Die Kraft der Hoffnung, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2016

 

Zu: Kathrin Klette: Hoffen, Eine Anleitung zur Zuversicht, Christoph Links Verlag, Berlin 2016, ISBN: 978-3-86153-878-3, gebunden 213 Seiten, Preis: 16,00 Euro

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Vielleicht sollte man ein Buch dort lesen, wo es hingehört. Ein Buch zum Thema Hoffen oder Hoffnung gehört auf eine Krankenstation oder in eine Arztpraxis. Das Buch ist im Kleinformat herausgegeben, etwa so groß wie ein Taschenbuch, aber in Hardcover gebunden und daher strapazierfähig. Man kann es auch im Zahnarztstuhl oder auf dem Operationstisch lesen oder wie ich im Wartezimmer. Ich musste dort zwei Stunden zwischen zwei Blutabnahmen warten, da der Zuckerwert abgenommen wurde und ich die Arztpraxis nicht verlassen durfte.

Um von Hoffnung zu sprechen, muss es erst einmal Probleme, eine Krankheit oder Krise geben. In diesem Zusammenhang ist der Satz richtig: „Hoffnung ist ein Element der Resilienz.“ (S. 23).

Wenn Resilienz die Fähigkeit eines Menschen (oder eines Werkstoffs) ist, nach einer Belastung wieder in die Ausgangslage zurückkehren zu können, dann muss man die Hoffnung als Antrieb dazu bezeichnen. Hoffnung ist das Gegenteil von Sicherheit. Man redet eigentlich nur dann von Hoffnung, wenn der Ausgang des Geschehens eigentlich offen ist. Hoffnung wäre dann der Antrieb des Lebens. Der auch eigenes Wollen und Bemühen einschließt.

Daher sollte man Kinder auch dazu motivieren, auf Veränderungen in ihrem Leben zu hoffen, aber die Autorin Kathrin Klette stellt fest: „Man kann einem Kind nicht explizit Hoffnung beibringen.“ (S. 31). Mit den Erfahrungen, die man bei der Befreiung von Kindern aus rumänischen Kinderheimen machte, musste man feststellen: „Wo keine Hoffnung ist, fehlt alles Leben.“ (S. 34). Ohne Beziehung, kein Glücksgefühl und ohne Glücksgefühl keine Selbstsicherheit, kein Antrieb. Der Kinder- und Jugendpsychiater Michael Schulte-Markwort wird mit folgenden Sätzen zitiert, die er in einem Interview sagte:  „… der Glaube, dass man ausreichend wertvoll ist … vermittelt sich primär durch Beziehung.“ (S. 38).

Soweit so gut. Ohne Probleme keine Hoffnung, aber trotzdem stellt sich die Hoffnung nicht automatisch ein. Spätestens beim nächsten Artikel frage ich mich dann aber, warum die Hoffnung in diesem Buch zu kurz kommt und stattdessen immer mehr von den Voraussetzungen und den Problemen mit der Hoffnung die Rede ist. Ich sitze immer noch in der Arztpraxis und hoffe, dass ich einen erfreulichen Befund erfahren werde.

So wie Beziehungsfähigkeit zur Hoffnung gehört, so gehört Hoffnung zu einem Leben in Beziehungen. Die Autorin Kathrin Klette, im Hauptberuf Journalistin bei der neuen Zürcher Zeitung, stellt fest: „Hoffnungsvolle Menschen sind beliebt, während hoffnungslose eher gemieden werden.“ (S. 45).

Der dann folgenden Artikel aus der Wochenzeitschrift Die ZEIT ist wie ein Bericht aus einer Psycho-Zeitung: „Porträt einer jungen Geliebten, die jahrelang gehofft hat, dass sich ihr Geliebter von seiner Frau trennt.“ (Inhaltsverzeichnis). Ich denke auf meinem Stuhl in der Arztpraxis, dass dieser Artikel mehr mit Enttäuschung als mit Hoffnung zu tun hat. Ist wirklich schon Hoffnung, wenn die Wortfolge des Titels „Hoffen, warten, runterschlucken“ zeigt, dass aus der Hoffnung eben nichts wird. Hoffnung muss sich nicht in die Wirklichkeit übertragen lassen, sie kann in der Erwartung stehen bleiben. Hoffnung ist eben keine Sicherheit, eher ein Glaube. Doch für die Lektüre des Buches ist das nicht wirklich ermutigend. Mir wäre da als Beispiel schon fast ein Lottospieler lieber, der endlich irgendwann einmal seine Hoffnung in die Tat umgesetzt hat, völlig zufällig und unverfügbar.

Der Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer zeigt, dass immerhin doch die Beziehungsebene ein gutes Feld für die Erprobung der Wahrheit von Hoffnung ist. Sie leitet dazu an, etwas in die Tat umzusetzen: „Das ist ja eine wichtige Qualität der Hoffnung: eine Zukunftsvision zu entwerfen und die dann auszuprobieren.“ (S. 71). Das Buch lebt von diesen Interviews, die eigens dafür durchgeführt wurden, und von Beispielen aus diversen Publikationen. Dazwischen finden sich kleine Denkanstöße: Eines der zwischendrin hingeworfenen Zitate und Sprichwörter zur Hoffnung lautet: „Hoffen und Harren hält manchen zum Narren. Sprichwort“ (S. 78).

Als ich den Artikel über „social freezing“ zu lesen beginne (vgl. S. 79), öffnet sich die Tür und ich werde zur Untersuchung gebeten. Immerhin heißt es hier: „Falsche Hoffnungen müssen nicht grundsätzlich unrealistisch sein.“ (S. 80).

Im folgenden Inhalt des Buches, den zu lesen ich an diesem Tag keine Gelegenheit mehr finde, ist immer wieder von Krisen die Rede, wie auch von Menschen, die durch den Antrieb der Hoffnung auf die Flucht gegangen sind.

Dann ist von Hoffnung im Glauben die Rede, wozu sich der Kirchensoziologe Detlef Pollack zu Wort meldet. Das sich das Buch zum Schluss noch Krebskranken zuwendet, macht nun schon fast klar. Hoffen und Heilen gehören zusammen.

Aber musste deshalb so viel von Beziehungsproblemen, Krisen, Krankheiten und Enttäuschungen die Rede sein? Die Stärke des Buches besteht darin, keine unrealistische Hoffnung zu verkündigen. Hoffnung wird zum „Hoffen“, das ist eine Fähigkeit, die man sich ggf. hart erarbeiten muss und die dazu einlädt, Krisen nicht auszuweichen, sondern durchzustehen. So wie man von Trauerarbeit spricht, sollte auch von Hoffnungsarbeit die Rede sein. Demjenigen, der Hoffnung auf einem silbernen Tablett serviert, sollte man misstrauisch begegnen. Danke, Kathrin Klette, für diese Spur Religion im Alltag. —

Ein paar Tage später erfahre ich den Befund meiner Untersuchung. Erfreulich, die Verdachtsdiagnose hat sich nicht bestätigt. Es geht weiter, auf ein Neues!

 

 

Luthers Meinung „Von den Juden“, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2016

Zu: Martin Luther: Von den Juden und ihren Lügen, neu bearbeitet und kommentiert von Matthias Morgenstern, berlin university press in der Verlagshaus Römerweg, Wiesbaden 2016, ISBN 978-3-7374-1320-6, gebunden, 328 Seiten, Preis: 19,90 Euro

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Wer mit dem Begriff des Antisemitismus hantiert, hat es mit verschiedenen Zeit- und Bedeutungsebenen zu tun. Orientiert man sich am politisch-rassistischen Begriff des 19. und 20. Jahrhunderts, so wird man die antisemitische Wirkung Luthers nicht verleugnen können, wie Dietz Bering zeigte (Dietz Bering: War Luther Antisemit? Das deutsch-jüdische Verhältnis als Tragödie der Nähe, Berlin University Press Berlin 2014). Auch Donatella Di Cesare kommt in ihrem Buch über Martin Heideggers Antisemitismus in einem Kapitel zur Geschichte des Antisemitismus nicht umhin, diese Schrift Martin Luthers zu erwähnen. (Donatella Di Cesare: Heidegger, die Juden, die Shoah, Vittorio Klostermann, Frankfurt/Main 2016: Philosophie im Kontext – Heidegger im Licht des Antisemitismus, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2016)

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Die Weisheit des Königs Salomo, Teil 1, Christoph Fleischer, Welver 2015

Version 2

Das Buch „Weisheit“ ist Teil der Septuaginta, der griechischen Bibelübersetzung aus Alexandria, entstanden zur Zeit des Lebens Jesu, ohne dass es eine hebräische Fassung gäbe. Es ist wohl keine Übersetzung, sondern eher eine Nachahmung des Hebräischen, auch um der fiktiven Autorenschaft Salomos zu entsprechen, die man als Pseudepigrafie bezeichnet. Das Buch „Weisheit Salomos“ fehlt daher in vielen Bibeln z. B. der Lutherbibel, da es nicht zur hebräischen Bibel des Alten Testaments gehört. Die Einheitsübersetzung und die Apokryphen der Lutherbibel führen das in griechischer Sprache verfasste Buch auf (Anm. 1).

Möglicherweise hat es sogar einen größeren Einfluss auf die ebenfalls in griechischer Sprache verfassten Bücher des Neuen Testaments als unser Altes Testament, da es ein Teil der griechischen Bibelübersetzung, der Septuaginta war.  Viele Bibelzitate auch aus anderen „hebräischen“ Büchern sind der Septuaginta entnommen. Das griechische Neue Testament vermerkt allein 97 Zitate oder Anspielungen aus dem Buch sapientia salomis (Anm. 2).
Der erste Teil des Buches Weisheit ist in Gedichtform gehalten (Kapitel 1-9). Ich fasse die biblische Lyrik so auf, dass sie gesungen worden ist. Daher bringe ich meine biblischen Gedichte in eine gereimte Form, die sich ggf. auch vertonen ließe. Wie schon bei meinen Psalmengedichten, mache ich mir die Tatsache zu eigen, dass der hebräische Lyrikstil anstelle des Endreims den Parallelismus kennt. Diese Wiederholung in anderen Worten bringt keine neue Aussage, sondern wirkt in unseren Augen eher redundant (z. B. „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln“ Psalm 23). Die Gedichte reduzieren die Redundanz des Parallelismus auf eine Auswahl, die versucht, die Hauptaussage zu erfassen und zu aktualisieren. Diese wird sprachlich modern ausgedrückt, aber ohne den Dualismus aufzulösen. Den Gegensatz zwischen den Frevlern und den Gerechten, fasse ich nicht als Abgrenzung oder Sammlung von Vorurteilen auf, sondern das eigene Bemühen, sich nach der Maßgabe der Gerechtigkeit zu verhalten. Ich sehe darin eher die Ablehnung von Verhaltensweisen als von Menschen, denn jeder wird ja immer das auch in sich haben, was er oder sie ablehnt. „Die Weisheit des Königs Salomo, Teil 1, Christoph Fleischer, Welver 2015“ weiterlesen

So kann der Tag gut beginnen | auch unterwegs, Hinweis auf eine APP vom Neuenkirchener-Verlag

Der beliebte Bibellese-Kalender für Jugendliche jetzt auch als App für Dein Smartphone. Darin findest Du für jeden Tag des Jahres einen anregenden Bibelimpuls und verständliche Auslegungen, die Du in deinem Leben gut nutzen kannst. Durch die Hintergrundinfos kannst Du neu in die Welt der Bibel eintauchen und die alten Texte besser verstehen. Und was Dir gut gefällt, speicherst du in den Notizen oder teilst es mit Freundinnen und Freunden. Mit dieser App fängt Dein Tag gut an!

Die „Start in den Tag“-App für 2016 kannst Du kostenlos herunterladen.

Zum iTunes Store
Zum Google Play Store: https://play.google.com/store/apps/details?id=de.neukirchenerverlage.startindentag.app2016

Leichen im Keller, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2016

Zum Hörbuch: Umberto Eco: Der Friedhof in Prag, Gelesen von Jens Wawrczeck und Gert Heidenreich, 2 mp3-CD, 993 Minuten, Vollständige Lesung, Der Hörverlag 2011, ISBN: 978-3-86717-794-8, Preis: unbekannt, antiquarisch erworben über www.tauschticket.de

Cover CD Eco Prag

Der Autor wäre nicht Umberto Eco (1932-2016), wenn das Buch, hier in gelesener Form, nicht etwas mit der Literaturwissenschaft zu tun hätte. In diesem Buch geht es um das heute verbotene Werk des Plagiats und darüber hinaus. Es erzählt eine Verschwörungstheorie, die Entstehungsgeschichte der „Protokolle der Weisen vom Zion“ um 1900. Manche Personen im Roman wie Joly oder Ratschkowski tauchen auch in der Entstehungsgeschichte der partiellen Abschreiberei mit Hinzufügung und Umarbeitung auf, andere sind fiktiv. Die Protokolle schildern ein geheimes Treffen der Repräsentanten jüdischer Stämme auf dem alten Friedhof in Prag, bei dem die Vertreter des Weltjudentums angeblich die Machtübernahme in der ganzen Welt planten. „Leichen im Keller, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2016“ weiterlesen