Predigten beim Schuljahresabschluss Lippe-Berufskolleg Lippstadt, Christoph Fleischer, Werl 2009

Predigten beim Schuljahresabschluss Lippe-Berufskolleg Lippstadt 2009

Predigt zum Gottesdienst: Lebensbaum und Zukunftsträume
Evangelium Markus 4, 30 – 34 Das Gleichnis vom Senfkorn
30 »Wie geht es zu, wenn Gott seine Herrschaft aufrichtet?«, fragte Jesus. »Womit können wir das vergleichen?
31 Es ist wie beim Senfkorn: Wenn es in die Erde gesät wird, ist es der kleinste Same, den es gibt. 32 Aber ist es einmal gesät, so geht es auf und wird größer als alle anderen Gartenpflanzen. Es treibt so große Zweige, dass die Vögel in seinem Schatten ihre Nester bauen.«

Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Eltern und Angehörigen, liebe Lehrerinnen und Lehrer, liebe Schulleitung,

Einstieg: Kürzlich kam ich auf die Frage, was habe ich, damals, in der Schule gelernt? Es kam so: Ich las in einem Buch eine kurze Notiz. Ein Doktorand der berühmten Hochschule in Harvard USA wurde gefragt, was er an der UNI gelernt hat, und er antwortete nur mit drei gleichlautenden Worten: „Prepare, prepare, prepare,…“ also auf Deutsch: „Bereite dich vor!“ Und als ich dies so las, fragte ich mich selbst, was ich denn antworten würde, und auf einmal fiel mir ein Satz ein, den ich in meiner Schulzeit öfters gehört hatte, und der lautet: „Es gibt keine dummen Fragen!“

Und so denke ich ist es gemeint, dass Jesus eine solche Frage aufgreift: »Wie geht es zu, wenn Gott seine Herrschaft aufrichtet?« Diese Frage lässt sich leicht vom Bild der Herrschaft her beantworten, und doch wäre diese Antwort falsch. Es ist wirklich keine dumme Frage, dies wird an den Bildern deutlich, die Jesus zur Erklärung gebraucht.
Diese Frage lautet für uns übersetzt heute: Was ist der Sinn unseres Lebens, von Gott her gesehen, also über unsere eigene Person hinaus? Wir können es oft nicht sagen, wir leben in der Gegenwart. Die Zukunft ist uns verschlossen.

Und doch wissen wir, dass die Zukunft kommt. Am Tag des Schulabschlusses, an Tagen eines Übergangs wird uns dies immer neu bewusst. Es gibt Einschnitte, es gibt Stufen. Die Zukunft liegt vor uns. Und so machen wir uns Vorstellungen.

Wünsche für die Zukunft, Zukunftsträume – die sind erlaubt. Die Frage: Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft, ist keine dumme Frage. Die greifbaren Ziele sind die nächsten. Die Vorstellungen von unserer Kindheit und Herkunft her, die nahe liegenden. Die Visionen, die gibt es auch noch. Ich gehe jetzt aus bestimmten Gründen nicht ins Detail.

Nur auf die drei Bilder des Textes sollten wir einmal schauen, und dann sehen wir auch drei mögliche Arten, sich auf Zukunft einzustellen:
– Das kleinste Samenkorn, das Senfkorn ist voller Potential. Wir sollten also unser Leben von unserem Potential her sehen.
– Aus dem Samen wächst eine Pflanze. Hier ist Entwicklung. Es gibt keien Zukunft ohne Entwicklung.
– In seinen Zweigen können Vögel ein Nest bauen. Das Leben in der Natur kann auch wieder nützlich für andere sein.
Diese drei Bilder gibt uns Jesus auf die Frage nach der Möglichkeit der Erfüllung von Gott her. Wir sollten uns diese Möglichkeiten bewusst in Frageform fassen:
Welche Wurzeln haben? Woher komme ich? Wo stehe ich? Was ist mein Potential?
Möchte ich wachsen? Sage ich „Ja“ zu Veränderungen?
Welche Art von Verantwortung möchte ich übernehmen? Womit möchte ich anderen dienen? Wer sind diese Anderen?

Wir möchte aber heute nicht bei diesen Fragen stehen bleiben, sondern in einer Aktion zeigen, dass wir, dass die Schülerinnen und Schüler, wie ich Sie jetzt bewusst noch einmal nenne, sich einmal dieser Herausforderung stellen. Doch dazu jetzt mehr!

– Danach folgte ein Aktion, bei der mit Zukunftswünschen beschriftete Blätter an einen vorbereiteten Baum gehängt wurden.

Predigt zum Gottesdienst „Die Welt vor mir ist für mich gemacht“
Evangelium Matthäus 5, 13 – 16: Salz und Licht
13 Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten.
14 Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. 15 Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. 16 So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.

Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Eltern und Angehörigen, liebe Lehrerinnen und Lehrer, liebe Schulleitung,
„Die Kraft des positiven Denkens“ so lautet ein Buchtitel. Früher war ich da skeptisch. Sollen wir jetzt alle Probleme unter den Teppich kehren? Doch heute bin ich der Meinung, dass dies nicht gemeint ist. Gemeint ist, dass wir Menschen aufgefordert sind, unser Leben bewusst zu leben, mit einer Einstellung, einem positiven und optimistischen Denken. Warum? Weil nur dieses positive Denken die Potentiale in uns freisetzen kann. Und wer hat´s erfunden? – Nicht die Schweizer, .. Nein, im Grunde stammt es von Jesus und ist in den Evangelien dokumentiert.
So auch in den Bildern dieses kleinen Textes aus der Bergpredigt Jesu. Den ich kurz erläutern möchte:
Zweimal: Ihr seid… Das ist doch schon die entscheidende Richtung. Es geht nicht darum, was andere von euch denken, sondern ihr seid! Es geht nicht darum, was andere für euch für gut halten und raten, sondern ihr seid! Das was ihr werden könnt, das habt ihr in euch. Hört auf zu existieren, fangt an zu sein! Das ist Wort am Tag des Schulabschlusses, des Übergangs in eine Berufsausbildung oder ein weiteres Lernen! Ihr seid. Geht Euren eigenen Weg, denn ihr habt ein Potential!
Dazu nun zwei Symbole: Ihr seid das Salz der Erde. Darin steckt eine Verheißung und ein Bild: Salz am Essen, das macht Geschmack. Ihr seid das, was der Erde den Geschmack gibt, die notwendige Farbe, das Leben. Eure Güte und euren Einsatz wollen die Menschen. Die Welt wartet auf euch. Stellt es nicht auf den Speicher, denn dann verdirbt das Salz. Nehmt euer Potential und gebt es in das Essen. Salzt mit euren Gedanken Worten und Taten. Wollt ihr zu etwas nütze sein, und wer wollte das nicht, dann entdeckt euer eigenes Potential, eure Bestimmung. Im Film Matrix wird dies anschaulich beschriebt, Neo, der Auswählte kann erst dann seiner Bestimmung gemäß handeln, als er entdeckt, was es bedeutet, an sich selbst zu glauben. Das ist kein rücksichtsloser Egoismus, sondern ein Aufruf zur Gemeinschaft. Aber zur echten Gemeinschaft und nicht zur Masse. Was Salz bedeutet, das hat jeder selbst in sich und für jeden und jede ist das auch verschieden.
Das nächste Bild unterstreicht das: Ihr seid das Licht der Welt. Dieses Bild kann zur Überheblichkeit verführen, doch das soll es nicht. Es geht einfach darum, nun auf die Welt zuzugehen. Das Licht, die Gegenwart, die Präsenz unter Menschen ist gefordert. Jeder dar auch in sein Kämmerlein zurückgehen, aber genauso darf er, oder sie leuchten, den anderen Menschen zeigen, was ihm oder ihr wichtig ist. Licht soll gesehen werden. „Stell dein Licht nicht unter den Scheffel!“ Entdecke deine Möglichkeiten, und lebe danach. Die Menschen, die auf dich warten, kennst Du vielleicht jetzt noch gar nicht. Das ist schon ein Grund, offen auf andere zuzugehen.
Schulabschluss ist ein Anlass, innezuhalten und nachzudenken, sich auf sich selbst zu besinnen. Ein Zeugnis sagt ja auch nichts anders als: Sie haben Potential! Und so greife ich noch einmal den Satz von Peter Fox auf: Die Welt vor dir ist für dich gemacht.
Auf die Zukunft zu gehen, bedeutet sich darüber Gedanken zu machen, was man denn von der Zukunft erwartet. Dazu wurden im Unterricht einige Beispiele genannt:
– Guten Schulabschluss
– Danach eine Ausbildungsteile, diese erfolgreich abschließen, Studium
– Mut, gute Arbeit, gutes Arbeitsklima, gute Arbeit leisten, Fleiß, Engagement, Ehrgeiz, Durchsetzungsvermögen, Mut, Erfahrung, Motivation
– Freunde, Familie, Erfolg, Verantwortung, Ehepartner, der mich unterstützt, Liebe, Zuneigung, Verlobung, Heirat,
– Viel Geld, eigenes Auto, eigene Wohnung, Haus, Vermögen
– Gesundheit, Glück, Unterstützung von Freunden
– Verstand, Intelligenz, Selbstbewusstsein, Zielstrebigkeit, Zufriedenheit, Selbständigkeit
– Entscheidungen treffen und davon überzeugt sein
– Gutes Allgemeinwissen, fortgeschrittene geistige Reife
– Auskommen mit Menschen, Freizeit
– Etappen, die wir in unserem Leben schon gemeistert haben und die wir noch meistern müssen
Überleitung: Es gibt eine Geschichte, die beginnt mit den Worten: „In einem Traum, betrat ein Mann einen laden. Dort stand ein Engel hinter dem Verkaufstresen…“

Im Fortgang des Gottesdienstes wurde diese Geschichte gespielt…

Lesung und Ansprache – Christoph Fleischer – zum Einschulungsgottesdienst der Conrad-von-Ense Schule am 17.08.2009

Lesung Jesus Sirach, Kapitel 6 (Gute Nachricht Bibel)

5 Durch freundliche Worte gewinnst du viele Freunde

und einleuchtende Rede verschafft dir ihre Zustimmung.

6 Menschen, die dich grüßen, solltest du viele haben;

aber als Ratgeber nimm nur einen unter tausend!

7 Wenn du jemand zu deinem Freund machen willst,

dann vertrau dich ihm nicht zu schnell an;

finde zuerst heraus, ob er es verdient.

8 Mancher ist dein Freund, solange es für ihn nützlich ist;

aber sobald du in Schwierigkeiten gerätst, ist er nicht mehr da.

9 Es gibt Freunde, die fangen Streit mit dir an und hängen es gleich an die große Glocke;

dann kommst du ins Gerede.

10-11 Es gibt Freunde, die mit an deinem Tisch sitzen,

solange bei dir alles zum Besten steht.

Sie folgen dir wie dein Schatten und befehlen deinen Dienern, als wären es ihre eigenen.

Aber sobald du in Schwierigkeiten gerätst, verschwinden sie.

12 Wenn es dir schlecht geht,

wollen sie nichts von dir wissen und lassen sich nicht mehr sehen.

13 Halte dich fern von deinen Feinden und

nimm dich in Acht vor deinen Freunden!

14 Ein zuverlässiger Freund ist wie ein sicherer Zufluchtsort.

Wer einen solchen Freund gefunden hat, der hat einen wahren Schatz gefunden.

15 Er ist nicht zu bezahlen und mit nichts aufzuwiegen.

16 Ein zuverlässiger Freund ist ein echtes Heilmittel;

wer dem Herrn gehorcht, findet einen solchen Freund.

17 Ein Mensch, der sich an den Herrn hält,

kann auch rechte Freundschaft halten;

denn der Freund, den er wählt, passt zu ihm.

Monatsspruch August 2009: Der HERR segne dich und behüte dich; der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden. Numeri 6,24-26

Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Eltern und Verwandten, liebe Lehrerinnen und Lehrer,

Der Segens-Spruch den ich vorgelesen haben, passt ganz gut zum vorgesehen Thema: Lächeln. Irgendjemand sagte einmal, Das Lächeln ist die netteste Art, jemandem die Zähne zu zeigen! Wir begegnen anderen Menschen, und egal ob es neue Freunde sind oder jetzt völlig fremde Gesichter, wir lesen in ihren Gesichtern unheimlich viele Botschaften, und umgekehrt, sie in unserem Gesicht. Es geht dabei um pure Menschlichkeit. Das nimmt jeder Angst und jeder Sorge den Wind aus den Segeln, denn die anderen zeigen uns: Wir sind Menschen, wie Du auch. Das gilt im Übrigen auch für Eure Lehrerinnen und Lehrer. Wir begegnen einander menschlich in unseren Gesichtern. Das menschliche Gesicht ist ein Phänomen. Es zeigt allgemeine Züge, es zeigt weibliche und männliche Züge und es ist auch ganz individuell. So gehen wir immer wieder aufeinander zu und wecken damit instinktiv aneinander auch die Neugier! Was macht der oder die andere so, denkt sie oder er vielleicht sogar ganz genauso wie ich? Vielleicht entdecken wir schon auf dem ersten Blick den Freund oder die Freundin! …

Wir begegnen also einander in Gesichtern, im Angesicht, früher sagte man im Antlitz. Und besonders sympathisch ist es uns, wenn diese Gesichter lächeln. In dem Segenswort, das wir gehört haben, wird genau dies von Gott gesagt, wenn er und Gutes wünscht und segnet. Gott kommt uns entgegen und begegnet uns im Lächeln seines Gesichts, ganz unsichtbar, versteht sich.

Das heißt zum einen: Gott begegnet uns freundlich. Gott will, dass es uns gut geht. Er begegnet uns, wie wir einem freundlichen Gesicht begegnen. Man kann auch sagen, dass Gott in Jesus unser guter Freund geworden ist. Gott sagt: „Ich segne dich und behüte dich.“

Das zweite ist: Gott begegnet uns in jedem menschlichen Gesicht. Jedes menschliche Gesicht ist das uns Fremde, das ganz andere. Wir Menschen können uns nahe kommen, und werden uns doch einander immer auf eine bestimmte Art respektieren müssen, weil wir anders sind, und verschieden. Gott sagt: „Ich lasse dein Angesicht leuchten über dir und bin dir gnädig.“

Im dritten Satz wird dies mit anderen Worten noch einmal betont: Gott kommt uns nah. Sein Wort ist seine Gegenwart. Das Lächeln Gottes wird damit zu einem guten Wort, zum Wort Segen. Gott sagt: „Ich hebe mein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.“

Und so kommt in diesem Wort des Segen doch beides zusammen, die Nähe Gottes und sein Lächeln und die Nähe der Menschen und ihr Lächeln. Gott ist Mensch geworden in Jesus, zu Weihnachten im Kind in der Krippe. (Daher ist auf manchen Krippendarstellungen das Jesuskind mit einem Lächeln gemalt worden.) Gottes Zeichen unter uns Menschen ist seitdem das menschliche Lächeln.

Um daran zu erinnern bekommt jetzt jeder Schüler und jede Schülerin, die heute neu anfangen einen Smile-Aufkleber, der dann bitte auf das Lerntagebuch geklebt werden soll, das Bild eines Lächelns.

Das Betheler Bekenntnis. Kurze Einführung und Zusammenfassung von Christoph Fleischer, Werl 2008

Das Betheler Bekenntnis wurde im August 1933 unter der Mitarbeit von Dietrich Bonhoeffer und der Verantwortung von Friedrich von Bodelschwingh als das geplante Bekenntnis der „Deutschen Evangelischen Kirche“ verfasst. „Das Betheler Bekenntnis. Kurze Einführung und Zusammenfassung von Christoph Fleischer, Werl 2008“ weiterlesen

Beobachtungen zur Biografie Dietrich Bonhoeffers. Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2010

Zu Dietrich Bonhoeffer Jahrbuch 3, Dietrich Bonhoeffer Yearbook 3, 2007/2008, Hrsg. Von Victoria J. Barnett u.a. ISBN 978-3-579-01893-5, 49,95 Euro.

Die zu einer Rezension doch recht flüchtige Lektüre eines Buches kann dennoch dazu führen, sich einige Fragen zu stellen, Fragen nicht an das Buch, auch keine Fragen die das Buch hinterfragt, sondern Fragen, die den Leser motivieren, sich mit der Sache intensiver zu befassen. Im Falle des vorliegenden Buches, aber sicherlich nicht nur hierbei, könnten dies auch Fragen sein, die eine bestimmte öffentliche Meinung über eine Sache oder Person in Frage stellen, da von den hier dokumentierten Quellen und Diskussionsbeiträgen neue Fragen entstehen.
Da sich dies alles auf die Person und den Menschen Dietrich Bonhoeffer bezieht, so muss ich schon allein dadurch feststellen, dass sich auch hierbei wieder zeigt, dass sich Dietrich Bonhoeffer noch über 60 Jahre nach seinem Tod nicht endgültig erschließen oder festlegen lässt – oder ist dies auch nur ein Beispiel dafür, dass dies letztlich für jeden von uns gilt? „Beobachtungen zur Biografie Dietrich Bonhoeffers. Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2010“ weiterlesen

Vom ‚Vorhof der Heiden‘ Notiz von Christoph Fleischer, Werl 2010

Trotz allem, was die katholische Kirche im Moment erschüttert, dass sie nämlich offen vor die Konsequenzen ihrer jahrelangen Vertuschungspolitik gestellt wird, lese ist gerade im Rundschreiben das Vatikans eine interessante Notiz:

Vatikan: eine Stiftung für den Dialog zwischen der Kirche und den Nichtgläubigen:

http://www.zenit.org/article-19921?l=german

In diesem Abschnitt wird der Dialog des Vatikans mit Organisationen von Nicht-Gläubigen und Atheisten in Aussicht gestellt. Dies halte ich für eine großartige Geste. Als Gründungsort dieser Stiftung wird Paris in Aussicht gestellt. Es geht darum, wahrzunehmen, dass die Positionen der Gottsucher und Atheisten auch von einer bestimmten für sie eignen Spiritualität geprägt sind. Erzbischof Gianfranco Ravasi, der Präsident des päpstlichen Rates für die Kultur, stellte diese Idee mit folgenden Worten vor: Absicht des Vatikans sei es, „den Raum der Spiritualität der Gottlosen zu studieren und die Thematiken der Beziehung zwischen Religion Gesellschaft, Frieden und Natur zu entwickeln. … Mit dieser Initiative möchten wir allen helfen, aus einer verkümmerten Konzeption des Glaubens herauszukommen und zum Verständnis zu kommen, dass die Theologie von wissenschaftlicher Würde mit einem epistemologischen Status ist.“

Diese Ankündigung bezieht sich auf eine Rede des Papstes am 21.12.2009, in der aus der Konsequenz seines Besuches in Paris 2008 sich auf die Frage des Gottsuchens bezog:

„Als ersten Schritt von Evangelisierung müssen wir versuchen, diese Suche wachzuhalten; uns darum mühen, dass der Mensch die Gottesfrage als wesentliche Frage seiner Existenz nicht beiseite schiebt. Dass er die Frage und die Sehnsucht annimmt, die darin sich verbirgt. Hier fällt mir das Wort ein, das Jesus aus dem Propheten Jesaja zitiert hat: dass der Tempel von Jerusalem ein Gebetshaus für alle Völker sein solle (Jes 56,7; Mk 11,17). Er dachte dabei an den sogenannten Vorhof der Heiden, den er von äußeren Geschäftigkeiten räumte, damit der Freiraum da sei für die Völker, die hier zu dem einen Gott beten wollen, auch wenn sie dem Geheimnis nicht zugehören konnten, dem das Innere des Tempels diente. Gebetsraum für alle Völker – dabei war an Menschen gedacht, die Gott sozusagen nur von ferne kennen; die mit ihren Göttern, Riten und Mythen unzufrieden sind; die das Reine und Große ersehnen, auch wenn Gott für sie der »unbekannte Gott« bleibt (Apg 17,23). Sie sollten zum unbekannten Gott beten können und damit doch mit dem wirklichen Gott in Verbindung sein, wenn auch in vielerlei Dunkelheit. Ich denke, so eine Art »Vorhof der Heiden« müsse die Kirche auch heute auftun, wo Menschen irgendwie sich an Gott anhängen können, ohne ihn zu kennen und ehe sie den Zugang zum Geheimnis gefunden haben, dem das innere Leben der Kirche dient. Zum Dialog der Religionen muß heute vor allem auch das Gespräch mit denen hinzutreten, denen die Religionen fremd sind, denen Gott unbekannt ist und die doch nicht einfach ohne Gott bleiben, ihn wenigstens als Unbekannten dennoch anrühren möchten.“

Quelle:http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/speeches/2009/december/documents/hf_ben-xvi_spe_20091221_curia-auguri_ge.html

Die Interpretation der symbolischen Tempelreinigung Jesu bezieht sich darauf, dass der damalige Vorhof der Heiden, der zu einem Marktplatz geworden war, wieder zu seiner ursprünglich gedachten Funktion würde, einem Versammlungs – und Gebetsplatz der Angehörigen aller Völker, die hier zusammenkamen um zu beten, ohne dass sie den inneren Bereich des Tempel hätten betreten dürfen. Die Verbindung dieser Aktion mit der Tempelreinigung Jesu als ein Akt der Befreiung von den Gesetzen des Marktes halte ich für sehr gut und weiterführend. Der Papst allerdings hält hier an der Analogie Kirche und Tempel fest, die das Bild seiner Rhetorik hier bestimmt. Die Interpretation der Tempelreinigung Jesu müsste aber dann auch bedeuten, dass Jesus gerade diesen Vorhof des Tempel zur Begegnungsstätte des neuen Gottesvolkes gemacht hat, ein Volk aus allen Völkern, ein Volk derjenigen, die vor den Anhänger der alten Religion als Ungläubige dastehen! Es ist daher gut, dass der Erzbischof Ravasi im Gegensatz zum Papst den Dialog mit Agnostikern und Atheisten nicht in einen Zusammenhang mit Evangelisierung oder Mission stellen will, sondern in den Zusammenhang mit Dialog.

Der Vorhof der Heiden wird zur Versammlungsstätte der Kirche Jesu. Das hatte Jesus beabsichtigt und das ist Pfingsten Wirklichkeit geworden. Die Kirche, nicht nur die katholische, wird sich fragen lassen müssen, ob sie dieser Öffnung auch zustimmt, oder ob sie weiterhin meint, sie wäre im exklusiven Besitz der Wahrheit. Die Initiative, den Vorhof der Heiden in der Nachfolge Jesu wiederzuentdecken, ist eine gute Anregung!