Werner Hamacher zu Celan, Rezension, Christoph Fleischer, Welver 2019

Zu:

Werner Hamacher: Keinmaleins, Texte zu Celan, Vor-Rede von Jean-Luc Nancy, Klostermann RoteReihe, Vittorio Klostermann GmbH, Frankfurt/Main 2019, Softcover, 256 Seiten, ISBN: 9783465043768, Preis: 24,80 Euro

Werner Hamacher (1948-2017) war Literaturtheoretiker und Übersetzer. Er lehrte als Professor für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt/Main. Hamacher war Schüler von Jacques Derrida und beschäftigte sich mit dessen Konzept der Dekonstruktion.

Der Verlag Vittorio Klostermann gibt in diesem Band der Roten Reihe sechs Aufsätze Hamachers zu Paul Celan (1920 – 1970) heraus. Bei fünf Aufsätzen steht jeweils ein Gedicht von Celan im Vordergrund. Der Aufsatz „Versäumnisse“ widmet sich dem Briefwechsel zwischen Celan und Adorno.

Die Arbeitsweise Hamachers ist einerseits literaturwissenschaftlich präzise und seziert das Gedicht in jeglicher sprachlicher Hinsicht. Andererseits steht das Gedicht in einem persönlichen, kommunikativen und eventuell sogar philosophischen und historischen Kontext.

Exemplarisch wird in dieser Rezension der Aufsatz Werner Hamachers zum Gedicht „Todtnauberg“ (1968) näher betrachtet. Werner Hamacher stellt das Gedicht in den Zusammenhang mit dem (weiteren) Austausch Paul Celans mit Martin Heidegger (1889 – 1976). „Werner Hamacher zu Celan, Rezension, Christoph Fleischer, Welver 2019“ weiterlesen

Das Böse oder die Bösen? Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2018


Zu:

Das Böse, Können wir es verstehen? Warum fasziniert es uns? Wie lässt es sich überwinden? In: Das Philosophie Magazin, Sonderausgabe 11, Philomagazin-Verlag, Berlin, 11. Oktober 2018, 9,80 Euro

Obwohl das Magazin über „das Böse“ inhaltlich breit angelegt ist, finde ich doch einen roten Faden, der, so meine ich, etwas mit Hannah Arendt zu tun hat. Martin Legros referiert die Darstellung von Hannah Arendt in der Darstellung des nationalsozialistischen Mörders Eichmann. Das Böse ist also weder eine Erbsünde (Augustinus), noch ist dem Menschen ein Hang zum Bösen eigen (Kant). Allein der Mangel an reflektiertem Denken (Arendt) oder Verantwortung (Jonas) bringt böse Taten und Eigenschaften hervor.

Trotzdem (oder vielleicht deshalb) bleibt das Böse eine denkerische Herausforderung die von Hiob (Bibel) bis zu Freud und Riceur zu verschiedenen denkerischen Anschauungen des Bösen führt. 

Zuletzt wird das Böse dadurch überwunden, dass es nach Friedrich Nietzsche als rein moralische Kategorie versagt. Wie so oft liegt die Lösung in der sachlichen Differenzierung und im Dialog, die sich im Sonderheft in vielen Interviews und Zitaten aus klassischen Werken zeigt. 

Wichtig ist wohl wie schon bei Hiob die Konsequenz des Bösen, das Leiden immer wieder ins Gespräch zu bringen.

Zum Ende des Magazins kommt noch einmal Hannah Arendt in den Blick, wird aber von der Chefredakteurin Catherine Newmark zugleich relativiert. Eichmann sei nach einer aktuellen Publikation von Bettina Stangneth nicht allein ein gedankenloser Bürokrat gewesen, wie er selbst es im Prozess wohl darstellen will, sondern schlicht auch Antisemit und Hitler-Fan. 

Dennoch bleibt der inhaltliche Anstoß Hannah Arendt zum Schluss bestimmend: Catherine Newmark fordert die Reaktivierung der Aufklärung und mit Karl Jaspers eine „Ethik des Denkens“.

Ontologie mal anders. Rezension von Konrad Schrieder, Hamm 2018

Zu:: Rainer Marten: Denkkunst. Eine Kritik der Ontologie, Um ein Nachwort erweiterte Neuausgabe, Verlag Karl Alber, Freiburg/München 2018, 311 S., Softcover, ISBN 978-3-495-48872-0, Preis: 32 Euro.

Nach dem Ende der großen ontologischen und metaphysischen Entwürfe im 20.Jahrhundert geht Rainer Marten, emeritierter Professor für Philosophie an der Universität Freiburg i.Br., einen ganz eigenen Weg. Schon Karl Rahner hatte sich mit seinem transzendental-metaphysischen Ansatz von der traditionellen Deduktion apriorischer Gegebenheiten gelöst, verblieb aber im Gegenüber von Subjekt und Objekt. Marten löst sich aus dieser Spannung als der Bedingung für erkennendes Sein.

Als logosbegabtes Wesen trägt der Mensch dieses Sein vielmehr in sich selbst und bringt es und damit sich selbst zur Sprache. „Denken und Gedachtes unterscheiden sich nicht mehr als Subjekt und Objekt, weder herrscht die Subjektivität noch die Objektivität vor.“ (S. 115).

Dabei beruft sich Vf. auf Heidegger, Platon, aber auch den idealistischen Freiheitsbegriff Schellings. Die herrschaftsfreie Relation zwischen Subjekt und Prädikat eröffnet den Blick für einen diskursiv-intersubjektiven Austausch. Der Ontologe als Welterklärer und Orientierungshelfer (S. 16, 30 u. ö.)hat ausgedient; ein rein formal-wissenschaftliches Verständnis der Welt hat nicht nur Engführungen erzeugt, sondern auch in die Einsamkeit geführt, die durch die Wiederentdeckung des Mythos aufgebrochen und in die Freiheit entlassen werden können.

Der Mensch als denkender (endlicher) Geist ist zugleich setzendes Subjekt. Das Endliche ist kein zu übersteigendes Aposteriori (185), sondern es erscheint in seiner besonderen Ausprägung als ein Teil des Unendlichen (233).

Dementsprechend ist Gott, der nie vollständig erfasst werden kann, nicht an das Sein gebunden, er ist nicht einmal das absolute Sein, sondern der „Katalysator“ (235) zwischen Hohem und Tiefen, zwischen Endlichem und Unendlichem, der das Zusammenspiel beider Seiten in sich birgt. Das Denken des (menschlichen) Geistes ent-birgt (a-letheia) diesen Zusammenhang, bewahrt aber zugleich seinen Zauber, indem es ihn nicht im Blick auf ein absolutes Unendliches entleert. Anders gesagt: Denken ist nicht Seinsdenken, sondern Wesensdenken, und damit Identitätsdenken (266). Damit entspricht das Tun des Noetikers der kreativen Arbeit eines Künstlers. Nicht das fertige Kunstwerk zählt, nicht einmal die Deutung des Künstlers, sondern die Interpretation des einzelnen Betrachters im Austausch mit Seinesgleichen. Nach Platon ereignet sich Wahrheit, wenn das Gedachte mit dem Kunstwerk übereinstimmt. So ist nach Marten „das wahreSein…jeweils gedachtesund vom Denken getroffenes Sein“ (272).

Für die praktischen Implikationen dieses Ansatzes hält Vf. ein anschauliches Beispiel bereit: Blochs Rede von Utopie darf nicht finalistisch als Erkenntnisprinzip, sondern als Stilmittel verstanden werden. Sie ist „kein real gemeintes Versprechen“ in der Endzeit (252), sondern eine Heimat für konkret gemeinte oder gedachte individuelle Ereignisse in ihrer geschichtlichen Gestaltung. Damit entzieht sich die Utopie totalitärem Denken, das, universalistisch verschleiert, seine Opfer fordert.

Denkkunst unterliegt also nicht der Beliebigkeit, sondern dient dazu, „eine eigene Möglichkeit des Denkens wahrzunehmen, …um sich des Denkens selbst anzunehmen“ (282). Sie gibt keine fertigen Deutungen vor, sondern eröffnet den Raum für solche, die immer wieder revidierbar sind.

Der Ansatz Martens wird dem neuzeitlichen Pluralitätsdenken gerecht. Ansichten werden nicht gegeneinander ausgespielt, sondern in einen Dialog miteinander gebracht. Nicht das Ziel führt zum Denken, sondern das Denken versteht sich als zielorientiert. Dieser radikal subjektivistische Ansatz wirft apriorischen Ballast ab und ist betont freiheitsorientiert, die Kritik der menschlichen Urteilskraft wird konsequent weitergeführt.

Das wirft allerdings auch Fragen auf. Wenn Seiendes und Sein nicht mehr qualitativ, sondern nur noch graduell unterschieden werden, verwischt sich dann nicht die Grenze zwischen Wahrgenommenem und Gedachten, ist dann ein „Woraufhin“ überhaupt noch denkbar und – zumal in einer größeren Gemeinschaft – kommunizierbar? Den jeweils anderen in seinem Denken zu verstehen heißt noch nicht, seine Werte zu teilen, auch wenn man sich einer gemeinsamen Geschichte bewusst ist.

Theologisch gesprochen heißt das in Anlehnung an Heidegger: wenn Gott zum vermittelnden Prinzip des individuellen sich um sein Seinsverstehen bemühenden Daseins wird, wird dann nicht doch wieder einem Pan(en)theismus die Tür geöffnet?

Die Krise des Subjekts ging mit dem Auseinanderbrechen der Subjekt-Objekt-Beziehung einher. Das Subjekt musste sich erst wieder neu (er)finden. Das kann nicht geschehen durch das bloße Postulat der Freiheit. Das herrschaftsfreie selbstbestimmte Subjekt hat seine Definitionshoheit erlangt, aber hat es dadurch auch gelernt, sich selber besser zu verstehen?

„Gott neu denken“, Hinweis und Rezension, Christoph Fleischer, Welver 2018

Zu:

Publik Forum, kritisch-christlich-unabhängig, Zeitschrift, Verlag Publik Forum, Oberursel, Ausgabe 1-2018, S. 26

 

Das Titelmotiv in der Werbung hat mich motiviert, um ein Rezensionsexemplar zu bitten.

Ein wenig bin ich enttäuscht, dass es nur ein Artikel ist, der auf das Cover verweist, das an die Schöpfungsszene in der Sixtinischen Kapelle erinnert. Ich habe mit einem stärkeren inhaltlichen Schwerpunktthema gerechnet. Doch nun zu diesem Artikel. Der Artikel von Michael Schrom berichtet von einer Vortragsveranstaltung zu diesem Thema im Oktober 2017. Hinweise dazu finden sich auf der Homepage: www.forum-grenzfragen.de.

Was ist mit „Gott neu denken“ gemeint? Es geht aber nicht nur, wie der Untertitel suggeriert, um den Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaften, sondern auch darum, aus diversen Fragestellungen ein Gottesbild zu entwickeln, dass die Fehler des Pantheismus und des Theismus vermeidet. Der amerikanische Theologe Philip Clayton weist hin auf das Konzept des Panentheismus. Als einer der Initiatoren gilt der französische Theologe Teilhard de Chardin, dem ein kleiner Info-Kasten gewidmet ist. Der deutsche Theologe und Religionsphilosoph Klaus Müller unterstützt das Konzept ebenfalls. Von parallelen Entwicklungen in der evangelischen Theologie ist hier leider nicht die Rede, wie sie z. B. durch Jürgen Moltmann („Gott in der Schöpfung“) vorgelegt worden sind.

Trotzdem, die Initiative ist der Schritt in die Richtung, auf dich auch schon der amerikanische Religionswissenschaftler John D. Caputo hingewiesen hat. Es geht letztlich gar nicht um den Dialog zwischen Naturwissenschaft und Theologie, obwohl dieser Dialog auch dazu beitragen kann, sondern es geht auch um einen neuen Dialog zwischen Philosophie und Theologie. Der Artikel im Heft Publik Forum weist dazu hin auf eine Publikation des Schöningh-Verlages: „Gott – jenseits von Monismus und Theismus“. Es ist zu begrüßen, dass die katholische Theologie diese Überlegungen neu anstößt. Vielleicht wird es ja auch beim Münsteraner Katholikentag dazu inhaltlich passende Veranstaltungen geben, zum Initiator Klaus Müller in Münster zu Hause ist. Man darf gespannt sein.

Seiendes und Sein, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2017

Zu:

Parmenides: Vom Wesen des Seienden, Die Fragmente griechisch und deutsch, Herausgegeben, übersetzt und erläutert von Uvo Hölscher, Mit einem Nachwort 1986, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 624, Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 1986, 132 Seiten, ISBN: 978-3-518-28224-3, Preis: 10,00 Euro

Wie schon aus der Bibliographie hervorgeht, sind der Text und die Übersetzung fortlaufend bearbeitet und mit Anmerkungen versehen worden. Schwierig an der Überlieferung des Parmenides ist, dass sie nur in Fragmenten vorliegt und zum Teil aus Sekundärquellen rekonstruiert wurde. Der Inhalt des Buches ist nur über 50 Seiten griechisch/deutsch, danach erfolgt der ausführliche Kommentar. „Seiendes und Sein, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2017“ weiterlesen