Predigt über Matthäus 13, 44-46 (rekonstruiert aus einer Aufnahme aus dem Jahr 2007, aktualisiert und verändert 2013). Gehalten wird diese Predigt am 9. Sonntag nach Trinitatis in Bad Sassendorf-Neuengeseke und in Möhnesee-Völlinghausen.
Matthäus 13, 44 – 46, Der versteckte Schatz und die Perle
44 »Die neue Welt Gottes ist mit einem Schatz zu vergleichen, der in einem Acker vergraben war: Ein Mensch fand ihn und deckte ihn schnell wieder zu. In seiner Freude verkaufte er alles, was er hatte, und kaufte dafür den Acker mit dem Schatz. 45 Wer die Einladung in Gottes neue Welt hört und ihr folgt, handelt wie der Kaufmann, der schöne Perlen suchte: 46 Als er eine entdeckte, die besonders wertvoll war, verkaufte er alles, was er hatte, und kaufte sie.«
Liebe Gemeinde!
Was bedeutet es, alles auf eine Karte zu setzen? Als ich über diese Frage nachdachte, fiel mir eigentlich ein sehr schönes Beispiel ein. Und zwar gibt es ja die Geschichte vom kleinen Prinzen. Ich weiß nicht, ob Sie die auch kennen. Die Geschichte handelt von einem kleinen Prinzen, der einem Piloten begegnet, der in der Wüste notlanden musste. Doch eigentlich kommt der kleine Prinz von einem anderen Planeten. Und auf diesem anderen Planeten, der nicht sehr viel größer ist, so dass eben der kleine Prinz und ein Schaf darauf leben können, so wird gesagt, gibt es eine Blume. Und als der Prinz nun auf der Erde war, begegnete ihm ein Fuchs. Und der Fuchs zeigt ihm die Schönheiten der Erde, so zum Beispiel ein paar Rosen. Und als der Prinz diese Rosen anschaute, dachte er irgendwie: „Schön sind die Blumen, aber irgendwie sagen die mir nichts.“ Und dazu lese ich jetzt einen kleinen Abschnitt aus dem Buch „Der kleine Prinz“ von Antoine des Saint-Exupery:
„Der Fuchs sagte: Geh die Rosen wieder anschauen! Du wirst begreifen, dass die Deine einzig ist in der Welt. Du wirst wiederkommen und mir Adieu sagen und ich werde dir ein Geheimnis schenken. Der kleine Prinz ging, die Rosen wiederzusehn. ‚Ihr gleicht meiner Rose gar nicht. Ihr seid noch nichts‘, sagte er zu ihnen. ‚Niemand hat sich euch vertraut gemacht. Und auch ihr habt euch niemandem vertraut gemacht. Ihr seid, wie mein Fuchs war. Der war nichts wie ein Fuchs, wie hunderttausend andere. Aber ich habe ihn zu meinem Freund gemacht, und jetzt ist er einzig in der Welt.‘ Und die Rosen waren sehr beschämt. ‚Ihr seid schön, aber ihr seid leer.‘, sagte er noch, ‚Man kann für euch nicht sterben. Gewiss, denn irgendwer, der vorübergeht könnte glauben, meine Rose ähnle euch. Aber in sich selbst ist sie wichtiger als ihr alle. Da sie es ist, die ich begossen habe. Da sie es ist, die ich unter den Glassturz gestellt habe. Da sie es ist, die ich mit dem Wandschirm geschützt habe. Da sie es ist, deren Raupen ich getötet habe, außer den zwei oder drei um der Schmetterlinge willen. Da sie es ist, die ich klagen oder sich rühmen gehört habe, manchmal auch schweigen. Da es meine Rose ist.'“(Antoine de Saint-Exupéry: Der Kleine Prinz, Karl Rauch Verlag, Düssedorf 1956, Neuauflage 1964, S. 52)
Ja und ich glaube, so ähnlich ergeht es auch den Menschen, von denen im Predigttext die Rede ist. Da findet ein landwirtschaftlicher Arbeiter auf einem Feld zufällig einen Schatz während der Arbeit. Das Feld gehört ihm nicht. Und er möchte diesen Schatz haben. Also versucht er, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um allein an diesen Schatz heranzukommen. Und das tut er dann auch. Er verkauft alles, was er hat, setzt alles auf eine Karte, und kauft diesen Acker, um damit an den Schatz zu kommen. Alles ist gleichgültig; nur dieser Schatz ist wichtig. Das gleiche wird in dem nächsten Beispiel nochmal erzählt. Und zwar ein Kaufmann, der eine Perle sieht, macht es dann eben ähnlich. Er setzt alles auf eine Karte, nur um diese eine Perle zu bekommen.
Das Gleichnis vom kleinen Prinzen hat uns vielleicht so ein bisschen deutlich gemacht, was im Grunde damit gemeint sein könnte. Ja, da gibt es eine einzige Rose, die ist wichtiger als alle anderen, obwohl sie den anderen äußerlich sogar ähnlich ist. Da ist also eine Sache in unserem Leben, die nimmt uns ganz in Beschlag, die ist völlig ausschließlich und die hat für uns die absolute Bedeutung. Und zwar für uns ganz persönlich. Jesus bezieht dieses Gleichnis nun auf den Glauben. Er fragt uns, welche Form von Glauben und welche Form von Religion für uns so wichtig ist, dass alle anderen Formen von Religion völlig nebensächlich werden. Es ist der Glaube an das Reich Gottes, an das Reich des Himmels, das unter uns lebendig ist. Gemeint ist die Verkündigung Jesu vom Reich des Himmels, von der Neuen Welt Gottes. An diese Verkündigung glauben wir und dazu bekennen wir uns auch im „Vater unser“.
Alles auf eine Karte setzen, und zwar im Bereich der (christlichen) Religion. Das bedeutet kein Hin und Her, kein Abwägen, kein Für und Wider, sondern es bedeutet, sofort zu wissen: Das ist es, ausschließlich das eine und nur dieses Eine ist wichtig.
Ich möchte genau darauf nun näher eingehen. Und dann werden wir sehen, was das mit unserem persönlichen Glauben und mit unserer persönlichen Religion zu tun hat. Zunächst versuche ich allgemeine Aussagen zu treffen. Zunächst ist festzustellen:
Es wird eine christliche Religion den Anspruch haben, dass der, der dieser Religion angehört, sich nicht wie ein Beobachter verhält, sondern sich voll und ganz zugehörig fühlt.
Zu dieser Zugehörigkeit gehört ein bestimmtes Profil. Und dieses Profil lässt sich auch näher beschreiben. Diese Beschreibung ist die Antwort auf die Frage danach, was Jesus selbst für dieses Profil bedeutet.
Die Zugehörigkeit zu einer Religion ist vielleicht zunächst auch erst mal zu vergleichen mit einer Gruppe, einem Verein, in denen Menschen sind, die eine Gruppe bilden, die sich zu einem bestimmten Zweck versammeln und organisieren. Da kann man doch auch sagen, dass dieser Zweck die Zusammensetzung der Gruppe bestimmt. Auf die Religion bezogen bedeutet das, dass es eine bestimmte Grundeinstellung gibt innerhalb dessen, wozu diese Religion da ist und womit und wie diese Religion funktioniert. Jesus spricht von Gottes neuer Welt. Das bedeutet die Wahrnehmung der Wirklichkeit Gottes in unserem gesamten Leben. Gott ist, so könnte man sagen, in jedem Grashalm und in jedem Atemzug. Gott begegnet uns. Alles, was geschieht, ist nicht zufällig. Es muss und kann uns nicht egal sein, sondern es ist in irgendeiner Gestalt, ob es uns nun negativ oder positiv betrifft, eine Gestalt Gottes. Und in Gottes neuer Welt wird dann auch das, was Gott ausmacht, spürbar sein. Es wird die Liebe zu den Menschen und die Liebe zur Schöpfung, die das Wesen Gottes von Anfang an bestimmt, wahrzunehmen sein.
Jesus beschreibt also mit einem Gleichnis von einem Schatz und einer Perle die Tatsache, dass Menschen aufgefordert sind, sich zu entscheiden. Es kommt schlicht und ergreifend auf die Tatsache an, dass wir uns dafür entscheiden, die Gegenwart Gottes in unserem Leben wahrzunehmen. Dieses ist ein geistliches, spirituelles Verständnis des Lebens, das nicht nur für uns als Einzelne gilt, sondern auch für die Kirche. Das erste Argument war also einfach, dass von einer äußeren Gestalt einer Gruppe her klar ist, dass sie sich ein Profil geben wird. Wenn es einen Menschen gibt, der sich für eine bestimmte Religion entscheidet, dann könnte man sich doch vorstellen, dass sich dieser Mensch auch in bestimmter Hinsicht verhält. Er muss sich einfach entscheiden, ob er ein Beobachter oder ob er ein Mitwirkender sein möchte. Ich glaube: In unserer christlichen Religion gibt es keine Beobachter-Position. Jeder und jede ist in irgendeiner Weise zum Christen, zur Christin also zur Mitwirkung am Glauben berufen.
Entscheidung für den Glauben bedeutet, den Zweifel nicht immer zu überwinden, aber doch wenigsten nicht so wichtig zu nehmen, es bedeutet so also der Sorge um das eigene Heil weniger Bedeutung zu geben. Glaube ist kein Egoismus, sondern ein Leben für andere. Es ist doch widersinnig, dass die Menschen heute mit dem Begriff „christlich“ im Grunde nichts mehr anfangen können. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als dann, wenn wir von Kirche reden wollen, dies auch konkret deutlich zu machen. Gemeinde kann doch kein Selbstzweck sein, einfach nur, weil es eine Kirche gibt, weil es ein Gemeindehaus gibt, weil es eine Institution gibt. Nein, eine christliche Gemeinde muss von Grund auf immer wieder das Wort Jesu in den Mittelpunkt stellen. Jesus beruft uns ja auch gerade zu diesem Glauben. Er zeigt uns, wovon unser Leben abhängt, wenn wir auf die Gegenwart Gottes vertrauen.
Alles auf eine Karte zu setzen, das heißt: sich nun auch für Jesus Christus in dieser Welt einzusetzen. Darauf zu vertrauen, dass er sich durch sein Wort und die Handlungen, die sich an ihm orientieren, auch weiter durchsetzt und verbreitet. Menschen, die sich christlich nennen, müssen einfach eine konkrete Vorstellung davon haben, in welchem Bezug sie zu Jesus stehen, und dann werden sie diesen Bezug auch in ihrem Leben ausdrücken.
Wir haben zwei Gleichnisse gehört von einem Schatz und einer wertvollen Perle. Wir sind berufen, weil Gott uns zu Kindern und Erben erklärt hat. Das heißt: Wir können von Gottes neuer Welt reden, weil uns die Zugehörigkeit dazu versprochen worden ist. Unser Leben geschieht in der Gegenwart Gottes und das können wir, wenn wir darauf achten, auch an jeder Stelle wahrnehmen. Das Evangelium reißt uns heraus aus der Sorge unseres Alltags. Das heißt nicht, dass sie verschwindet, aber, es zeigt uns die Wahrheit unseres Lebens.
Die Worte des ersten Gleichnisses kommen in einer anderen Geschichte Jesu ähnlich vor. Hier heißt es: „In seiner Freude verkaufte er alles, was er hatte.“ Dort sagt es Jesus dem reichen Jüngling:„Verkaufe alles, was du hast“. Das Gleichnis ist also eine deutliche Parallele zu Jesu Wunsch der Nachfolge. Um den Schatz zu erwerben, muss sich der Ackerbauer erst einmal von allem trennen, was er hat. Von welchem Schatz ist also wirklich bei Jesus die Rede?
Ein anderer Aspekt führt im Grunde zur gleichen Frage. Auffällig ist hier das Geld. Beiden Gleichnissen gemein ist, dass die Finder etwas zu Geld machen, um etwas anderes, wertvolleres zu kaufen. Sie machen also, für sich gesehen, Gewinn. Dieser Gewinn ist natürlich spirituell gemeint. Wie kommen wir an das, was für uns eigentlich viel wichtiger ist als die äußeren Umstände unseres Lebens? Dieses „eigentlich“ rückt doch irgendwie in den Vordergrund. Dazu denke ich wieder an einen Vergleich mit einem anderen Wort Jesu. Jesu sagt an anderer Stelle, es gehe nicht darum, auf der Erde Schätze zu sammeln, die verderben, sondern einen unverderblichen Schatz im Himmel zu erwerben. Steckt das nicht auch alles in diesen beiden Gleichnissen?
Die Frage, zu der uns diese Gleichnisse zuletzt führen lautet also: Was ist für mich, für jede und jeden von uns ein spiritueller Gewinn? Wenn man einen Sinn in etwas entdeckt, setzt man manchmal alles auf eine Karte. „In seiner Freude verkaufte er alles, was er hatte… “ Er ist „beflügelt“, inspiriert, er engagiert sich, er beginnt neu. Der „unverderblichen Schatz“ ist ein sinn-voller Schatz. Heute würde man in aller Alltäglichkeit wohl „wirklich“ sagen: wirklich wichtig. Was wirklich wichtig für uns ist, wird uns geschenkt, aber wir müssen es uns gleichzeitig auch „erwerben“.
Es ist im Grunde gar nicht von unserer Leistung abhängig, es wird uns geschenkt, in den Schoß gelegt. Und doch bringt uns die Gegenwart Gottes eben dann dazu, alles auf eine Karte zu setzen. Die Folge ist, dass wir nicht mehr mit richtigen Zahlen rechnen, auch wenn es ein Gewinn ist. Es ist ein spiritueller Gewinn, der uns viel wichtiger ist, als alles, was wir verdienen können können. Wir bleiben am Ball, wenn wir die lebendige Gegenwart Gottes gefunden haben. Insofern hängt es auch von uns ab, von unserer Entscheidung. Wir finden den Sinn unseres Lebens und entscheiden uns dann auch dafür.
Amen.