Das voraussichtliche Ende der Menschheit, Rezension von Christoph Fleischer und Markus Chmielorz, Welver und Dortmund 2016

Zu: Peter Sloterdijk: Was geschah im 20. Jahrhundert? Suhrkamp Verlag Berlin 2016, ISBN 978-3-518-42507-7. Preis: 26,95 Euro

Sloterdijk 20.JH

Beim Medienstar der Philosophie Peter Sloterdijk (geb. 1947) ist das Denken immer (auch) Reflexion der Gegenwart. Der bald nach dem zweiten Weltkrieg geborene Zeitzeuge hat in seinen Vorträgen von 2005 bis 2013 versucht, historische Linien im 20. Jahrhundert zu sehen, zu beschreiben und freizulegen.

Ist es das von nun an absehbare Ende der Menschheit, so dass im Rückblick vom „Anthropozän“ die Rede wäre (doch wer sollte zurückblicken?). Damit wäre nun allerdings zugleich das Ende der Geschichte festgestellt, was allerdings zu keinem Zeitpunkt des 20. Jahrhunderts vorgezogen werden konnte. Keine Frage ist, dass die Vorträge auch die Sachgebiete der Globalisierung und der Klimakatastrophe berühren. Was allerdings noch mehr interessiert ist, was denn von daher zum Denken zu sagen wäre.

In zwölf Kapiteln wendet sich Sloterdijk zurück, um quasi durch die Brillen bedeutender Denker eine Antwort auf seine Frage „Was geschah im 20. Jahrhundert?“ zu geben. Dabei ist er sich seines Standpunktes, den er in der europäischen Moderne verortet so bewusst, dass er ihn auch einer notwendigen Reflexion unterziehen kann. Den Einstieg bildet ein, so könnte man sagen, in moderner Tradition begründeter enzyklopädischer Zugang zum Anthropozän, der nun wiederum mit einer nächsten Frage verbunden wird; „Ein Prozeß-Zustand am Rande der Erd-Geschichte?“, so der Untertitel des Kapitels. Es folgen Kapitel zur Zivilisation und den Kulturen, zur „Allgemeinen Ökologie“, zu philosophischen Aspekten der Globalisierung, zur „Kritik der extremistischen Vernunft“, zu Derrida, zur „Philosophie der Raumstation“, zur italienischen Novelle, zu Heidegger, zur „Philosophie aus dem Geist des Reise-Stress“ zum Grundgesetz und schließlich zur „Vernunft der List“. Was auf den ersten Blick aussieht, wie das Nebeneinanderstellen des Unverbundenen, bekommt seinen Sinn dadurch, dass es Sloterdijk gelingt, gleich auf mehreren Beobachtungsebenen „Klammern“ anzugeben, so dass aus den einzelnen Fäden ein ganzer Stoff entsteht: Er stellt hier ebenso die (moderne) Frage danach, was zu tun sein, wie er gegenüber der Philosophie eine Einladung erteilt, selbstreferentieller und selbstreflexiver zu arbeiten.

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Festrede der Absolventenfeier vom Fachbereich Oecotrophologie in der FH Münster am 23. 10.2015 von Prof. Gardemann

(Mediziner und Professor für Ernährungsmedizin, Dr. Joachim Gardemann ist in der vergangenen Wochen mit dem Ehrenpreis des Roten Kreuzes ausgezeichnet worden und Mitglied bei Ärzte ohne Grenzen)

Sehr geehrte Absolventinnen und Absolventen, sehr geehrte Eltern und Angehörige, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Heute möchte ich zu Ihnen über Menschlichkeit und Verantwortung sprechen.

Das sind sicherlich große Worte, aber die darf man im Zusammenhang mit humanitären Katastrophen getrost verwenden, vielleicht auch im Zusammenhang mit einem erfolgreichen Studienabschluss und mit dem Eintritt in ein berufliches Leben voller Verantwortung für Mitmenschen.

Nicht nur für Sie, sondern auch für mich persönlich ist dieser heutige Abend eine ganz besondere und bewegende Situation, es ist ja sozusagen der zweite Anlauf zu diesem Vortrag. Vor genau einem Jahr war ich nämlich schon an dieser Stelle vorgesehen. Dann bin ich aber der Fachhochschule ganz plötzlich abhandengekommen, weil das Rote Kreuz wieder einmal dringend einen ärztlichen Leiter suchte, diesmal für die Ebola-Station in Kenema in Sierra Leone.

Wie immer habe ich sofort abends noch die Präsidentin unserer Fachhochschule zu Hause angerufen, um meine Beurlaubung zu beantragen. Sie kennt das schon von mir. Rektorat und später das Präsidium und auch Kollegen und Studierende haben seit 20 Jahren immer meine Auslandstätigkeit als Kinderarzt für das Rote Kreuz unterstützt und ermöglicht, wofür ich allen sehr dankbar bin. Als ich aber dann plötzlich Frau von Lojewski über die Anfrage für Westafrika informierte, da zögerte sie zum ersten Mal in all den Jahren.  „Festrede der Absolventenfeier vom Fachbereich Oecotrophologie in der FH Münster am 23. 10.2015 von Prof. Gardemann“ weiterlesen

Bedenken gegen Heidegger, Rezension von Markus Chmielorz, Dortmund und Christoph Fleischer, Welver 2015

Zu: Peter Trawny und Andrew J. Mitchell (Hg.): Heidegger, die Juden, noch einmal, Heidegger Forum 11, Vittorio Klostermann Verlag, Frankfurt/M. 2015, ISBN 978-3-465-04245-7, 256 Seiten, Preis 24,80 Euro

Vorbemerkung

Diese gemeinsame Rezension folgt dem Inhaltsverzeichnis dieses Buches. Die in Französisch abgedruckten Texte von Françoise und Danielle Cohen Lévinas bleiben unbearbeitet.

Heidegger, die Juden 9783465042457Der Band referiert bis auf eine Ausnahme die Vorträge der ersten internationalen Tagung des Martin-Heidegger-Instituts Wuppertal vom 30.10. bis 1.11. 2014. Das Thema der Tagung „Heidegger und die Juden“ erinnerte an den gleichnamigen Text von Jean-François Lyotard „Heidegger et, les juifs“ (1988). Diese gemeinsame Rezension folgt eher einem weltanschaulichen wie politischen Interesse, als dem Wunsch, einer Expertenmeinung eine weitere hinzuzufügen. Wir sind weniger an Heidegger als Person oder an seiner Philosophie interessiert, sondern an dem philosophischen, merkwürdig schamhaften und schweigsamen Umgang mit der Geschichte, die man mit den Stichworten Shoa, Auschwitz oder Holocaust verbindet. Zur weiteren Lektüre sei dazu das Sonderheft des Philosophiemagazins empfohlen (Philosophiemagazin, Sonderausgabe 03, Die Philosophen und der Nationalsozialismus, Hamburg 2015). Obwohl es in der Zeit zwischen 1945 und heute Gelegenheit gab, sich dazu zu äußern, z. B. nach dem ersten und weiteren Frankfurter Auschwitzprozessen ab 1963, gab erst ein Fernsehprojekt namens Holocaust Ende der siebziger Jahre den Anstoß dazu. Auch die sog. Wehrmachtsaustellung kam erst später. Der Philosoph Heidegger war in die Zeit des Nationalsozialismus persönlich involviert und steht somit beispielhaft für eine die Gesellschaft durchdringende Weltanschauung, die man sich heute kaum vorstellen kann. Allenfalls die Tatsache, dass nunmehr Heime von Asylsuchenden brennen anstelle Synagogen, kann man als ein Indiz einer solchen „metaphysischen“ Einstellung verstehen. Die Rezension referiert die Artikel überwiegend aus dem beschriebenen Lektüreinteresse heraus. Ein Fazit erübrigt sich daher. (C.F.)

„Das ‚Da-‚ des Daseins zeige nur an, dass ich den Platz eines anderen einnehme“, zitiert Klaus Englert in seinem Essay „Philosophie eines Überlebenden“ Emmanuel Lévinas‘ Antwort auf Martin Heidegger: über sechs Millionen ermordete Juden, 18 Millionen tote Zivilist_innen in der Sowjetunion, 500.000 ermordete Sinti und Roma, 15.000 in Konzentrationslagern inhaftierte Homosexuelle, deren Todesrate bei 60% lag. Völkermord und Vernichtung, ein „totaler Krieg“.

Philosophie, die Liebe zur Weisheit, sapere heißt schmecken, sapientia der Geschmack – es ist dies der bittere Geschmack des Totalitären: Das „1.000-jährige Reich“ als eine Metapher für das Ende der Geschichte, für eine perverse Eschatologie, für eine todbringende Apokalypse.

Heideggers „Schwarze Hefte“ also. Eine aktuelle Debatte, nicht zufällig 70 Jahre nach dem Ende der Schreckensherrschaft, die Grund genug ist für eine Selbstreflexion. Ein Anlass zu erhellen, worauf die Diskussion zielt und worauf sie gründet. Wie geht „postmetaphysisches Denken“, das sich so gerne auf Heidegger beruft? (M.C.)

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Predigt über 2. Korinther 3, 1-6, Christoph Fleischer, Welver 2014

Diese Predigt hielt ich am heutigen Sonntag, den 2.11.2014 in der Kirche Maria zur Höhe in Soest. Sie ist meiner Mutter gewidmet, die heute vor fünf Jahren gestorben ist.

  1. Korinther 3,(1-2)3-6(7-9)

 

1 Fange ich schon wieder an, mich selbst anzupreisen? Oder brauche ich vielleicht Empfehlungsschreiben an euch oder von euch, wie gewisse Leute sie nötig haben? 2 Ihr selbst seid mein Empfehlungsbrief! Er ist in mein Herz geschrieben und alle können ihn sehen und lesen.

3 Für alle ist sichtbar:

Ihr seid ein Brief von Christus, ausgefertigt und überbracht durch meinen Dienst als Apostel. Dieser Brief ist nicht mit Tinte geschrieben, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes.

Er steht nicht auf Steintafeln, sondern in den Herzen von Menschen.

4 So viel Selbstvertrauen habe ich vor Gott, weil Christus mich in seinen Dienst gestellt hat.

5 Ich meine nicht, dass ich einem solchen Auftrag aus eigener Kraft gewachsen bin und mir irgendetwas selbst zuschreiben kann.

Gott ist es, der mir die Fähigkeit dazu geschenkt hat.

6 Er hat mich fähig gemacht, ihm zu dienen durch die Bekanntmachung seines neuen Bundes. Dieser Bund unterscheidet sich dadurch von dem früheren Bund, dass Gott jetzt nicht ein geschriebenes Gesetz gibt, sondern seinen Geist.

Der Buchstabe des Gesetzes führt zum Tod; der Geist aber führt zum Leben.

 

Liebe Gemeinde!

(Ich zeige ein Schild und lasse dazu Assoziationen laut werden mit den Worten:)

Ihr seid ein Brief von Christus,Sync 25.10.2014 094147

nicht mit Tinte geschrieben,

sondern mit dem Geist

des lebendigen Gottes.

 

Das ist Vers 3 in Kurzform. Bei der Vorbereitung habe ich eine Beobachtung gemacht: Wenn ich diesen Spruch auf ein gelbes Schild schreibe, wie hier, dann stellt sich die Assoziation ein: Ortsschild. Wir sind ein Ort, an dem dies gilt: Brief Christi zu sein. Geschrieben mit dem Geist des lebendigen Gottes. Dieser Satz stellt die Kirche in all seinen Teilen dar, in allen Personen. Der Geist des lebendigen Gottes macht aus gewöhnlichen Menschen Botschafter Jesu Christi. Zu dem Inhalt gleich noch mehr. „Predigt über 2. Korinther 3, 1-6, Christoph Fleischer, Welver 2014“ weiterlesen

Predigtmeditation zu 2. Korinther 3, 1-6, Christoph Fleischer, Welver 2014

2. Korinther 3,(1-2)3-6

1Fange ich schon wieder an, mich selbst anzupreisen? Oder brauche ich vielleicht Empfehlungsschreiben an euch oder von euch, wie gewisse Leute sie nötig haben? 2Ihr selbst seid mein Empfehlungsbrief! Er ist in mein Herz geschrieben und alle können ihn sehen und lesen.
3Für alle ist sichtbar:
Ihr seid ein Brief von Christus, ausgefertigt und überbracht durch meinen Dienst als Apostel. Dieser Brief ist nicht mit Tinte geschrieben, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes.
Er steht nicht auf Steintafeln, sondern in den Herzen von Menschen.
4So viel Selbstvertrauen habe ich vor Gott, weil Christus mich in seinen Dienst gestellt hat.
5Ich meine nicht, dass ich einem solchen Auftrag aus eigener Kraft gewachsen bin und mir irgendetwas selbst zuschreiben kann.
Gott ist es, der mir die Fähigkeit dazu geschenkt hat.
6Er hat mich fähig gemacht, ihm zu dienen durch die Bekanntmachung seines neuen Bundes. Dieser Bund unterscheidet sich dadurch von dem früheren Bund, dass Gott jetzt nicht ein geschriebenes Gesetz gibt, sondern seinen Geist.
Der Buchstabe des Gesetzes führt zum Tod; der Geist aber führt zum Leben.

Einstieg:
Ich zeige ein Schild und lasse dazu Assoziationen laut werden mit den Worten:
Ihr seid ein Brief von Christus,
nicht mit Tinte geschrieben,
sondern mit dem Geist
des lebendigen Gottes.

Sync 25.10.2014 094147

Gedanken zum Predigttext:
Manfred Josuttis überschreibt seine Gebete und Gedanken zum 20. Sonntag mit dem Stichwort „Heiligung“. (M.J.: Erleuchte uns mit deinem Licht, Gedanken und Gebete…, Gütersloher Verlagshaus 2009, S. 219). „Predigtmeditation zu 2. Korinther 3, 1-6, Christoph Fleischer, Welver 2014“ weiterlesen