Zu: Martina Walter (Hg.) / Martin Werth (Hg.): Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst (Offenbarung 21,6), Die Jahreslosung 2018 – Ein Arbeitsbuch mit Auslegungen und Impulsen für die Praxis, Neukirchener Verlag 2017, Softcover, ISBN: 9783761564615, Preis: 9,90 Euro
Vermutlich hat sich das Erscheinen des Standardbuches im Neukirchener Verlag verspätet. Das wäre auch verständlich, weil der bisherige Autor und Herausgeber Burkhard Weber vor einem Jahr gestorben ist.
Das Konzept des Buches trägt noch deutlich seine Handschrift, der Aufbau und die Praxisorientierung. Das Buch ist keinesfalls allein ein Predigtband über die Jahreslosung, sondern hat durchaus diverse Anwendungen in volkskirchlichen und freieren Formen der Verkündigung im Blick.Der erste Artikel von Martin Werth „Exegetische und theologische Beobachtungen zur Jahreslosung“ ist der theologische und homiletische Einstieg. Wie gehabt sind diverse Übersetzungsvarianten dazu da, inhaltliche Schwerpunkte anzusprechen. Interessant ist, dass die profane Einleitung „Gott spricht“ verbunden mit dem „Ich“ des Satzes aufgibt zu fragen, in welcher Rolle Gott hier spricht. Durst und Quelle sind die Hauptmotive, die aber im Zusammenhang mit einer Perikope zum Ewigkeitssonntag zum Sprechen kommen, aus Offenbarung 21 (Das neue Jerusalem). So kommen auch Parallelstellen in den Blick und theologische Reflexionen. Werth fragt, wie die doppelte Gottheit Gott und Christus in der Offenbarung zu verstehen ist. Die alttestamentlichen Parallelen zeigen, dass die Jahreslosung ein gesamtbiblisches Thema benennt. Interreligiöse Varianten finden sich hingegen hier nicht.
Der zweite Artikel von Johannes Beer bietet eine Meditation zum Bild des Covers, dass auch separat als Postkarte erhältlich ist. Mir ist nicht klar geworden, wieso hier von einer exklusiven Wahrheit die Rede ist. Der Vers selbst bietet eine Lösung für den Verlust des Lebenssinnes an. Die Bekräftigung einer exklusiven Wahrheit ist noch nicht eindeutig die Quelle, die den seelischen Durst löscht. Die Funktion der Alternativlosigkeit ist nicht deutlich geworden. Zum Schluss des Artikels müsste zu fragen sein, ob die Vision tatsächlich nur eine „neue Welt am Ende der Zeit“ (S. 39) meint, oder nicht auch die Ankunft Christi und des Reiches Gottes in der Gegenwart. Richtig ist sicher, dass Glaube als der Zugang und die Stärkung zum Leben zu entdecken ist.
Sechs thematische Anknüpfungen und vier praktische Entwürfe bilden mi der Einleitung den Hauptteil des Buches. Im Anhang finden sich lyrische Texte von Tina Willms, ein Lied zur Jahreslosung von Christian Hählke und ein Text über einen wertlosen Geldschein, den man in der Gemeinde verteilen kann: Auf dem fiktiven Geldschein steht die Zahl „0“ neben einer Abbildung eines Lutherdenkmals: „Gottes Gnade gibt es umsonst“.
Die exegetische Einführung in die Offenbarung des Johannes von Oliver Cremer wird durch diverse Abbildungen illustriert. Die Zuversicht der Offenbarung ist der Glaube, dass sich die Herrschaft Gottes durchsetzen wird. Der Beitrag der Biologin Julia Steinbacher kommt ohne explizite theologische Aussagen aus. Der Aufsatz verkörpert die Notwendigkeit des Wassers für das Leben, nicht nur für Menschen, sondern in der ganzen Natur. Auf politische und ökologische Fragen geht der Artikel wenig ein, aber die Konsequenzen daraus können sich die Leserinnen ausmalen. Ein andere praktische Anwendung ist die Meditation des Wortes „Durst“ vor dem Hintergrund von Suchtproblematik und der organisierten Selbsthilfe des „Blauen Kreuzes“ von Andrea Schmidt. Der Aufsatz von Martina Walter, einer Betrachtung der Jahreslosung aus humanwissenschaftlicher Sicht geht der Frage nach, ob mit Durst nicht auch die Sinnfrage des menschlichen Lebens gemeint sein kann. Exemplarisch bietet sie eine Einführung in die Arbeit von Viktor Frankl, der Auschwitz überlebt hat. Das Ziel seiner Konzeption der Psychotherapie ist die Arbeit an der Sinnfrage. „Wenn der Mensch die Sinnfrage nicht befriedigend beantworten kann, gerät er in eine Sinnkrise oder wir Frankl sagen würde -in ein ‚existenzielles’Vakuum.“ (S. 79). Jutta Georg geht der Frage nach ob der Begriff „umsonst“ auch im Sinn von „vergeblich“ verstanden werden kann, was wohl dem Gnadenaspekt widersprechen würde. Vier Fragen bieten Anknüpfungspunkte für ein Gespräch. Katharina Schöpflin geht dem hebräischen Begriff Näphäsh nach Psalm 42. Zwei praktische Übungen für die Gruppe schließen den Artikel ab.
Vielleicht hätte dieser Artikel also auch zum dritten Hauptteil gerechnet werden können, dem der praktischen Entwürfe. Werner Anisch berichtet über seine Arbeit mit Pilgerwegen und stellt den Weg zur Quelle als praktische Auslegung der Jahreslosung vor. Martina Walter, Bernd Pfalzer und Sabine Herwig stellen sogenannten „Stundenentwürfe“ vor, die aber auch Anregungen und Material für den Religionsunterricht enthalten.
Das Buch ist sicherlich eine gute Hilfe für die Predigtvorbereitung oder die Einführung der Jahreslosung in diverse Gruppierungen der Kirche oder Gemeindearbeit. Eine Anregung aus dem letzten Jahr: Es ist tatsächlich eine interessante Erfahrung, in der Jahresmitte einen Gottesdienst zur Jahreslosung durchzuführen. Ich frage mich dann: Was hat die Euphorie des Anfangs verfliegen lassen? Was hat sich inzwischen in den Vordergrund gedrängt? Worin hat die Botschaft der Jahreslosung vielleicht doch unterschwellig weitergewirkt?