Sünde coachen? Rezension von Joachim Wehrenbrecht, Herzogenrath 2019

Zu:

Klaas Huizing: Schluss mit Sünde! (Gebundene Ausgabe), Warum wir eine neue Reformation brauchen, Kreuz Verlag, Freiburg 2017, Gebunden, 128 Seiten, ISBN: 978-3-946905-08-0, Preis: 15,00 Euro

Link: https://www.herder.de/religion-spiritualitaet-shop/schluss-mit-suende!-gebundene-ausgabe/c-38/p-15310/

Im Büchlein „Schluss mit Sünde“ will Klaas Huizing endlich mit der „Sündenverbiesterung“ im Christentum brechen. Seiner Meinung nach hemmt das alte christliche Menschenbild jegliche Emanzipation und Entwicklung. Luther hat mit seiner Elitenkritik und kraft der Freiheit seines Gewissens, gebunden an das Wort Gottes, die Tür zu Freiheit und Partizipation (Priestertum aller Gläubigen) weit geöffnet, gleichzeitig aber unkritisch – so Huizing – die Erbsündenlehre Augustins weiter tradiert. Ferner: Mit seinem Simul-Justus-et-Peccator-Konzept bürstet Luther viele alttestamentliche und neutestamentliche Texte gegen den Strich. Er wird ihnen nicht gerecht.

In Folge von Luther, Calvin und anderen Reformatoren bleibt der Protestantismus trotz Aufklärung und Postmoderne einem negativen Menschenbild verhaftet. Das ist heute nicht mehr vermittelbar. Der „literaturfromme“ Klaas Huizing wählt eine andere Lesart der biblischen Geschichten. Anhand der Kain- und Abel-Geschichte zeigt er überzeugend, wie Scham sich in Schuld verschiebt.

Es geht gerade nicht um die Aussage, dass wir Menschen der Sünde verfallen sind und den Tod verdienen, sondern das Kainsmal schützt Kain. Die Geschichte evoziert ein Nachdenken, Scham nicht in Schuld umkippen zu lassen.

Huizing liest die Bibel als Weisheitsbuch. Sie ist für ihn kulturgeschichtlich gesehen ein großer Bildungsroman, Gott ein Weisheitslehrer und Jesus von Nazareth der größte Weisheitscoach aller Zeiten.

„Schluss mit Sünde“ enthält viele nachdenkenswerte Passagen und Anstöße, insgesamt ist es mir jedoch zu eklektisch und zu dünn in der Argumentation. Auf Augustins Erbsündenlehre wird rumgehackt, jedoch fehlt eine ernstzunehmende Auseinandersetzung mit paulinischer Schluss-mit-Sünde-Theologie, wo bekanntlich mit Christus endlich Schluss mit Sünde ist und ein Leben aus dem Geist die Sünde überwindet.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Autor und Verlag zum 500. Reformationsjubiläum schnell noch etwas Reißerisches auf den Markt bringen wollten. Einige durchaus lesenswerte Kapitel scheinen ungeschickt als Füllmaterial ins eh schon dünne Büchlein gerutscht zu sein.

Fazit: In „Schluss mit Sünde“ bleibt Huizing ironischerweise seiner calvinistischen Herkunft – die er als Kulturprotestant hinter sich lassen will – treu. Er ersetzt den Überwachungscalvinismus, der zum Ziel hatte, dass in der christlichen Gemeinde endlich Schluss mit Sünde sei, durch einen Bildungscalvinismus, der nicht mehr vom Sünder reden, sondern Sünde nur noch coachen will.
Vielleicht brauchen wir eine neue Reformation, wie es im Untertitel des Buches „Schluss mit Sünde“ heißt, aber das schmale Bändchen ist nicht annähernd eine Reformationsstreitschrift im Kaliber der Schriften Luthers 1517. Es darf bitte etwas mehr begründete Theologie sein.

Anmerkung: Die Rezension ist erschienen im Deutschen Pfarrerblatt 1/2020

Reformation in Bild und Text, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2017

Zu:

1. Martin Treu: Am Anfang war das Wort, Martin Luther und die Reformation in Europa, Ellert & Richter Verlag, Hamburg 2016, Softcover, 216 Seiten, farbig illustriert, ISBN 978-3-8319-0639-0, Preis: 14,95 Euro

Und:

  1. Matthias Gretschel: Auf den Spuren von Martin Luther, Mit Lutherstätten in Deutschland von A bis Z, Ellert & Richter Verlag 2015, 4. Erweiterte Auflage 2017, 288 Seiten, farbig illustriert, ISBN 978-3-8319-10563-8, Preis: 14,95 Euro

Das Buch über „Martin Luther und die Reformation in Europa“ ist ein lesbarer und trotzdem breit angelegter historischer Überblick. Die farbigen Illustrationen bieten nur wenige landschafts- oder Gebäudefotos, sondern ebenso Grafiken, Karten und Gemälde. Der Autor Martin Treu hat Erfahrungen darin, Ausstellungen und Buchprojekte zur Reformationsgeschichte zu erstellen. Inzwischen ist er Geschäftsführer der Luther-Gesellschaft und zugleich leitender Mitarbeiter am Reformationsjubiläum in Wittenberg. „Reformation in Bild und Text, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2017“ weiterlesen

Predigt über Epheser 6, 10-17, Christoph Fleischer, Welver 2016

Predigt für den 21. Sonntag nach Trinitatis 2016, gehalten in der reformierten Kirche Soest

Wir hören den heutigen Predigttext aus dem Epheserbrief:

Epheser 6, 10-17:
Fortan werdet stark durch den, zu dem wir gehören, und in der Kraft seiner Stärke. Zieht die Waffenrüstung Gottes an, damit ihr bestehen könnt gegen die Methoden des Teufels. Denn wir kämpfen nicht gegen Blut und Fleisch, sondern gegen die Mächte, gegen die Gewalten, gegen die Weltherrscher dieser Finsternis, gegen die Geistkräfte der Bosheit in den Himmelsräumen. Deshalb ergreift die Rüstung Gottes, damit ihr widerstehen könnt am bösen Tag und, weil ihr alles überwunden habt, standhalten könnt. Steht also fest und habt eure Hüfte mit Wahrheit umgürtet und seid bekleidet mit dem Brustpanzer der Gerechtigkeit und an den Füßen tragt als Schuhe die Bereitschaft zur Freudenbotschaft des Friedens. Bei allem ergreift den Langschild des Glaubens, mit dem ihr alle brennenden Pfeile des Bösen werdet löschen können. Und empfangt den Helm der Rettung und das Schwert der Geistkraft, das ist die Rede Gottes.

Niklas Fleischer (c)

Liebe Gemeinde!

Auch in der Bibel ist der Gebrauch von Worten und Bildern aus dem Kriegswesen verbreitet, vielleicht auch, weil die Menschen gar nicht zu denken wagten, dass Krieg etwas sein könnte, das nach Gottes Willen nicht sein darf. Für sie war Krieg Alltag und Katastrophe zugleich. Die Gewalt, mit der der Kaiser in Rom Ordnung schuf, war normal. Dass Menschen gekreuzigt wurden, Völker ausradiert, Grenzen neu gezogen und Sklaven hin und her verkauft wurden, das war Alltag, galt als normal. Darum gibt es auch für den unbekannten Verfasser des Epheserbriefes keine Hemmungen ein Bild aus dem Kriegshandwerk zu benutzen, um Hinweise auf christliches Leben zu geben. „Predigt über Epheser 6, 10-17, Christoph Fleischer, Welver 2016“ weiterlesen

Reformation aus weiblicher Perspektive, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2015

Zu: Ursula Koch: Verspottet, geachtet, geliebt –die Frauen der Reformatoren, Geschichten von Mut, Anfechtung und Beharrlichkeit, Neukirchener Verlagsgesellschaft, Neukirchen-Vluyn 2015, 199 Seiten, ISBN 978-3-7615-6214-7 (print), Preis: 14,99 Euro

978-3-7615-6214-7Die Autorin Ursula Koch ist pensionierte Gymnasiallehrerin in Berlin. Sie hat bereits eine Biografie über Katharina von Bora veröffentlicht („Rosen im Schnee, Katharina Luther, geborene von Bora“) und andere Bücher über Frauen in der Reformation- und Kirchengeschichte. Hier in diesem zu besprechenden Buch gelingt ihr eine interessante, narrative Form der verflochtenen Biographien einiger Frauen der Reformationszeit; nicht alle sind Frauen von Reformatoren, wie es der Titel ausdrückt.

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Dekonstruktion der Geschichte, Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2014

Zu: Das Manifest der Toleranz, Sebastian Castellio, Über Ketzer und ob man sie verfolgen soll, Aus dem Lateinischen von Werner Stingl, Mit einer historischen Darstellung von Hans R. Guggisberg, Herausgegeben und eingeführt von Wolfgang F. Stammler, Alcorde Verlag, Essen 2013, ISBN 978-3-939973-61-4, Preis: 36,00 Euro

Zunächst: Die Lektüre dieses Buches ist nicht einfach, da es eine Vielzahl von historischen Texten enthält. Die in der Überschrift genannte Quelle, das „Manifest der Toleranz“ von Sebastian Castellio (1554), ist neben der Darstellung der Hinrichtung Servets am 27.10.1553 eine Zusammenstellung zeitgenössischer Antworten auf die Frage, ob man in der Kirche Ketzer mit dem Tode bestrafen sollte. Hinzugefügt ist die Verteidigungsschrift vor dem Rat in Basel aus dem Jahr 1563.

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