Zu: Detlef Brennecke: Die Nietzsche-Bildnisse Edvard Munchs, Wahlverwandtschaft – Der Norden und Deutschland, Essays zu einer europäischen Begegnungsgeschichte, Herausgegeben von Bernd Henningsen, Band 5, Berlin-Verlag Arno Spitz GmbH, broschiert, 106 Seiten, ISBN: 3-8305-0073-4, Preis:
Detlef Brennecke (geb. 1944) ist emeritierter Professor in Frankfurt/Main. Seine Bücher und Übersetzungen handeln von den Skandinaviern Sven Hedin, Tanja Blixen, Roald Ammundsen und Fritjof Nansen und allgemein von Skandinavien und der Polarregion. So wird man sagen können, dass er zu Recht in dieser Reihe publiziert hat, die der Verbindung Skandinaviens zu Deutschland gewidmet ist.
Das hier zu besprechende Buch ist bereits im Jahr 2000 erschienen. Ich habe es auf der Suche nach Arbeiten zum Nietzsche-Bild Munchs im Internet gefunden und gesehen, dass eine Besprechung fehlt. Ich denke, dass die Rezension sowohl ein nachträglicher Beitrag zum Gastland der diesjährigen Buchmesse Norwegen sowie ein Beitrag zur Munch-Ausstellung in Düsseldorf sein kann.
Das Bild Nietzsches von Edvard Munch ist recht bekannt, zumal es dessen markanten Oberlippenbart betont. Es ist kein Porträt eines lebenden Menschen, sondern nach dem Tod Friedrich Nietzsches auf der Basis von Fotografien, Bildnissen und Skulpturen entstanden.
Auftraggeber war ein Kunstsammler aus Stockholm, der Nietzsche-Anhänger war und den Künstler Edvard Munch finanziell durch Aufkäufe unterstützte. In dessen Kunstsammlung Thielska Galleriet befindet sich das Werk auch heute noch, während die Vorentwürfe und Skizzen im Munch-Museum in Oslo aufbewahrt werden. Die Fotografien und Bildnisse Nietzsches finden sich im Nietzsche-Archiv oder im Goethe-und Schiller-Archiv, Weimar.
Die oben notierten Angaben habe ich dem Buch von Detlef Brennecke entnommen, das ca. 20 Abbildungen enthält, davon in Farbe das Gemälde und seinen noch nicht fertig ausgearbeiteten Vorentwurf.
Die Hauptthese des Buches ist die Antwort auf die Frage, ob Edvard Munch ein Nietzsche-Anhänger war oder mit der Philosophie Nietzsches gründlich vertraut war. Diese Frage wird verneint, aber Munch kannte den „Zarathustra“ und recherchierte im Nietzsche Archiv in Weimar.
Die Arbeit des Skandinavien-Experten Detlef Brennecke ist anschaulich geschrieben. Er begleitet den norwegischen Künstler Edvard Munch auf seiner Reise nach Weimar. Sein Atelier hatte er in einem Hotel in Bad Kösen eingerichtet.
Wir erfahren im Essay, dass sich im Lokal „Das schwarze Ferkel“ in Berlin nahe „Unter den Linden“ eine Gruppe Literaten und Künstler traf, unter denen auch Skandinavier wie August Strindberg waren, die einige Zeit in Deutschland lebten und arbeiteten und der Philosophie von Friedrich Nietzsche zugetan waren. Sie hatten auch 1892 die erste Ausstellung Edvard Munchs in Berlin angeregt, die nach einer knappen Woche geschlossen wurde, was Munch erst recht bekannt machte.
Wir erfahren im Essay wie das Nietzsche Bild und seine Vorentwürfe entstanden sind und dass dafür einige Flaschen Cognac nötig waren, die sich Munch nachts aufs Zimmer liefern ließ, um besser malen zu können (er pflegte nachts zu malen).
Und wir erfahren einiges über die Wirkungsgeschichte. Die Annahme, Munch hätte sich im gesamten Werk auf Nietzsche bezogen wird im Buch abgelehnt, im Gegensatz zu etlichen Stimmen, die immer wieder die Nähe zwischen Munch und Nietzsche betont haben.
Allerdings sind im Bild Munch einige Anspielungen auf das Buch „Also sprach Zarathustra“ enthalten, einige sogar von Munch bestätigt wie die aufgehende Sonne und der Blick ins Tal vom Gebirge aus, andere eher aus der intellektuellen Phantasie heraus.
Die Anspielungen Munchs im Bild zeigen ein Beispiel der Kollage-Technik und nicht eine tiefere Unterstützung der Philosophie Nietzsches.
Munch malte und zeichnete als Symbolist, was der Auffassung Friedrich Nietzsches zuwider ist, der sich gegen den Symbolismus gewandt hat, weil er ein Weg ins Unnatürliche sein konnte.
Trotzdem: Edvard Munch malt Friedrich Nietzsche nicht als Kranken (obwohl seine Bildvorlage aus dem Jahr 1892 stammt), sondern als Philosophen, der sich mit seiner Figur Zarathustra selbst identifiziert hat. Dass diese Annahme nicht ganz falsch ist, lässt sich dem Buch „Ecce homo“ entnehmen.
Das Buch von Detlef Brennecke ist nicht nur eine gute Darstellung des Bildes von Edvard Munch, sondern auch eine kompakte, aber inhaltlich sehr klare Einführung in das Werk Edvard Munchs und besonders die Jahre seines frühen Erfolgs in Deutschland.