Würde im Alter? Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2016

Michael Opoczynski: Aussortiert und Abkassiert, Altwerden in Deutschland, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2016, ISBN: 978-3-579-08630-9, 255 Seiten, Preis: 19,99 Euro

Aussortiert und abkassiert von Michael Opoczynski
Aussortiert und abkassiert von Michael Opoczynski

„Altern in Würde“ – so lautete das diesjährige Motto der „Woche für das Leben“ vom 9. bis 16. April 2016. Das Buch von Michael Opoczynski scheint zu diesem Thema sehr gut zu passen, indem es schon im Titel auf Widersprüche und Missstände dieser Altersgruppe, der älter werdenden Menschen, insbesondere der Senioren, hinweist. Der inzwischen gängige Begriff Senioren wird von ihm allerdings gemieden und tritt zugunsten des Wortes Alte oder Ältere zurück. Damit ist schon eine inhaltliche Position angedeutet, dahingehend, dass das Alter nicht schöngeredet werden sollte. „Würde im Alter? Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2016“ weiterlesen

Predigt über Hebräer 5, 7-9, Christoph Fleischer, Welver 2016

Die Predigt wird am Sonntag Judika in Günne und Meiningsen gehalten in einer frei vorgetragenen Fassung

Hebräer 5, 7-9 (Gute Nachricht Bibel)

7Als er noch auf der Erde lebte, hat Jesus sich im Gebet mit Bitten und Flehen an Gott gewandt, der ihn vom Tod retten konnte; mit lautem Rufen und unter Tränen hat er seine Not vor ihn gebracht.

Weil er treu zu Gott hielt, ist er schließlich auch erhört worden.

8Und doch: Obwohl er Gottes Sohn war, hat er zunächst durch das, was er durchmachen musste, Gehorsam gelernt.

9Nachdem er nun das Ziel erreicht hat, ist er für alle, die ihm gehorchen, zum Begründer ihrer endgültigen Rettung geworden.

Foto: Christoph Fleischer, Gedenktalfen in Günne - Warum fehlen die Opfer der KZs auf den offiziellen Gedenkstätten?
Foto: Christoph Fleischer, Gedenktafeln in Günne – Warum fehlen die Opfer der KZs auf den offiziellen Gedenkstätten bei uns?

Liebe Gemeinde,

zu Anfang möchte ich mal eine Frage stellen und einleiten. Dieser aus dem Zusammenhang gerissene Bibeltext gibt eine Meinung wieder, die man nicht zu Unrecht auf die Passionsgeschichte bezogen hat. Sicherlich ist der Text aber auch nur ungefähr anwendbar und im Detail gar nicht unbedingt passend. Denn das Gebet, das er meint, kann nicht das Gebet im Garten Gethsemane sein, denn dort ist Jesus gerade nicht erhört worden. Seine Bitte war damals, den Kelch des Leids von ihm zu nehmen. Nur wenn das nicht möglich sei, so Jesus im Gebet, würde er in den Plan Gottes einwilligen, und sich dem Willen Gottes zu beugen. Einverständnis oder gar Gebetserhörung sieht meines Erachtens anders aus. Um welche Bitte hätte es sich aber sonst gehandelt? Vermutlich ist Gethsemane tatsächlich gemeint, aber der genaue Sinn der Gebetserhörung liegt im Dunkeln.

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Predigt über Römer 12, 1-8, 1. Sonntag nach Epiphanias, Christoph Fleischer, Welver 2016

Römer 12, 1 – 8 (Gute Nachricht Bibel, Die Predigt wird in Günne und Miningsen gehalten.)

 

1Brüder und Schwestern, weil Gott so viel Erbarmen mit euch gehabt hat, bitte und ermahne ich euch:

Stellt euer ganzes Leben Gott zur Verfügung!

Bringt euch Gott als lebendiges Opfer dar, ein Opfer völliger Hingabe, an dem er Freude hat. Das ist für euch der »vernunftgemäße« Gottesdienst.

2Passt euch nicht den Maßstäben dieser Welt an.

Lasst euch vielmehr von Gott umwandeln, damit euer ganzes Denken erneuert wird.

Dann könnt ihr euch ein sicheres Urteil bilden, welches Verhalten dem Willen Gottes entspricht, und wisst in jedem einzelnen Fall, was gut und gottgefällig und vollkommen ist.

3In der Vollmacht, die Gott mir als Apostel gegeben hat, wende ich mich an jeden Einzelnen von euch.

Niemand soll sich über andere erheben und höher von sich denken, als es angemessen ist. Bleibt bescheiden und sucht das rechte Maß!

Durch den Glauben hat jeder von euch seinen besonderen Anteil an den Gnadengaben bekommen.

Daran hat jeder den Maßstab, nach dem er sich einschätzen soll.

4Denkt an den menschlichen Leib:

Er bildet ein lebendiges Ganzes und hat doch viele Teile, und jeder Teil hat seine besondere Funktion.

5So ist es auch mit uns:

Als Menschen, die zu Christus gehören, bilden wir alle ein unteilbares Ganzes; aber als Einzelne stehen wir zueinander wie Teile mit ihrer besonderen Funktion.

6Wir haben ganz verschiedene Gaben, so wie Gott sie uns in seiner Gnade zugeteilt hat. Einige sind befähigt, Weisungen für die Gemeinde von Gott zu empfangen; was sie sagen, muss dem gemeinsamen Bekenntnis entsprechen.

7Andere sind befähigt, praktische Aufgaben in der Gemeinde zu übernehmen; sie sollen sich treu diesen Aufgaben widmen. Wer die Gabe hat, als Lehrer die Gemeinde zu unterweisen, gebrauche sie.

8Wer die Gabe hat, andere zu ermahnen und zu ermutigen, nutze sie.

Wer Bedürftige unterstützt, soll sich dabei nicht in Szene setzen.

Wer in der Gemeinde eine Verantwortung übernimmt, soll mit Hingabe bei der Sache sein. Wer sich um Notleidende kümmert, soll es nicht mit saurer Miene tun.

 

Liebe Gemeinde,

 

Den Predigttext aus dem Römerbrief habe ich bewusst in der Fassung der Guten Nachricht Bibel vorgelesen, damit wir beim Lesen und Hören nicht so viele Verständnisprobleme bekommen, wie das z. B. bei der Lutherbibel der Fall wäre.

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Das Bild vom Leib und seinen Teilen sollte einleuchten. Doch der Schwerpunkt liegt zunächst auf den ersten Versen, in denen vom Opfer die Rede ist.  Indem wir die Verse 1 – 8 im Ganzen gehört haben, wird das Bild vom Leib und seinen Gliedern angebunden an die Vorstellung, seinen Leib als Opfer hinzugeben. Die beiden Bilder erklären sich gegenseitig und können sich nicht ausschließen.

Dieser Anfang bereitet Probleme, obwohl man beim genauen Hinsehen eigentlich merken müsste, dass es eben nicht darum geht, also sich zu opfern und zugunsten der Gemeinde aufzugeben und auf alles zu verzichten. „Predigt über Römer 12, 1-8, 1. Sonntag nach Epiphanias, Christoph Fleischer, Welver 2016“ weiterlesen

Quellen jüdischer Religion, das Opfer, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2015

Zu: Die Mischna, Heiligkeiten, Seder Qodashim, Aus dem Hebräischen übersetzt und herausgegeben von Michael Krupp in Zusammenarbeit mit Jonas Leipziger u. A., Verlag der Weltreligionen im Insel Verlag, Berlin 2015, ISBN 978-3-458-70051-7, Preis: 58,00 Euro

70051Von Michael Krupp (geb. 1938) sind in dieser Mischna Edition im Verlag der Weltreligionen bislang eine „Einführung in die Mischna“ sowie die Bände der Ordnungen „Saaten“ (Bd. 1), „Festzeiten“ (Bd. 2), „Frauen“ (Bd. 3) und „Schädigungen“ (Bd. 4) erschienen. Es ist mit dem Band „Heiligkeiten“ nun der fünfte und damit vorletzte Band dieser Mischna-Ausgabe im Verlag der Weltreligionen herausgekommen.

Es ist das Verdienst des evangelischen Pfarrers und Judaisten Michael Krupp in der Ausgabe der Mischna eine kritische und kommentierte Übersetzung aus dem Hebräischen vorzulegen. Er wurde 1970 von der Berlin-Brandenburgischen Kirche (damals (-West) nach Jerusalem entsandt, um eine kirchliche Begegnungsstätte aufzubauen. Er ist mit einer Jüdin verheiratet und lebt seitdem in Israel, nunmehr im Ruhestand und arbeitet als Dozent an der Hebräischen Universität Jerusalem. Michael Krupp hat Publikationen zum christlich-jüdischen Dialog herausgegeben. „Quellen jüdischer Religion, das Opfer, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2015“ weiterlesen

„Kreuz und Auferstehung“ statt Gewalt und sühnendem Opfer. Ein Bericht, Christoph Fleischer Dortmund 2001

„Das Kreuz Jesu. Gewalt – Opfer – Sühne.“ – Jahrestagung der Gesellschaft für Evangelische Theologie vom 19. bis 21. 2. 2001

Als das Thema der Jahrestagung der Gesellschaft für Evangelische Theologie vom 19. bis 21. 2. 2001 in Münster vor zwei Jahren ausgesucht wurde, lag dessen Akzentuierung auf der Erfahrung von Gewalt und entsprechenden Antworten christlicher Theologie. Dies bot sich auch von daher an, da bekannt war, dass Anfang 2001 die ökumenische Dekade gegen Gewalt seitens des Ökumenischen Rates der Kirche eröffnet werden würde. Fernando Enns, Mitglied des Zentralausschusses des ÖRK und Initiator dieser Dekade nahm als Mitglied der Gesellschaft an der Jahrestagung teil. In der Tagung, die auch für den theologischen Nachwuchs interessant war, wurde der thematische Schwerpunkt „Gewalt“ nun aber dem Hauptthema christlicher Theologie, „Kreuz Jesu“, zugeordnet, was gewiß auch schon eine Vorentscheidung für beide war.

Der Begriff „Opfer“ gerade vom Wort „Sühne“ her geradezu religiös gemeint, als „sacrifice“, konnte im Sinn von „victim“ gedeutet werden: Jesus Christus als Opfer der Gewalt in vielfältiger Form.

Einig waren sich eigentlich alle Referenten, dass das Verständnis des Opfers im religiösen Sinn in Bezug auf Jesus Christus nur dann zu halten ist, wenn es sich gerade nicht am Tod oder der Tötung Jesu festmacht, sondern an der „Hingabe“ seines Lebens für Gott im umfassenden Sinn und mit letzter Konsequenz. Dies zeigte auch Frau P.D. Dr. Sigrid Brandt am Beispiel eines Zitates von Psalm 40 mit der Aussage: Den Willen Gottes im Alltag zu erfüllen, sei wichtiger als Opferkult. Dies führte zu der Deutung des Opfers als Lebenshingabe, und auf der Ebene der Tagungsdiskussion zur Alternative: Hingabe/Opfer oder Kreuz.

Der Begriff „Sühne“ trat in den Hintergrund, vielleicht auch deswegen, weil der vorgesehene Referent Prof. Bernd Janowski aus gesundheitlichen Gründen abwesend war und sein Vortrag lediglich vom Vorsitzenden der Gesellschaft Dr. Rudolf Weth vorgetragen werden konnte. Die heilvolle Bedeutung des Kreuzes Jesu erkannte man nun gerade nicht im von Prof. Bernd Janowski vorgeschlagenen Wort von der Stellvertretung, sondern, für manche vielleicht (nicht) überraschend, von der Aussage, dass die Auferstehung Jesu die Heilsbedeutung des Kreuzes erschließe und dass das Kreuz in sich keine sühnende oder opfernde Funktion haben kann.

Auch die paulinische Theologie, so schilderte es Prof. Michael Wolter ergab keine Anhaltspunkte für ein solches Verständnis des Kreuzestodes Jesu. Die Stellen der paulinischen Briefe, die theologisch gemeint sein könnten, zeigen bei näherer Betrachtung, dass viele heilsbetonenden Aspekte hier nachträglich eingetragen sind. Ursprünglich verstand Paulus das Kreuz als Anstoß, als Schmach des Sklaventodes im römischen Reich. Auf der Ebene der paulinischen Gemeinden hatte das Kreuz durchaus einen positiven Sinn, den eines Identitätszeichens: Der gemeinsame Bezug der Glaubenden zum Auferstandenen, der als der Gekreuzigte gezeichnet ist, vermittelt die Gemeinschaft von Unterschiedlichen, von Juden und Heiden, Männern und Frauen, Sklaven und Freien. So ist aus österlicher Sichtweise das Kreuz Jesu, so gewaltsam es war, im nachhinein als gemeinschaftsstiftend erlebt worden. Dies führte in einer Diskussion zu dem vielleicht nicht ganz ernst gemeinten Vorschlag, dass in der Passionszeit durchaus auch einige Osterlieder gesungen werden könnten.

Die Erfahrungen der Gewalt, die Frau Dr. Magdalene Frettlöh am Beispiel der sexuellen Gewalt als „Todeserfahrungen“ schilderte, werden doch letztlich nicht zum vorrangigen Thema der Kreuzestheologie, sowie sie sich nach dieser Tagung abzeichnet. Gewalt, also der Kontext und die Ursache der Kreuzigung im historischen Sinn, erweitert um das Opferwerden etwa von Opfern sexueller Gewalterfahrungen, aber auch anderen Opfern auch in politischer und ökologischer Hnsicht, wird wohl zum Wahrheitskriterium der Kreuzestheologie: Sage nichts, was den Opfern solcher Gewalt als Zynismus erscheinen müsste.

Dies ist aber noch keine Antwort auf die Frage nach der heilvollen Bedeutung des Kreuzes Jesu.

Gewalt, gerade in struktureller Form sieht Christinnen und Christen natürlich auch in der Täterrolle. Das Kreuz hat, so zeigte es Prof. Dr. Jürgen Moltmann in seinem Vortrag über das rechtfertigende und rechtschaffende Handeln Gottes, durchaus noch die Aufgabe, uns neben den Opferkriterien die vielfältigten Einbindungen in Täterstrukturen zu erinnern und darüber hinaus an die heilvolle und heilende Aussage der Botschaft des Lebens Christi in die Zukunft der Auferstehung hinein. Auf dem Hintergund der Kreuzigung wird die Auferstehung Jesu als das Ereignis der Erfahrung neuen Lebens, als die Quelle der Kraft im Hören auf das Wort vom Kreuz, als der Übergang zur Übermittlung des Geistes zum Heilsereignis. Auferstehung ist damit aber nicht nur Deutung, sondern ist als Form von Heilung und Heil zu sehen. Man mag sich fragen, ob die Gesellschaft für Evangelische Theologie nun wieder bei einem „alten Hut“ gelandet ist, der nach dem Einfluß der Bultmannschule auf die theologische Forschung und Lehre für überholt angesehen wurde, ob sie gar nun ein wenig katholisiert und von der Bedeutung des „höchsten Feiertags“ abzulenkt, oder ob sie nicht nun doch gerade in der Herausforderung der Postmoderne dazu anregt, die Texte der Bibel auf dem Hintergrund der Lebenserfahrung neu zu lesen, sie dabei von theologie – und kirchengeschichtlicher Überfrachtung zu lösen. Dann werden, wie von Prof. Dr. Jürgen Moltmann beschrieben, die Erfahrungen der Opfer von Gewalt und andere gesellschaftliche und soziale Erfahrungen auf dem Hintergrund der biblischen Botschaft und dem Zeugnis des zurechtbringenden Handelns Gottes gedeutet.

Die Tagung wurde dokumentiert in folgendem Buch: Das Kreuz Jesu, Gewalt – Opfer – Sühne, Rudolf Weth (Hg.). Neukirchener Verlag 2001