Predigtgedanken zu Exaudi 2020, Emanuel Behnert, Lippetal 2020

Gnade sei mit uns und Friede, von Gott unserem Vater und unserem HERRN Jesus Christus. Amen.

Foto: Niklas Fleischer (c)

Liebe Schwestern und Brüder!

Beim Nachdenken über die Texte des heutigen Sonntags denke ich auch immer wieder über die aktuelle Situation meines eigenen Lebens nach. „Der Herr ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen?“

Eingangsworte des 27. Psalms, denen – fast verzweifelt wiederholte Bitten folgen – die darum beten Gehör zu finden. Und Antwort zu bekommen. Licht und Heil.

Aber in mir ist es unendlich finster. Und ich kann es nicht ändern. Zwei Wochen ist es her, seit sie, mit der alles Licht und Heil gewesen ist, ausgezogen ist. Zwei Wochen sind es nun, die ich in einer eigenen Dunkelheit verbringe. Es gelingt nur selten, Freude zu finden am Sonnenschein. Und der bewölkte Himmel scheint nur für das zu stehen, was ich im tiefsten Inneren im Moment empfinde.

Sie haben sich zum Grillen verabredet. Alle aus der Familie, zu der ich vor meiner Scheidung auch einmal dazu gehört habe. Bei meinem Sohn. Durch Zufall habe ich es erfahren. Ich gehöre nicht mehr dazu. – Schon am Tag wird das Helle dunkel. Und das Heil bleibt aus.

Mitten im Leben steht er. Und merkt plötzlich, dass er weniger und weniger wird. Darmkrebs. Operation. Chemotherapie. Nichts ist mehr so, wie es vor kurzem noch gewesen ist. Und es fällt ihm zunehmend schwer einzustimmen in die Grundmelodie des 27. Psalms. Eher klingt doch an: „HERR, höre meine Stimme, wenn ich rufe; sei mir gnädig und antworte mir!“

Ein Mensch in Not, der dennoch um die Gegenwart Gottes weiß. Der aber SEIN Schweigen in seiner Situation nicht aushält. Auch dann nicht, wenn er ahnt, dass ER ein anderes Zeitmaß haben mag als wir. —- Ich kann das verstehen. Meine Mutter hat mich, uns Geschwister, oft durch „Sprachlosigkeit“ bestraft. Wenn sie nicht wollte, hat sie mit uns oft über viele Tage hinweg nicht gesprochen. Ein Trauma, das mich – zusammen mit anderen Erfahrungen aus der Kindheit – bis heute beschäftigt und begleitet.

Wie gut tut es, immer wieder einmal am Tag eine menschliche Stimme zu hören. Begegnung zu haben mit einem Menschen vis á vis. Von Angesicht zu Angesicht. Einer, der meine Hand nimmt, mich berührt. Sanft. Und ohne Vorbehalt, oder Erwartung. Unendliche Erfahrungen aus dem Hospizdienst tuen sich hier auf. Wenn der sentimentale Körperkontakt „nur“ noch die einzige Kommunikationsbasis zu dem ist der gehen muss. Wenn das „Sei mir gnädig“! übergroß wird. Im Leben und im Sterben. Auch dann, wenn wir erkennen müssen, dass jeder Abschied, jede Trennung, ein eigenes Sterben ist.

Ich lese weiter im Lektionar. In der Perikopenordnung. Und da heißt es im ersten Satz des eigentlichen Predigttextes: „Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR…“ SEINE Zeit. Nicht meine. Nur ER weiß, wie sie aussehen wird. Eine neue Zeit. Ich will darauf vertrauen, dass sie ganz anders ist, als das, was ich derzeit in meiner Zeit erlebe. Ja, da gilt nicht mehr die Angst um das Versagen. Sondern die Zusage: Schön, dass es Dich gibt. Du bist angenommen. Da gilt nicht mehr die Angst um das Auskommen morgen, sondern SEINE Zusage: Du hast die vollkommene Fülle des Lebens. Da gilt nicht mehr die Furcht vor der Schuld und eventuellen Schulden. Sondern: Du hast Gnade gefunden vor mir und damit auch vor den Menschen. Du bist mein geliebtes Kind, an dem ich Wohlgefallen habe. Amen.

 

 

Was Menschen gemeinsam leisten können, Rezension Konrad Schrieder, Hamm 2019

Zu:

Klaus Schmidt: Sie bauten die ersten Tempel. Das rätselhafte Heiligtum am Göbekli Tepe, in: C. H. Beck Paperback, Bd. 6239, Verlag C. H. Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-68806-5, 288 S., € 19,95.

Nach der bisherigen Geschichtsschreibung dürfte es das frühsteinzeitliche Heiligtum am Euphrat eigentlich gar nicht geben, denn über einen Kultus der Jäger und Sammler vor 12000 Jahren war bislang nichts bekannt. Eher durch Zufall tauchten bei einem Tel in der Nähe der Stadt Urfa auf Äckern Reste von Steilstelen auf, die die Aufmerksamkeit der Archäologen auf sich zogen. Klaus Schmidt (1953-2014) berichtet in seinem Buch über die Ausgrabungen, die von 1995 bis 2006 vier Bereiche mit Resten von über 200 T-förmigen Stelen und mehreren Opferschalen zutage förderten. Mit Liebe zum Detail beschreibt er die einzelnen Fundstücke, die mit Reliefs wilder Tiere, aber auch mit tierköpfigen Menschengestalten überzogen sind. Immer wieder tauchen Rundplastiken von Köpfen und Raubtieren auf, deren Bedeutung sich noch nicht erschlossen hat. Für die archäologische Forschung eröffnet sich damit absolutes Neuland, zu dem es nur durch Vergleiche mit zeitgeschichtlichen Artefakten etwa in Frankreich oder Stonehenge Annährungen geben kann. Dabei zeigt sich, dass die damalige Population im sogenannten fruchtbaren Halbmond des Nahen Ostens eine ganz eigene Art des Kultus und seiner Darstellungen hervorgebracht hat. Anhand der reichhaltigen Farbbebilderung kann der Leser immer wieder die Beschreibungen in den Texten nach- und mitvollziehen. „Was Menschen gemeinsam leisten können, Rezension Konrad Schrieder, Hamm 2019“ weiterlesen