Sieben Kurzbesprechungen kurz vor Weihnachten, Christoph Fleischer, Welver 2015

Da bekanntermaßen kurz vor Weihnachten recht viele Bücher gekauft werden, möchte ich doch noch einige Bücher empfehlen, die ich gesichtet habe.

Ziegler

Renatus Ziegler: Freiheit und Schicksal, Eine Philosophie der Wiederverkörperung, Edition Hardenberg, Verlag freies Geistesleben, Stuttgart 2015, 487 Seiten, Paperback, ISBN 978-3-7725-2498-1, Preis: 22,00 Euro

Zunächst interessiert mich die Begrifflichkeit „Wiederverkörperung“. So etwas ist ja möglicherweise etwas anderes, als die vielerorts angesprochene Wiedergeburt. Es gibt Bibelstellen, in denen sich der Begriff Auferstehung auch als Wiederverkörperung deuten ließe, z. B. wenn man meinte, Jesus wäre der auferstandene Prophet Elia oder Elisa. Dann gibt es von Jesus auch die Vorstellung, er sei präexistent gewesen, bevor er auf der Erde gelebt habe und danach sei er dahin zurückgekehrt, von wo er eines Tages erneut kommen wird.

Renatus Ziegler geht auf solche Fragen aus seiner Sicht (zunächst) nicht ein, sondern skizziert das Verständnis von Wiederverkörperung aus der Sicht der Anthroposophie. Wichtigste Erkenntnis ist dabei: Ein Mensch bleibt ein Mensch. Es gibt keine Wiederkehr in andere Kreaturen oder in das Leben insgesamt, wie das eine von Hinduismus und das andere vom Buddhismus geglaubt wird. Jeder Mensch ist und bleibt ein Individuum, das aber nach dieser Vorstellung irgendwie schon einmal da war. Die Frage ist natürlich, was nützt uns das? Immerhin: Es gibt ein Leben nach dem Tod. Und manche interessiert auch, was vorher war. Die Vorstellung der Auferstehung bleibt immanent und ist doch auch religiös. Eine geistige Existenz ist nicht einfach verschwunden. Das glaube ich auch. Aber wie und wo sie weitergeht, das ist und bleibt Glauben, oder -kritisch gesagt- Spekulation. Immerhin: Das ist kein unchristliches Denken, aber eines, das sich mit anderen Ideen und Vorstellungen verbindet. Das Buch lädt wenigstens dazu ein, die Idee von der Wiederverkörperung einmal gründlich zu durchdenken, um zu spüren, dass es so verstanden gar nicht so fremd ist, wie es sich zunächst anhört. Trotzdem, etwas einfach und verständlicher wäre mir lieber gewesen. Hier wird doch eine ganze Menge an anthroposophischer Lehre vorausgesetzt, die manchmal nicht leicht nachzuvollziehen ist. Aber da mir schon in so manchen seelsorgerischen Gesprächen eine Idee der Wiedergeburt begegnet ist, die geglaubt wird, wird der Synkretismus in dieser Hinsicht schon recht weit verbreitet sein. Ich möchte verstehen, nicht verurteilen. Dazu ist ein solches Buch ein guter Denkanstoß.

 

Werkbuch Heilen von Bernd Schlueter
Werkbuch Heilen von Bernd Schlueter

Annebärbel Claussen, Bernd Schlüter: Werkbuch Heilen, Oder: Heilung als spiritueller Weg – eine praktische Ermutigung, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2015, 255 Seiten, Paperback, mit CD-ROM, ISBN: 978-3-579-07420-7, Preis: 24,99 Euro

Es ist sicher vielen klar, dass Spiritualität heute für die Lehre und Praxis der Seelsorge kein Fremdwort mehr ist, wenn es das je war, und dass sie verbunden mit dem Begriff „Spiritual Care“ nicht nur in kirchlichen Krankenhäusern verbreitet ist. Die Auseinandersetzung mit dem Begriff „Heilung“ ist dringend erforderlich, da die Schulmedizin (immer noch) mehr verspricht, als sie hält, wenn es nicht nur eine Frage der Kommunikation ist. Heilung als Ziel oder Lebensinhalt funktioniert nur, wenn wir uns nicht mehr helfen oder therapieren lassen, sondern wenn wir verstehen, was wir selbst beitragen müssen. In diesem Buch wird bewusst die Perspektive der Fremdheilung zur Selbstheilung gewechselt. In meiner Seelsorgepraxis an der REHA-Klinik greife ich jedoch eher auf traditionelle Formen der Spiritualität zurück, da in den Angeboten der Klinik bereits Meditation gemacht wird.  Dann sagen die Patienten in der Andacht: Bitte nicht, wir haben heute schon meditiert. Andererseits frage auch ich schon mal im Gespräch nach der Andacht, wenn es zu diesem Thema Heilung kommt: „Lassen Sie noch arbeiten?“ Das Buch enthält viele Anregungen, die praktischerweise auch von CD kopiert werden können, kleine Texte, Methoden und Anleitungen zur Meditation. Die Frage ist, ob nicht die Selbstheilung in gutem Verhältnis zur Fremdheilung stehen sollte. In der traditionellen Arbeit spricht man ja auch von einem Wort, das man sich nicht selbst sagen kann. Heilung ist und bleibt zuletzt unverfügbar und ist damit ein Teil der Wirklichkeit Gottes. Ich muss als Seelsorger/Seelsorgerin nicht zum Arzt/zur Ärztin werden.

Thole Shakti

Eva Thole: Die göttliche Shakti, Die Kraft des Weiblichen im Yoga, Theseus Verlag, Bielefeld 2015, 249 Seiten, Paperback, mit Postkarte „Shiva“, ISBN print:  978-3-89901-913-1, Preis 16,95 Euro

 

Kurz nach einem Besuch im Hindu-Tempel in Hamm wurde mir dieses Buch vom Verlag angeboten, das auf eine Verbindung zwischen Hinduismus und Yoga hinweist. Schon die beigefügte Meditationskarte „Shiva” zeigt dies. Die Autorin Ela Thole ist Deutsche und lebt seit 1993 als Yoga-Lehrerin und Tourismusberaterin in Auroville, Südindien. Die indische Tradition kann verständlicherweise zwischen religiös-hinduistischer Praxis und der Gesundheitslehre Yoga nicht trennen. Diese Verbindung ist enger, als es Eva Thole zunächst aufgefallen ist. Jetzt weiß sie, dass der Hinduismus die „Einbindung des menschlichen Lebens in eine übergeordnete Dimension lehrt.“ (S.  17). Shakti, wie es im Titel des Buches heißt, ist mehr als ein Göttername. Er bezeichnet „das Absolute Brahma in seinem Kraftaspekt.“ (S. 19). Die östlichen Religionen weisen zu Recht auf die Verbindung alles Lebendigen hin. Trotzdem sollte man schon etwas von Yoga oder Hinduismus gehört haben, um dieses gleichwohl interessante Buch zu lesen.

Aleida Assmann

Aleida Assmann, Im Dickicht der Zeichen, stw 2079, Suhrkamp Verlag, Berlin 2015, 36ß Seiten, Taschenbuch, ISBN 978-3-518-29679-0, Preis:  18,50 Euro

Auch wenn es nicht unbedingt nötig ist, danach zu fragen, mit wem ein Autor oder eine Autorin verheiratet ist, so zeigt es hier schon, dass beide, der etwas ältere Jan Assmann, genauso wie seine Frau Aleida Assmann Orientalistik lehren.  Obwohl das Buch in seinem Mittelteil auf die Zeichen- und Schrifthaftigkeit der Hieroglyphen eingeht, so soll es aber darüber hinausgehend als „Lehre von den Zeichen“ verstanden werden (Semiotik). Folgerichtig wird das so erhaltene Zeichenverständnis auf das heutige Lesen und Leben angewandt. Der allerletzte Abschnitt ist mit dem Wort „Dekonstruktion“ überschrieben. Aleida Assmann geht hier auf Derridas Zeichenverständnis ein: „Es führt kein Weg mehr zurück zur Reaktivierung der Evidenz eines intersubjektiven Sinnes.“ (S.  324). Und weiter: „Die dekonstruktive Hermeneutik löst sich damit von einem Kommunikationsmodell ab und konzentriert sich auf das, was dem zwanghaft verstehenden Lesen verborgen blieb:  auf Widerständiges, Dissonanzen, Verschiebungen, Brüche und den Subtext des Unbewussten.“ (S. 325). Das Buch ist ein Studienbuch, das nicht einfach nebenher gelesen werden kann. Wie Aleida Assmann zeigt, ist die Lehre von den Zeichen interdisziplinär aktuell.

Franziskus Gehen

Papst Franziskus: Gehen mit Jesus, Das Herz des christlichen Lebens, Mit einem Vorwort von Guiliano Vigini, Butzon & Bercker, Kevelaer 2015, 159 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-7666-2180-1, Preis: 17,95 Euro

Das Buch ist nicht in einem Zug am Schreibtisch des Papstes entstanden, sondern es enthält eine Zusammenstellung von Predigten, Andachten und Ansprachen, die zum Teil auch nur auszugsweise zitiert werden. Die anfänglich sehr aktuellen und wirklichkeitsbezogenen Äußerungen des Papstes können zudem nicht deutlich von den anderen, mehr klerikal-traditionellen der Gegenwart abgegrenzt werden. Einen Bezug zu Jesus Christus dürfte man in so ziemlich jeder Predigt finden. Trotzdem findet der Papst meist klare Worte: Glaube und Wirklichkeitsbezug müssen identisch sein. Das wird am Leben von Jesus Christus verdeutlicht. Die dazu nötige Christusmystik wird von Papst Franziskus recht häufig zitiert, z. B. Johannes vom Kreuz. In einer Predigt über die Taufe verdeutlicht er diesen Zusammenhang am Sakrament, da jedes Sakrament einen Wirklichkeitsbezug herstellt. Die klerikale Seite ist also in die progressive und gesellschaftskritische eingewoben. Kirche, egal welcher Konfession, kann und darf sich nicht von der Wirklichkeit der Welt unterscheiden wollen.

Schwikart

Georg Schwikart: Prüft alles, behaltet das Gute, Selbst entscheiden was man glaubt, Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2015, 224 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-451-32809-1, Preis: 19,99 Euro

Dieses Buch werde ich noch ganz lesen müssen. Georg Schwikart, ein katholischer Laientheologe und bekannter Publizist, arbeitet inzwischen als evangelischer Pfarrer. Er hat eine Vielzahl von Büchern verfasst, kleinere Texte mit pädagogischem Anspruch, religiöse Texte wie kürzlich eine Sammlung von Psalmen und auch Reisebeschreibungen und Reiseführer. Er ist Mitglied der Gesellschaft für eine Glaubensreform (www.glaubensreform.de). Diesem Anspruch folgt auch dieses überkonfessionelle Buch, denn „Glaube lässt sich nicht mehr von oben verordnen“ (S. 10). Die Vielfalt der religiösen Erfahrung ist ein Reichtum und kein Makel. Kirche wird als Teil der Lebenswirklichkeit gesehen, nach einem Wort Martin Bubers: „Gott wohnt, wo man ihn einlässt“ (S. 20).

Krisenfest von Olav Meyer-Sievers
Krisenfest von Olav Meyer-Sievers

Olav Meyer-Sievers: Krisenfest, Stärke finden in seelischer Not, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2015, 192 Seiten, Paperback, ISBN 978-3-579-07097-1, Preis: 16,99 Euro

Wenn ein erfahrener Coach, Unternehmens- und Kommunikationsberater sich einem Kriseninterventionsteam (KIT) anschließt, wird man erwarten, dass die Erfahrungen und Kompetenzen der einen Seite, die andere Seite stärken und umgekehrt. Wenn daraus ein Buch wird, dann gibt es Schilderungen der Einsätze von Krisenintervention und Notfallseelsorge, fiktiv verfasst und verbunden mit Abschnitten, die diese Erfahrungen daraufhin befragen, was sie zur Stärkung von Menschen beitragen können. „Hilfe annehmen“, „Realitäten akzeptieren“, „Persönlichkeit“ sind nur einige Überschriften, die je auf eine geschilderte Einsatzsituation folgen. Klar ist für den Autor, der sich auch schon eine Zeit als Trauerredner versucht hat: Es muss immer um den Menschen gehen. Aber man kann auch genauer hinsehen und eben fragen, was diese Erfahrung für den Alltag austragen. So heißt es im ersten Kapitel, dass es eben nicht selbstverständlich ist, Hilfe annehmen zu können und zu wollen. Wer vom Einzelkämpfer zum Teamplayer wird, hat verstanden, worum es geht: nie um Wahrheiten, immer um Menschen.

Autor: christoph.fleischer

Christoph Fleischer, evangelischer Pfarrer in Westfalen, Mitglied in der Gesellschaft für evangelische Theologie und in der Dietrich Bonhoeffer Gesellschaft.

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