Ostersonntag 2020, Emanuel Behnert, Lippetal 2020

 

„Christus spricht: Ich war tot. Aber siehe, ich  bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.“ (Offenbarung 1,18)

Christus spricht. Die lange Zeit des Schweigens ist vorüber. Wohl dem, der Ohren hat zu hören. Wohl dem dessen Tränen getrocknet sind und dessen Augen klar sehen und erkennen können. Wohl dem, dessen Herz nicht im Netz der Trauer hängen geblieben, sondern bereit ist, sich Neuem, Lebendigen zu öffnen. Mit diesen Gedanken möchte ich Sie liebe Schwestern und Brüder, liebe Leser, einladen vielleicht mit den Menschen in Ihrer Umgebung, oder auch virtuell verbunden über Youtube z.B., einzustimmen in ein Auferstehungslied, das uns Mut machen will, dem Leben zu trauen. Weil wir dem vertrauen dürfen, der dem Leben die Bahn gebrochen und uns eine vollkommen neue Lebensgrundlage geschenkt hat.

 

 

  1. Der Engel sagte: „Fürchtet euch nicht!
    Ihr suchet Jesus, hier ist er nicht.
    Sehet, das Grab ist leer, wo er lag:
    er ist erstanden, wie er gesagt.“
    Refr. Lasst uns lobsingen…

 

  1. Er ist erstanden, hat uns befreit;
    dafür sei Dank und Lob allezeit.
    Uns kann nicht schaden Sünd‘ oder Tod,
    Christus versöhnt uns mit unserm Gott.

Refr.: Lasst uns lobsingen…

Lassen wir uns an diesem Morgen hinein nehmen in das Ostergeschehen, wie der Evangelist Markus es uns in seinem 16. Kapitel überliefert hat:

 

1 Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. 2 Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. 3 Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? 4 Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß. 5 Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich. 6 Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. 7 Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingeht nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. 8 Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemand etwas; denn sie fürchteten sich. —- Wort des lebendigen Gottes. /Dank sei Gott dem Herren.

 

Antworten wir auf die Worte des Evangeliums mit dem Bekenntnis unseres Glaubens:

Glaubensbekenntnis Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erden. Und an Jesus Christus seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn,  empfangen durch den heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters, von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten. Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige, christliche Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben. Amen.

 

Die Gnade Gottes, unseres Vaters und die Liebe unseres HERRN Jesus Christus und die Gemeinschaft im Heiligen Geist sei mit uns allen. Amen.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

  1. Haben Sie es gerade eben bewusst mitgelesen? Bewusst mitgebetet? Jenes alte, großartige Bekenntnis der christlichen Kirchen, das sich mit wenigen Unterschieden durchgesetzt und in allen christlichen Religionsgemeinschaften annährend gleich gebetet wird. Das Credo. Ich glaube…

„…„und (ich glaube) an Jesus Christus, unseren Herrn, …am dritten Tage auferstanden von den Toten … ich glaube an den Heiligen Geist, … die Auferstehung der Toten und das ewige Leben.“

Glaube ich das wirklich? Angesichts der Widernisse, die sich mir auf meinem Lebensweg in den Weg stellen? Glaube ich das wirklich, angesichts der gegenwärtigen geschichtlichen und sozialen Situation, die einen jeden von uns in eine zunehmende Isolation treibt. Und nicht für wenige zur Belastungsprobe auf Leben und Tod wird?

Kann ich in meiner gegenwärtigen Lebenssituation überhaupt noch ein positives Glaubensbekenntnis formulieren, oder in ein solches ohne Vorbehalt einstimmen? Wie kann ich, angesichts der Erfahrungen meines Lebens, die ja auch meinen Glauben prägen, eben diesen ehrlich und ohne Vorbehalt bekennen? Gott in SEINEM Handeln, auch in meinem Leben wahrnehmen? Auch und gerade dann, wenn er vollkommen fern, fremd und unnahbar scheint? Vielleicht, indem ich mich eben nicht ausschließlich an alte und großartige Überlieferungen halte, sosehr sie auch ihre Berechtigung in unserem Glaubensleben haben. Sondern vor allem, indem ich meinen Glauben auf meine ganz eigene Weise bekenne: „Als ich ein Kind war, glaubte ich wie ein Kind. Ich glaubte an einen lieben Gott … er war mir schon vertraut in Jesus … Als ich erwachsen wurde, begann ich wie ein Erwachsener zu glauben… Mal sprach ich ihm die Kompetenz ab, oft auch die Liebe. Schließlich verweigerte ich ihm überhaupt die Anerkennung … Ich diskutierte in langen Nächten über Gottes Existenz, aber da war am Morgen kein Gott … Jesus wurde zum Traum … Und Auferstehung? Auferstehung war eine zynische Lüge in der Hand der Händler, zur Täuschung der Elenden … weiß Gott aber nicht der Grund meiner Hoffnung. Nun, da ich älter werde, entdecke ich neu die verschütteten Spuren Gottes. Ich beginne wieder, seiner Liebe zu trauen. Und so sage ich heute mutig, trotzig, befreit, jedoch ohne Anspruch auf Endgültigkeit: Gott hat Zeit für mich, hat Geduld mit mir … Mir ist Gott mit den Jahren wieder lieb geworden. Er wird meine Umwege verstehen.“ (Gerhard Engelsberger in Bausteine 10/2019 – Glauben und Bekennen; Beilage der Pastoralblätter)

Gottes Spuren festzustellen in unserem Leben, bedeutet auch, darauf zu achten, darauf zu lauschen, welche Umwege Gott selbst gehen musste, um uns zu erreichen, ohne uns in unserer uns zugedachten Freiheit einzuschränken. SEIN größter und doch vollkommen gerader Umweg endete nicht am Kreuz und nicht in einer dunklen Grabeshöhle am Rand der Stadt. Sondern in SEINER Lebenszusage an uns: „ICH lebe. Und ihr sollt auch leben.“

  1. Ich blicke auf das Bild des Anfangs. Ein buntes, Leben versprühendes Bild. Drei Menschen in verschieden farbigen bunten Gewändern. Wir sehen sie nur von hinten. Sie sind dem Horizont vor ihnen zugewendet. Grün und fruchtbar erscheint er. Im Glanz der aufgehenden Sonne. Sie selbst sind beschattet von zwei grünenden Bäumen. Rechts und links von ihnen. Die Zweige über ihnen scheinen ein Dach zu bilden. „Damit dich die Sonne des Tages nicht sticht, noch der Mond des Nachts.“ Aber vor ihnen breitet sich Leben pur aus. In das sie behütet und beschirmt, eigentlich ohne Sorge hineingehen dürfen und sollen.

Und dennoch: Wer mögen sie sein? Die drei Frauen am Morgen des dritten Tages auf dem Weg zum Grab? Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome? Auf dem Weg zu einem letzten Liebesdienst an einem, der nicht mehr unter ihnen ist, es nicht sein darf und kann? Trauer sind die Pflastersteine auf ihrem Weg. Und Angst. Wann sind sie das letzte Mal einem Verstorbenen begegnet, der ihnen so nahe stand, wie dieser Freund? Vielleicht noch nie. Die Fragen nach dem „Warum“ treiben sie um. Und die Fragen nach dem „Wie“ der „Wiederbegegnung“. Und was diese in ihnen auslösen wird. Am Ende wird es Entsetzen, Zittern und grenzenlose Angst sein, die sie verstummen lässt. Und nur nach und nach merken sie, dass dieses Ende nicht wirklich das Ende ist.

Ich blicke noch einmal auf das Bild. Wer mögen sie sein? Die zwei auf dem Weg nach Emmaus? Zu denen sich ein dritter dazu gesellt hat. Ein Fremder, der „zufällig“ in die gleiche Richtung zu gehen scheint. Sie haben ihn in ihre Mitte genommen. Ohne wahrzunehmen, dass die Farbe SEINES Gewandes die des Sonnenaufgangs ist. Sie sind gefangen in ihrer Trauer. In dem, was war. In dem, was sie verloren haben. Neues, eigenes können sie sich nicht vorstellen. Und plötzlich holt das Alte sie in vollkommen befreiender Weise ein. Sie erkannten IHN, als er beim „Abendmahl“ das Brot nahm, dankte, es brach und es ihnen reichte. Als ER über dem Kelch den Segen sprach und ihn mit Worten des Lebens weiterreichte. Mitten im Untergang – nicht nur des Tages – werden sie, werden wir mit einem neuen Mut zum Leben erfüllt. Und sie machen sich neu und verändert auf den Weg. Dorthin, wo gestern noch alles und alle vom größtmöglichen Unglück überschattet gewesen ist. Lebensfreude hat die Trauer abgelöst. Und sie verkünden voller Überzeugung allen: „Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und dem Simon erschienen. Und sie erzählten ihnen, was auf dem Wege geschehen war und wie er von ihnen erkannt wurde, da er das Brot brach.“                    Liebe Schwestern und Brüder! Wenn Sie in diesen Tagen ein besonderes Osterbrot, ein eigens für diese Tage gebackenen Hefezopf und eine Karaffe Wein in die Hand nehmen, halten Sie vielleicht einen Moment inne. Und erinnern sich an die Worte: Mein Leib für Euch gegeben. Mein Blut für Euch vergossen. Der Kelch des neuen und ewigen Bundes. Und fühlen Sie sich durchaus dabei verbunden mit unendlich vielen Glaubenden, die aus genau dieser Kraftquelle Tag für Tag leben. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist, als alle menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.

Lasst uns beten: Ewiger Gott, Du bist der Atem der Ewigkeit, du bist der Weg in die neue Zeit. Du bist das Leben, du bist das Leben, du bist das Leben, Gott. Wir danken dir für die Spuren des Lebens, das viel weiter ist als alles, was wir sehen und beschreiben können. Wir danken dir für die Hoffnung, die uns berührt. Darum bitten wir dich voll Vertrauen: Stärke die, denen die Hoffnung des Glaubens schwach geworden ist. Berühre die, welche sich einsam und verlassen fühlen. Lass Hoffnung und Leben wachsen bei allen, deren Leben gedemütigt und missbraucht worden ist. Sei nah unseren Kranken und allen, die sie begleiten. Nimm die Sterbenden an dein Herz. Berühre die ins Leben hineinwachsen mit deiner Liebe in Jesus. Schenke uns allen Frieden und Zuversicht in einer Zeit der Zweifel, Fragwürdigkeiten und Unsicherheiten. Mache uns immer wieder darin gewiss: Du bist da, in allem, was uns widerfährt. Und Du wirst nicht fallen lassen, oder preisgeben das Werk Deiner Hände, sondern voller Erbarmung zu jedem Deiner Geschöpfe, zu Deiner ganzen Schöpfung stehen. Auch wenn wir das vielleicht nicht wahrnehmen. Ehre sei Dir dafür in Zeit und Ewigkeit. Amen.

Wenn Sie mögen, singen Sie mit:

Jesus lebt! Ich bin gewiss, nichts soll mich von Jesus scheiden,keine Macht der Finsternis, keine Herrlichkeit, kein Leiden. Er gibt Kraft zu dieser Pflicht; dies ist meine Zuversicht.

Jesus lebt! Nun ist der Tod mir der Eingang in das Leben. Welchen Trost in Todesnot wird er meiner Seele geben, wenn sie gläubig zu ihm spricht: Herr, Herr, meine Zuversicht!

Und der Friede Gottes bewahre und behüte uns auf all unseren Wegen. Und so segne uns der allmächtige Gott und schenke uns SEINEN Frieden: + Der VATER, der SOHN und der HEILIGE GEIST. + Amen.

Ich wünsche Ihnen / Euch allen ein erfülltes und behütetes Osterfest in einer stürmischen Zeit.

Ihr / Euer Emanuel Behnert.

Andacht zu Karfreitag, Emanuel Behnert, Lippetal 2020

„So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass ER SEINEN eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an IHN glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.“ (Johannes 3,16

Die Gnade Gottes, unseres Vaters, die Liebe unseres Herrn Jesus Christus und die Gemeinschaft im Heiligen Geist sei mit uns allen. Amen.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Der letzte Schrei ist getan. Eli, Eli lama asabtani. Mitten im Todeskampf trotz allem ein letztes Gebet. Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen? Festhalten an Glaubensüberzeugungen. Trotz allem und gegen alles. ER, der dem Tod schon zu irdischen Lebzeiten die Stirn geboten und ihm SEIN NEIN entgegen geschleudert hat, ER ist nun selbst allem Anschein nach ein Verlierer im eigenen Todeskampf. ER, der Geschundene geheilt, ihnen eine Lebensperspektive und eine bleibende Würde zurückgegeben hat, ER wird der würdeloseste aller. ER, der Lazarus aus seinem Grab geholt hat, den Jüngling von Nain aus seinen Leichenleinen gewickelt hat, der ein junges Mädchen neu ins Leben gerufen hat, Er selbst muss unter größten Schmerzen den Weg in einen unausweichlichen Tod gehen. Hinein in eine kaum vorstellbare Gottesferne, Gottesfinsternis, vollkommene Entfremdung von Gott. Und dennoch hält ER fest an dem IHM fremd und fern gewordenen Gott. SEINE letzten Worte ein Gebet. Und der Vorhang im Tempel zerreißt. Gott selbst braucht ihn nicht mehr. Denn ER ist mitten unter den Menschen angekommen. Auch wenn sie, wenn wir IHN nicht wahrnehmen. Doch „Von nun an wird er der Welt an allen Orten sein vom Unrecht bedrohtes und verwundetes Menschengesicht zeigen.“ (1) Auch wenn es allzu Viele immer noch nicht wahrnehmen und sich an der Beschreibung des Schriftstellers Reinhold Schneiders offensichtlich nicht viel geändert zu haben scheint. Im Rückblick auf den flandrischen Aufstand 1566 berichtet er, vergriffen sich Soldaten beim Plündern einer Kirche auch an der Kreuzigungsgruppe im Altarraum. Das mittlere der drei Kreuze stürzten sie um, die Kreuze der beiden Übeltäter ließen sie stehen. Augenblicklich wurde die verwüstete Kirche selbst zur Deutung des Geschehens. Die Verbrecher links und rechts blieben in einer gottesleeren Welt sich selbst überlassen. Es gab keine Mitte mehr, der sie sich zuwenden könnten. Auch das „heute“, das dem einen der beiden Erlösung in Aussicht gestellt hätte, musste nun ausbleiben.

Wie viele Menschen gerade in der heutigen Zeit fühlen sich aktuell der Mitte des Lebens beraubt. Egal in welcher Erscheinungsform sie sie beschreiben. Und dennoch bin ich sicher: Diese Mitte kann nie und nimmer wirklich entfernt werden. Selbst dann nicht, wenn wir uns selbst im Weg stehen, sie wahr – sie anzunehmen.

Ein letzter Ruf. Ein letzter Atemzug. Nur noch wenige Äußerungen, in denen Gott am eindringlichsten neu erkannt wird. „Welch ein Mensch!“. Dann tiefes Schweigen. Erinnerungen. Verzweiflung. Dunkelheit, in der der zarte Lichtstrahl eines neuen Morgens noch nicht gesehen wird.

Schweigen so schwer auszuhalten. Etwas mehr als eine Woche ist es her, als ich mich mit einem befreundeten Kollegen traf. Nachmittags um 16 Uhr. Auf einer Bank außerhalb des Dorfes, in dem er groß geworden war. Wir saßen dort, tranken mitgenommenes Bier. Und lauschten der Totenglocke, die Menschen im Dorf verkündete: Ein Mensch aus Eurer Mitte ist heimgekehrt in die Ewigkeit. Es war seine Mutter. Eine halbe Stunde läutete die Glocke. Zwischen uns Nähe. Aber auch Schweigen. Schweigen, das von Minute zu Minute unerträglicher wurde, je länger es dauerte, kaum noch auszuhalten war. Und dennoch gehören Zeiten solchen Schweigens zu unserem Leben. Auch wenn wir verlernt haben mögen, sie anzunehmen, auszuhalten, sie mit Sinn zu füllen.

Vielleicht finden auch deswegen in unserer heutigen Zeit, wenn auch nicht in diesem Jahr, viele Osternachtsgottesdienste schon am Samstagabend statt. Wir haben leider allzu oft verlernt, den Mut aufzubringen, uns in unserem Schweigen an eine scheinbare Leere zu wenden. Und werden so allzu oft der Hoffnung auf eine Gebetserhörung, auf eine Antwort, die leise gegeben wird, beraubt. Ich wünsche uns allen, dass wir den Mut aufbringen können, das auferlegte Schweigen auszuhalten. Darauf zu vertrauen, dass unsere Tränen unseren Blick wieder klarer werden lassen. Damit wir erkennen: Es sind nicht mehr die Nägel, die IHN am Kreuz halten. Die Dornenkrone hat ER abgelegt. Dem Kreuz hält ER trotzdem stand. Und auch, wenn SEINE Augen geschlossen scheinen, SEIN Antlitz ist uns zugewendet. Trotz allem und in allem.

 

Ich wünsche uns allen eine gesegnete Zeit der Stille auf dem Weg hin zum befreienden Lobgesang am Ostermorgen, der uns nur in wenigen Worten gegeben wird: ER lebt.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem HERRN. Amen.

Gründonnerstag 2020, Emanuel Behnert, Lippetal 2020

 

Brot und Wein. Nehmt und esst. Mein Leib… Nehmt und trinkt. Mein Blut im Kelch des neuen und ewigen Bundes. Zum Mahl geladen. Und doch ist die Mahlgemeinschaft so weiträumig geworden. Und jeder irgendwie für sich. Kaum einer hat sich schon daran gewöhnt, dass wir dennoch, oder vielleicht gerade deswegen alle miteinander auf vielfältige Weise verbunden sind.

So, wie es schon in einer sehr alten Erzählung überliefert ist. Schon lange, bevor sie die Geschichte erzählten, kannten die Menschen die Angst vor dem, was ihr Leben und ihre Familien bedrohen könnte. Manche sagen, es war die Angst davor, dass sie ihr Vieh verlieren könnten und damit ihre Lebensgrundlage. Manche sagen, sie fürchteten Dämonen. So saßen sie zusammen in den Familien, die sie schützen wollten, und versuchten sich zu wehren gegen die Angst mit dem puren Leben. Ein Tier wurde geschlachtet, sein Blut an die Pfosten der Behausung gestrichen gegen die Angst und gegen das Verderben.

So, wie es Haschem, der EWIGE gefordert hat, zur Rettung aller, die sich trotz allem und gegen alles, vielleicht ja sogar gerade wegen allem zu IHM bekannten und treu an IHM festhielten.

Als sie ganz verstreut lebten im Exil in Babylonien, erzählten sie zu ihrem Fest eine große Geschichte, eine der größten Geschichten Israels. Sie erzählten von Sklaverei in Ägypten und davon, wie Gott sie nach Hause führte. Sie erzählten von großer Angst und großer Hoffnung. Sie gaben mit dieser Geschichte ihrer eigenen Angst und ihrer eigenen Hoffnung im Exil ein Gesicht und eine Stimme. Wer mag, kann diese Geschichte gerne zuhause nachlesen. Im Internet, oder vielleicht in der Konfirmations – oder gar Familienbibel. Sie steht im 2. Buch Mose im 12. Kapitel.

„Nehmt und esst. Mein Leib… Nehmt und trinkt. Mein Blut im Kelch des neuen und ewigen Bundes.“ – Der Angst und der Hoffnung eine Stimme geben. Das Fest, auf das wir zugehen, mit allem, was dazu gehört macht es möglich. Das Dunkel wird nicht ausgeklammert und verschwiegen. Aber es wird auch vollkommen zurecht auf einen immer wiederkehrenden und dennoch einmaligen Sonnenaufgang hingewiesen.

Alle Jahre erzählten sie vom Pessach Gottes. Sie erzählen die Geschichte in kleinen Hütten und großen Villen, in Kibbuzim und Ghettos, in New York und Rom. Die traditionelle Frage: Was unterscheidet diese Nacht von allen anderen Nächten? (Ma nischtana haLajla hase mikol haLejlot?) klingt immer noch jedes Jahr an vielen Orten der Welt. Menschen denken an die große Angst und die große Hoffnung. Manchmal hören sie nur Worte, manchmal trifft es sie ins Herz, mitten in ihr eigenes Leben. Pessach. Das Fest der ungesäuerten Brote.

Brot, das etwa so schmeckt wie unsere Hostien beim Abendmahl. Immer und immer wieder nahmen sie sie zu sich. Und erinnerten sich. Sie waren in Häusern versammelt, Reiche und Arme, und mussten erst begreifen, dass sie hier eine Gemeinde waren, und Rücksicht aufeinander nehmen lernen. Sie standen in dunklen, kalten Kirchen und nahmen voller Angst vor Höllenqualen das ungesäuerte Brot zwischen die Zähne. Sie tanzten in bunten Kleidern unter freiem Himmel und tranken den Wein.

Sie waren zu dritt in brandenburgischen Dorfkirchen und zu Tausenden beim Kirchentag. Und heute sitzen sie mitunter allein, oder im Kreis weniger lieber Menschen isoliert in ihren Wohnungen, in ihren Gärten, auf ihren Balkons. Mitunter einsam. Aber dennoch nicht allein gelassen. Denn der Gedanke an die Nacht voller Angst und voller Hoffnung war und ist immer dabei. Manchmal war der Raum voll mit jahrhundertealten Ängsten und jahrhundertealten Hoffnungen. Manchmal hörten sie nur Worte, schmeckten nur Brot und Trauben. Eine gute Tradition. Manchmal war sie viel mehr. Da öffnete sich der Raum für ihr eigenes Leben. Und in diesem Leben, in und aus dieser Tradition heraus fanden plötzlich auch andere ihren Platz. Diejenigen, denen man sonst aus dem Weg ging. Diejenigen, die sich selbst zurückzogen, aus welchen Gründen auch immer. Diejenigen, die gerade in ihrem Leben auf besondere Weise mit Not und Angst zu kämpfen hatten, die das Gefühl der Stigmatisierung nicht loswurden.

Am Tisch, bei Brot und Wein rückten alle zusammen. Und jeder bekam – zumindest vorübergehend, aber immer mit einem nachhaltig positiven Eindruck das Gefühl, doch willkommen zu sein, doch dazu zu gehören. Liebe Schwestern und Brüder! Wie viele schöne Mahlfeiern habe ich in diesem Sinn vor allem in Bethel und im Bereich der LWL – Kliniken in Lippstadt gefeiert. Und wie ansteckend war mitunter die Freude derer, die plötzlich für sich annehmen konnten und durften: Ich gehöre auch mit dazu. Auch ich bin eingeladen. „Nehmt und esst. Mein Leib. Nehmt und trinkt. Mein Blut im Kelch des neuen Bundes.“

„Jeder unter uns darf kommen, dass er Teil an dir gewinnt. Alle sind wir angenommen, wie wir hier versammelt sind: froh und traurig, stark und schwach, matt im Glauben, oder wach. (Detlev Block; BG 600,2)

Und: „als sie den Lobgesang gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg.“ (MK. 14,26) So heißt es in den heutigen Losungen der Herrenhuther Brüdergemeinde.

Mitten im Dunkel der Angst ein Hoffnungslied anstimmen. Bestimmt gehört da unendlich viel Kraft dazu. Und bestimmt werden die Klänge des Lobgesangs nicht die letzten in der Dunkelheit dieser Nacht sein. „HERR, lass diesen Kelch an mir vorübergehen.“, heißt es wenig später auch. Aber auch: „Dein Wille geschehe. / Meinen Geist befehle ich in DEINE Hände.“ Der Lobgesang, angestimmt trotz allem und gegen alles mitten in dunkelster Nacht: er klingt nach. Auch wenn es scheinbar noch finsterer zu werden scheint.

Und der Friede Gottes, der höher ist, als alle menschliche Vernunft, der bewahre und behüte Euch. Er sei mit Euch, in allem, was Euch widerfährt. Er stärke Euch, Euern Blick zu heben hin auf den Sonnenaufgang eines neuen Morgens, der niemand verborgen sein wird. Amen.

 

Anmerkungen: Bild: Hendrik Korthaus, Gehörlosenseelsorger EKvW, Dorsten, Kopiervorlage erteilt; Teilen der Gedanken liegen Textgedanken aus: „Platz am Tisch“, Claudia Neuguth, Pastoralblätter 4 / 2020 S. 279ff zugrunde.

Meditationen in der Karwoche von Emanuel Behnert, Lippetal 2020

Dienstag in der Karwoche 2020; Dienstag nach Palmarum

Ein Bild, das zum Nachdenken einlädt, um sich zu besinnen, zum ruhigwerden. Ein Bild, das eigentlich keiner weiteren Worte bedarf. Gottes Segen mit jedem Betrachter, mit jeder Betrachterin.

 

Danke Bishop Kerstin McNiesh; (altkatholische Kirche Amerika) eingestellt am  06.04.2020 auf Facebook. Kopierechte wurden mündlich erteilt.

Mittwoch in der Karwoche

Gnade sei mit uns und Friede, von GOTT unserem Vater und unserem HERRN Jesus Christus. Amen.

 

Liebe Schwestern und Brüder,

sie sind auf dem Weg nach Jerusalem. Sie sind auf dem Weg zu einem der höchsten Feste, die die Menschen in dieser Zeit, in dieser Region, in dieser religiösen Kultur kennen. Sie sind auf dem Weg zum Pessachfest. Aber sie sind auch auf dem Weg hin zum Kreuz. Auch wenn dies nur EINEM wirklich bewusst wird. Die Hälfte der Wegstrecke haben sie geschafft. Auch, wenn die Strecke des Lebens, die zu diesem Ziel geführt hat, viel länger gedauert hat. Wie viele Begegnungen. Wie viele Emotionen, die es anzunehmen und auszuhalten gab. Und immer wieder auch diese eine. Die Angst. Wievielmal aber auch die Dankbarkeit für Begegnungen und entspannende Momente, die aufgerichtet haben. Die dafür gesorgt haben, dass die Angst nicht dauerhaft der Sieger bleibt.

Eine Angst, die manch einen von uns in diesen Tagen sicher auch immer wieder gefangen nimmt. Weil der Weg nach Ostern hin so ganz anders ist, als wir das sonst gewohnt sind. Das Kreuz, von dem auch sonst öffentlich nur selten die Rede (gewesen) ist, ist in diesen Tagen auf ganz eigene Weise doch immer wieder greifbar. Und anders, als bislang bekannt, an allen Orten sichtbar. Überall dort, wo sich vermummte und behandschuhte Menschen aus dem Weg gehen und einen Riesenbogen umeinander machen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es in größeren Kaufhäusern, von denen ja nur noch die Wichtigsten geöffnet haben, so still gewesen ist. Eine greifbare Angst und ein Kreuz in ganz neuem Erscheinungsbild.

Mitten in diese alles lähmende Angst hinein ist mir ein Text von Paulo Coelho, einem brasilianischen Bestsellerautor begegnet, in dem er schreibt: „Ein Patient sagte zu seinem Arzt: „Angst beherrscht mein Leben, und sie hat mir alle Freude genommen.“

„Hier in meiner Praxis lebt eine Maus, die an meinen Büchern knabbert“, entgegnete der Arzt. „Mach ich zu viel Aufhebens von der Maus, wird sie sich vor mir verstecken, und ich werde nichts anderes mehr tun, als sie zu jagen.

Stattdessen habe ich meine wertvollsten Bücher an einen sicheren Platz gestellt und erlaube ihr, an den anderen zu knabbern. So bleibt sie eine einfache Maus und wird nicht zu einem Monster. Richten Sie Ihre Angst auf einige wenige Dinge, dann bleibt Ihnen Mut für das, was (wirklich) wichtig ist.“ (Paulo Coelho: „Der Wanderer“; Zürich 1998)

Vergessen wir also bei aller Schwere des Augenblicks, bei aller angstmachenden  Unverständlichkeit der Zeit, bei jedem Schicksalsschlag, den wir in diesen Tagen oft vermeintlich allein tragen müssen nicht, dass das Kreuz, egal, wie es aussehen mag, nicht die letzte Station auf dem Weg nach Jerusalem, auf dem Weg hin zu Ostern ist.

Und so lade ich Sie und Euch ein, wenn es Ihnen möglich ist einzustimmen in Verse des 71. Psalms, in dem es heißt: „HERR, ich traue auf dich, lass mich nimmermehr zuschanden werden. Errette mich durch deine Gerechtigkeit und hilf mir heraus, neige deine Ohren zu mir und hilf mir! Sei mir ein starker Hort, dahin ich immer fliehen kann, / der du zugesagt hast, mir zu helfen; denn du bist mein Fels und meine Burg. Denn du bist meine Zuversicht, HERR, mein Gott, meine Hoffnung von meiner Jugend an. Auf dich habe ich mich verlassen vom Mutterleib an; / du hast mich aus meiner Mutter Leibe gezogen. Dich rühme ich immerdar. Mein Mund soll verkündigen deine Gerechtigkeit, täglich deine Wohltaten, die ich nicht zählen kann. Ich gehe einher in der Kraft Gottes des HERRN; ich preise deine Gerechtigkeit allein. Gott, du hast mich von Jugend auf gelehrt, und noch jetzt verkündige ich deine Wunder.“

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.

Bleiben Sie Gott befohlen und gesund. Ihr Emanuel Behnert.

Predigten zu Passion und Ostern, Emanuel Behnert, Lippetal 2020

Dietrich Bonhoeffer im Hof von Tegel 1944, vierter von links (http://www.dietrich-bonhoeffer.net/leben/tegel/)

Palmarum 2020

 

„Gott hilf mir! Denn das Wasser geht mir bis an die Kehle. Ich versinke in tiefem Schlamm, wo kein Grund ist. Ich bin in tiefe Wasser geraten, und die Flut will mich ersäufen.“ (Psalm 69, 2.3)

 

Mit diesem Gebetsruf aus den Psalmen würden am Palmsonntag unsere Gottesdienste beginnen. Wie vielen Menschen heute geht es aus ganz unterschiedlichen Gründen genauso, wie es damals dem Beter aus alter Zeit gegangen ist?! „Das Wasser steht uns bis zum Hals.“ Angst hat sich breit gemacht. Die Frage nach dem „Was wird morgen sein?“ treibt viele um und bestimmt ihr Handeln. Purer Egoismus auf der einen Seite. Hamsterkäufe ohne Ende. Die Zahl der Mehlmotten in einigen Monaten in unserem Land mag ich mir gar nicht ausmalen.  Aber dann auf der anderen Seite eben auch Solidarität. Ich schaue nochmal nach, wo ich etwas von dem, was Du brauchst finde. Damit Du geschützt und hoffentlich wohl behütet zuhause bleiben kannst. Auch in der Gewissheit, wirklich keinen Mangel leiden zu müssen.

Ja, und dann sind da auch noch die Zyniker, zu denen ich mich zugegebenermaßen auch immer wieder einmal zählen muss mit meinem „schwarzen Humor“. Ihnen fallen dann Sprüche wieder ein wie dieser: „Wenn dir das Wasser schon bis zum Hals steht, solltest du nicht den Kopf hängen lassen.“ „Predigten zu Passion und Ostern, Emanuel Behnert, Lippetal 2020“ weiterlesen