Entscheide dich! Rezension, Christoph Fleischer, Welver 2019

zum PhilosophieMagazin Nr. 2/2019 Februar/März, Philomagazin Verlag, Berlin 2019, 98 Seiten, Preis am Kiosk: 6,90 Euro

Ich möchte aus dem umfangreichen Textangebot des Magazins (Übersicht: www.philomag.de) nur die Artikel heraussuchen zum Titelthema: „Dumm gelaufen. Wie treffe ich eine gute Entscheidung?“ aus das auch der Umschlag hinweist (siehe Bild).

Die Einleitung des Dossiers gibt Nils Markwardt. Im Entscheidungsprozess sind Intuition und Ratio nicht voneinander zu trennen. Aber in welchem Verhältnis stehen sie zueinander? Auf der folgenden Doppelseite werden bekannte Philosophen in einer Pokerrunde gezeigt: Blaise Pascal, Seneca, Karl Popper, Sören Kierkegaard und Ralph W. Emerson.

Im ersten Artikel geht Dominik Erhard Entscheidungsprozessen nach, indem die Rolle von Entscheidungsberatern und ihre Vorgehensweise dargestellt werden. Vorgestellt werden eine Beraterin und zwei Berater. Die Online Partnervermittlung beispielsweise berücksichtigt durch die Vorgehensweise der Algorithmen eine Vielzahl von Faktoren, die das Gespräch zwar nicht ersetzen kann, aber wohl auf uneinholbare Art und Weise ergänzt. „Letztlich gehe es bei Partnervermittlungen ja schlicht um eine Erhöhung der Chance…“ Die Onlinehilfestellung hilft nur, den richtigen Partner zu treffen, ersetzt aber nicht die Intuition. Dominik Erhard bringt diese Frage ins Gespräch mit Walter Benjamin, der meint, dass „eine Beziehung, die auf einer Wahl beruht, nicht auf wahrer Liebe begründet sein“ könne.

Der zweite Abschnitt widmet sich einem Motivationstrainer, dessen Leben davon geprägt war, dass er die Schulden seiner Eltern übernommen hat: Fünf Millionen Euro. Ziel der ziemlich teuren Workshops ist, im Sinn von Aristoteles von der „Potentia“ in den „Actus“ zu kommen. Doch zuletzt kommt der Motivationstrainer auf die Unverfügbarkeit zu sprechen, von der letztlich alle Zukunft abhängt. Und meint, seine Frau sei Hellseherin.

Konsequenterweise ist im dritten Abschnitt von einer Hellseherin die Rede. Wichtig scheint mir zu sein, dass die Entscheidung bei aller Beratung ganz bei den Klienten und Klientinnen liegt. Der Widerspruch liegt darin, dass die befragte Hellseherin sagt, dass sie seit ihrer Kindheit die Zukunft vorhersagen könne. Dabei seien doch wohl eher intuitive Menschenkenntnis und Mustererkennung die Fähigkeiten, die ihr den Zugang zu den Kunden aufschließe. Ihre Aufgabe sei also eher, die Menschen, die sie befragen, zu ihrer eigenen inneren Stimme zurückzuführen. Der Artikel schließt damit, dass die gemeinsame Fähigkeit der befragten Berater wohl die Intuition ist. „Wer ist meine innere Stimme? Was sagt sie? Sagt sie überhaupt etwas?“ Es gibt eben auch Momente, in denen nichts zu entscheiden ist.

Der zweite Artikel zum Thema Entscheiden ist von Alice Lagaay, Professorin aus Hamburg verfasst. Sie hat schon vor Jahren ein Buch über Zaudern und Zweifeln veröffentlicht, fachlich genannt „negative Performanz“. Knapp gesagt: „In einer Welt, in der enormer Handlungsdruck herrscht, ist es an der Zeit, den philosophischen Muskel des Zögerns auszubilden und zu stärken, als jene Tugend, unser Tun zu unterbrechen, um unser Ohr auf das Offene und noch Unvorstellbare zu richten.“ Mich hat in diesem Artikel sehr inspiriert, dass sie auf Jacques Derridas Buch „Politik der Freundschaft“ zu sprechen kommt (leider ist es zur Zeit vergriffen und wird erst im Frühjahr wieder neu aufgelegt, der Rez.). Derrida bezeichnet jede Entscheidung als eine Art Glaubensakt: „Nach Derrida ist eine Entscheidung sogar nur dann verantwortlich, wenn sie ‚die Subjektivität meines Subjekts überrascht‘ und die Konsequenzen der Entscheidung nicht vorhersehbar sind.“ Ich finde, dass genau dies die Stärke der Philosophie ist, genau auf die Konsistenz der Begriffe zu achten. Was wäre in der Tat eine Entscheidung, wenn sie nur die Konsequenz einer Prädestination wäre? Hier ist also erstaunlicherweise wieder, wie schon oben, vom Unverfügbaren die Rede.

Der Dritte Aufsatz ist ein Interview, das von der Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler mit der Schriftstellerin Mariana Leky und dem Philosophen Philipp Hübl geführt wird. Es geht zuerst um das Entscheiden, sowohl in der Familie als auch in der Philosophie. Hübl unterscheidet die Prozesse der Entscheidung mit den englischen Begriffen Picking, Choosing und Opting. Die Schriftstellerin geht am Beispiel des Opting auf die Rolle des inneren Gesprächs ein, das sie der Psychoanalyse entlehnt: „Das Unbewusste gibt das Mittel hoch, und das Ich, dieses fadenscheinige Ich, kann im letzten Moment noch ‚Nein‘ schreien. … Unsere Entscheidungen kommen aus Schichten, die wir nie ganz überblicken können.“ Ohne jetzt alle Aspekte des Artikels wiederzugeben, komme ich auf das Ende, in dem beide Gesprächspartnerinnen dafür plädieren, auch einmal den Stress der Entscheidungssituationen durch einen schlichten Verzicht zu durchbrechen, getreu nach Epiktet: „Was man nicht ändern kann, soll man akzeptieren. Wir wären alle gelassener und gesünder, würden wir uns daran halten.“

Als ich dieses Zitat lese, bin ich froh, die Artikel über das Thema „Entscheidung“ gelesen zu haben.

Predigt über Johannes 3,1–8, Sonntag Trinitatis, Christoph Fleischer, Welver 2015

 

Die Predigt wird gehalten in Möhnesee-Günne, Soest-Meiningsen (mit Taufe)

Johannes 3,1–8
1Einer von den Pharisäern* war Nikodemus, ein Mitglied des jüdischen Rates. 2Eines Nachts kam er zu Jesus und sagte zu ihm: »Rabbi, wir wissen, dass Gott dich gesandt und dich als Lehrer bestätigt hat. Nur mit Gottes Hilfe kann jemand solche Wunder vollbringen, wie du sie tust.«

3Jesus antwortete: »Amen, ich versichere dir: Nur wer von oben her geboren wird, kann Gottes neue Welt zu sehen bekommen.«

4»Wie kann ein Mensch geboren werden, der schon ein Greis ist?«, fragte Nikodemus. »Er kann doch nicht noch einmal in den Mutterschoß zurückkehren und ein zweites Mal auf die Welt kommen!«

5Jesus sagte: »Amen, ich versichere dir: Nur wer von Wasser und Geist* geboren wird, kann in Gottes neue Welt hineinkommen. 6Was Menschen zur Welt bringen, ist und bleibt von menschlicher Art. Von geistlicher Art kann nur sein, was vom Geist Gottes geboren wird. 7Wundere dich also nicht, dass ich zu dir sagte: ‚Ihr müsst alle von oben her geboren werden.‘ 8Der Wind weht, wo es ihm gefällt. Du hörst ihn nur rauschen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht. So geheimnisvoll ist es auch, wenn ein Mensch vom Geist geboren wird.«

Liebe Gemeinde,

Das Gespräch zwischen Nikodemus und Jesus ist eigentlich der einzige rabbinische Dialog im Neuen Testament. Sonst heißt es nur, dass Jesus herausgefordert wird, oder dass man versucht ihn reinzulegen. Die Frage des Rabbiners, der spät am Abend zu Jesus kommt, ist ob Jesus der Messias ist. Doch diese Frage wird nicht gestellt. Der Rabbi drückt es anders aus. Er sagt vielmehr, Jesus sei ein anerkannter Lehrer, da er Wunder vollbracht habe.

Ich finde es eigentlich ganz gut, dass die Messiasfrage an dieser Stelle nicht ausgesprochen wird. Ein Dialog muss nicht damit anfangen, dass man die Unterschiede herausstellt. Nikodemus scheint sich doch zu Recht zunächst an den Gemeinsamkeiten zu orientieren. „Predigt über Johannes 3,1–8, Sonntag Trinitatis, Christoph Fleischer, Welver 2015“ weiterlesen

Predigt über Matthäus 13, 44-46, Christoph Fleischer, Werl 2013

Predigt über Matthäus 13, 44-46 (rekonstruiert aus einer Aufnahme aus dem Jahr 2007, aktualisiert und verändert 2013). Gehalten wird diese Predigt am 9. Sonntag nach Trinitatis in Bad Sassendorf-Neuengeseke und in Möhnesee-Völlinghausen.

Matthäus 13, 44 – 46, Der versteckte Schatz und die Perle

44 »Die neue Welt Gottes ist mit einem Schatz zu vergleichen, der in einem Acker vergraben war: Ein Mensch fand ihn und deckte ihn schnell wieder zu. In seiner Freude verkaufte er alles, was er hatte, und kaufte dafür den Acker mit dem Schatz. 45 Wer die Einladung in Gottes neue Welt hört und ihr folgt, handelt wie der Kaufmann, der schöne Perlen suchte: 46 Als er eine entdeckte, die besonders wertvoll war, verkaufte er alles, was er hatte, und kaufte sie.«

Liebe Gemeinde!

Was bedeutet es, alles auf eine Karte zu setzen? Als ich über diese Frage nachdachte, fiel mir eigentlich ein sehr schönes Beispiel ein. Und zwar gibt es ja die Geschichte vom kleinen Prinzen. Ich weiß nicht, ob Sie die auch kennen. Die Geschichte handelt von einem kleinen Prinzen, der einem Piloten begegnet, der in der Wüste notlanden musste. Doch eigentlich kommt der kleine Prinz von einem anderen Planeten. Und auf diesem anderen Planeten, der nicht sehr viel größer ist, so dass eben der kleine Prinz und ein Schaf darauf leben können, so wird gesagt, gibt es eine Blume. Und als der Prinz nun auf der Erde war, begegnete ihm ein Fuchs. Und der Fuchs zeigt ihm die Schönheiten der Erde, so zum Beispiel ein paar Rosen. „Predigt über Matthäus 13, 44-46, Christoph Fleischer, Werl 2013“ weiterlesen