lutherbibel 2017:

12 Ich ermahne euch nun, Brüder und Schwestern, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr euren Leib hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. 2Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.

3Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass niemand mehr von sich halte, als sich’s gebührt, sondern dass er maßvoll von sich halte, wie Gott einem jeden zugeteilt hat das Maß des Glaubens. 4Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, 5so sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des andern Glied. 

6Wir haben mancherlei Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist. Hat jemand prophetische Rede, so übe er sie dem Glauben gemäß. 7Hat jemand ein Amt, so versehe er dies Amt. Ist jemand Lehrer, so lehre er.

8Hat jemand die Gabe, zu ermahnen und zu trösten, so ermahne und tröste er.  Wer gibt, gebe mit lauterem Sinn. Wer leitet, tue es mit Eifer. Wer Barmherzigkeit übt, tue es mit Freude.

Liebe Gemeinde,

wir haben einen Leib, wir sind leibhaftig. Mit unseren Sinnen nehmen wir die Welt um uns herum wahr. Mit unseren Händen begreifen wir die Welt und nehmen Kontakt mit Dingen, vor allem aber auch mit Menschen auf. Wir können mit unseren Händen trösten, dort wo wir mit den Augen erkennen, dass jemand Trost braucht. Dazu braucht es auch den Geist, sozusagen einen anderen „Sinn“, dessen Funktion darin besteht, über die Welt und auch über sich selbst nachzudenken. Der Geist nimmt nicht nur die Außenwelt „sinnlich“ wahr, sondern richtet sich auch nach innen, löst Gefühle der Freude, der Trauer und des Mitgefühls aus. Das Zusammenspiel zwischen Körper und Geist ist hochkomplex und an sich schon ein atemberaubendes Wunder.

Liebe Gemeinde,

das Wunder von Weihnachten ist, dass Gott (Geist) sich einen Körper gegeben hat. Gott hat sich ganz bewusst in einen begrenzten, endlichen Körper hineingegeben. Diese Erscheinung Gottes feiern wir in der Epiphaniaszeit, der kirchlichen Festzeit nach der Geburt Jesu. In Jesus wurde Gott Leib mit Geist und Seele.

Nach Jesu Tod und seiner Auferstehung können wir mit dem erhöhten Christus Gemeinschaft haben im Geist. Leibhaftig wird diese Gemeinschaft im Glauben erfahren, wenn wir Christi Leib in Brot und Wein empfangen. Im Abendmahl ist Christus leibhaftig durch Wort und Geist in Brot und Wein gegenwärtig. Die versammelte Gemeinde bildet dann den Leib Christi. Das ist ein Geheimnis, da es nicht offensichtlich ist, dass wir, die wir heute hier in der Markuskirche zusammen sind und Abendmahl feiern der Leib Christi sind. Das alles will im Glauben erfasst und wahrgenommen werden. Es ist eine Wirklichkeit, die über die sinnliche Wahrnehmung hinausgeht, auch wenn wir Brot und Wein schmecken. Es ist doch der Geist der die Verbindung zu Gott herstellt. Unser Geist ermöglicht uns von innen her dieses Geschehen zu deuten, zu verknüpfen, ja, zu glauben. Gottes Geist schenkt uns die Erkenntnis, dass wir Teil des Leibes Christi sind. Der Geist Gottes verbindet uns mit Gott und untereinander.

Liebe Gemeinde,

wir haben uns im letzten Jahr voneinander entfremdet. Wir sind voneinander abgerückt. Unsere Hände berühren einander nicht mehr. Das ist ein ungeheuerlicher Verlust für uns Menschen. Der andere Körper wird für uns zur Gefahrenquelle. Die Gesichter erkennen wir nicht mehr deutlich und können sie nicht mehr deuten. Das alles hat etwas Autistisches an sich.

Kennen Sie das nicht auch, dass Sie sich im Supermarkt bedrängt fühlen, weil Ihnen jemand zu nahe kommt?  Schnell treten wir dann einen Schritt zurück. Wer hat noch nicht die Schelte bekommen, dass der Abstand nicht eingehalten wurde, die Maske nicht richtig sitzt, zu viele Menschen in einem Raum sind? Wer kennt das Schuldgefühl nicht, wenn man vor Schreck feststellt, ich habe meine Maske gar nicht auf, wo ist sie nur? Ach, jetzt muss ich sie sogar schon auf dem Parkplatz vor dem Geschäft tragen! Und nach dem Einkaufen erst einmal Händewaschen, den ganzen „Kontaktdreck“ abwaschen, wie ein religiöses Reinigungsritual fühlt sich das fast an. Überall sehen wir nur noch Gefahren und rücken voneinander ab. Als größte Schuld empfinden wir es, wenn wir jemanden anstecken würden. Das wäre schrecklich, besonders dann, wenn der Angesteckte einen schweren Krankheitsverlauf haben sollte.

Wir umarmen nicht mehr unsere Freundinnen und Freunde, weil wir nicht wollen, dass diese vielleicht ihre Eltern anstecken könnten. Sehr viele Menschen haben auch Angst, sich selbst anzustecken. Sie vermeiden fast jede Begegnung, ziehen sich zurück. Es gibt kaum noch Berührungen! Was macht das mit uns, frage ich mich. Was macht das mit Kindern und Jugendlichen, wenn sie dauernd ermahnt werden, sich nicht zu treffen, sich nicht zu berühren und möglichst Abstand zu halten? Was macht das mit Erwachsenen, was macht das besonders mit den Singles, was macht das mit alten Menschen in der Gesellschaft?

Es entfremdet uns voneinander. Es macht einsam. Es trennt uns von Lebensenergie. Es frustriert uns. Wie unter einer Glasglocke leben wir getrennt voneinander, und nur über Bildschirme schauen wir uns an.

Wir sind leibhaftige Wesen, und wenn wir uns nicht leibhaftig begegnen, verkümmern wir. Es ist wie mit den Muskeln. Wer lange krankheitsbedingt im Bett liegt, baut Muskeln ab. Wir entfremden uns Stück für Stück, wir entwöhnen uns voneinander.

 

 

Liebe Gemeinde,

wie wirkt sich das alles auf uns als Leib Christi aus? Die Entfremdung schmerzt, und auch wir als Gemeinschaft von Menschen, die der Geist im Glauben verbindet, leiden darunter. Es schmerzt, dass Gemeindeglieder, die gern leibhaftig am Gottesdienst teilnehmen, seit Wochen und Monaten nicht kommen, da sie sich und andere schützen wollen. Es schmerzt, dass wir nicht singen dürfen. Es schmerzt, dass wir einander nicht sehen und berühren können. Es schmerzt, dass die Chöre nicht üben können, dass Gruppen und Kreise sich nicht treffen können.

Gleichzeitig sehen und spüren wir, dass der Leib Christi sich weiterhin zu Gottesdienst und Abendmahl versammelt, dass wir zu Lob, Bitte und Klage auch stellvertretend für die, die nicht kommen, zusammenfinden und das Gebet vor Ort aufrecht erhalten. Wir wissen, der Leib Christi besteht nicht nur aus denen, die heute hier sind. Auch wenn die Gemeinschaft im Glauben intensiv im gemeinsamen Gebet vor Ort erfahren wird, ist sie nicht daran gebunden. Auch das ist ein Trost und eine Wahrheit, die uns bei aller sozialen Entfremdung und Isolation eine wirkliche Hoffnung ist.

Dass wir im Glauben einen Körper bilden, der mit Christus verbunden ist, schenkt uns die Möglichkeit, von der Energie des lebendigen Christus her zu leben, uns ermahnen zu lassen, uns trösten zu lassen, uns erneuern zu lassen wie jeder Körper Erneuerung braucht.

Auch wenn wir einen gemeinsamen Körper im Glauben bilden und Christus unsere Identität ist, der neue Mensch aus Gott geboren, sind wir doch alle Individuen. Nicht Uniformität zeichnet den Leib Christi aus, sondern, dass wir Schwestern und Brüder sind.

Da wir aber Schwestern und Brüder sind, leiden wir mit den Leidenden in der Welt und hoffen auf die Überwindung des Leidens – in diesem Jahr konkret auf die Überwindung der Pandemie, auf das Ende der Entfremdung, die uns alle bedrückt und verunsichert. Im Leib und im Glauben haben wir Anteil an Christi Leiden und Auferstehen. Das ist unser vernunftgemäßer Gottesdienst.

 

 

Die Wurzeln des Rassismus oder ein falscher Humor, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2021,

Zu:

Jonas Jonasson: Der Massai, der in Schweden noch eine Rechnung offen hatte, aus dem Schwedischen von Astrid Arz, C.Bertelsmann, München 2020, gebunden, 399 Seiten, ISBN 978-3-570-10410-1 (print), Preis: 22,00 Euro

Link: https://www.randomhouse.de/Buch/Der-Massai-der-in-Schweden-noch-eine-Rechnung-offen-hatte/Jonas-Jonasson/C-Bertelsmann/e566034.rhd

 

Ich möchte es kurz machen und feststellen, dass ich von diesem Buch enttäuscht bin. Die erste und bislang einzige Stelle, an der ich schallend gelacht habe, war ungefähr auf Seite 120. Das kenne ich von Jonas Jonasson anders.

Wahrscheinlich liegt es einfach daran, dass ich das Klischee vom Wilden/Afrikaner, der etwa bei einer Reise mit der westlichen Zivilisation in Kontakt kommt, und sich dabei etwas schräg verhält, einfach nicht mehr witzig finde. Literarisch ist es überdies abgegriffen.

Die Reise des Massai Ole Mbatian (was für ein Vorname!) nach Schweden ist voller Skurrilitäten, die immer auf dem gleichen Muster beruhen: Der Massai weiß nicht, wo Schweden ist, er weiß nicht, was ein Pass ist und wozu man ein Visum braucht, er weiß nicht, wozu man Bargeld benötigt (er selbst rechnet in Kühen oder Ziegen) und er weiß erst recht nicht, wie man sich beim Betreten einer Rolltreppe verhält. Er ist Medizinmann in einem afrikanischen Dorf unweit einer Savanne, in der es auch Löwen gibt.

Der Erzählfaden des Buches, der in Schweden spielt, ist schon plausibler, aber auch eher verrückt als witzig. Dein einzige Motiv, das mir gefällt, ist die Geschichte von Irma Stern, einer inzwischen völlig unbekannten Malerin, die in Südafrika als Kind jüdischer Einwanderer gelebt und gearbeitet hat. Zu Irma Stern hat Jonas Jonasson auch ein Sachbuch veröffentlicht, wozu eine Anzeige auf der letzten Buchseite abgedruckt ist.

Da die Geschichte einiger Bilder von Irma Stern in diesem fiktiven „humorvollen“ Roman auftaucht, ist ihr vermutlich damit gar nicht recht gedient.

Ich habe nichts dagegen, dass Jonas Jonasson mit Elementen der Globalisierung spielt und einzelne Erzählfiguren in Gestalt von Situationskomik konfrontiert. Aber die Elemente des Rassismus spielerisch zu reproduzieren, geht so nicht.