Glosse zum Dortmunder Kirchentag 2019, Niklas Fleischer, Dortmund 2019

Als Teilnehmer des Kirchentages 2019 in Dortmund habe ich ein großartiges und buntes Fest erlebt.

Der öffentliche Nahverkehr war mit der Dezentralität der Veranstaltungsorte zwar etwas überfordert, im Großen und Ganzen hat die Organisationsarbeit für mich aber gut funktioniert. Vom Mittwoch den 19.07. bis zum Sonntag den 23.07. war es somit rund 100000 Besuchern möglich, ein friedliches Fest zu feiern.

Dennoch habe ich nach dem Kirchentag im Rückblick einige Zweifel an Themen, die sich für mich wie ein roter Faden durch den Kirchentag gezogen haben (inklusive Eröffnungs- und Abschlussgottesdienst).

Ich formuliere Punkte bewusst ironisch überspitzt:

„Wir verdammen AfD-Politiker und -Wähler und möchten uns nicht näher mit ihnen auseinandersetzen.“

„Wir möchten uns nur in unserer eigenen Meinung bestärken, alles andere soll bitte vor der Tür bleiben!“

Auch Wirtschaftsmigration und Flucht war ein großes Thema, auf das ich im folgenden Text aber nicht weiter eingehen möchte, da dies den Rahmen dieser kurzen Glosse sprengen würde. „Glosse zum Dortmunder Kirchentag 2019, Niklas Fleischer, Dortmund 2019“ weiterlesen

Jahreslosung 2020, Hinweis/Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2019

 

 

 

Es erscheint im Verlag Gerth Medien/adeo ein Jahreslosungs-Kunstkalender mit Motiven von Daniel Schär, Marlies Blauth, Kristina Dittert, Benjamin Gfeller, Barbara Gockel, Renate Gross, Elisabeth von Pander, Simone Ramshorn, Ute Scharrer,Sigrid Schauer, Carola Senzund Ute Trentmann.

Vier Motive sind davon auch als Einzelkarten erhältlich und treten damit in Konkurrenz zur bekannten Formsprache eines Eberhard Münch und Andreas Felger. Die Postkarten werden in einem Set jeweils mit einem Segenspruch ausgeliefert.

Das Motiv von Marlies Blauth aus Meerbusch stellt den Dualismus des Bibelspruchs heraus: Ich glaube, hilf meinem Unglauben.Der Spruch selbst ist auf der Karte zweimal direkt nebeneinander eingetragen, einmal heller und einmal dunkler, allerdings klein und unauffällig.

Hell und Dunkel bestimmen die ansonsten recht dunkle Atmosphäre. Der Lichteinfall von rechts oben stellt dazu ein Gegengewicht dar. Glaube ist also weder ein Wissen noch ein Vermögen, sondern die Balance gegensätzlicher oder wenigsten verschiedener Lebenskräfte. Dieses Hin- und Her wird auch im Segenstext aufgegriffen.

Die Basis ist zwar auch dunkelrot, wirkt aber in ihrer Geschlossenheit erdennah und stabil. So dass hier das Getragensein des Glaubens in aller Ambivalenz des Erlebens vermittelt wird: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag.“ (Dietrich Bonhoeffer). Dieser Spruch ist allerdings von mir assoziiert. Die Karte selbst wird mit einem Einleger ausgeliefert, der ein Segensgebet aus dem 4. Jahrhundert beinhaltet, ebenfalls dual aufgebaut.

Das Motiv lädt dazu ein, im Jahr 2020 sich davon tragen zu lassen und gleichzeitig auch mit Zweifel und Unsicherheit zu rechnen, die jedoch die Grundlage nicht grundsätzlich in Frage stellen.

Marlies Blauth, Jahreslosung 2020 – Faltkarte (5er-Set), Nr. 5570942, 12 x 17 cm mit weißem Umschlag, 05/2019, adeo

 

 

Ostern, wie es gewesen sein könnte, Leserbrief, Christoph Fleischer, Welver 2019

Der folgende Leserbrief bezieht sich auf einen Artikel im Deutschen Pfarrerblatt 4/2019, ist aber m. E. auch ohne Kenntnis dieses Artikels lesbar.  Wer Ergänzungen oder Korrekturen dazu einbringen möchte, ist herzlich zur Kommentierung auf dem Blog eingeladen.

Leserbrief zum Artikel „Ostern – Jesus in neuem Licht“ von Ernst Vielhaber, Deutsches Pfarrerblatt Heft 4/2019 (Christoph Fleischer):

Die Kreuzigung des Messias ist das Ereignis, die Auferstehung seine weitergehende Deutung und, wie es der sog. Missionsbefehl ja auch zeigt, Impuls zur Nachfolge und Bildung von Gemeinschaften. Die Deutung der Auferstehung von 1. Korinther 15 als eines geistlichen Leibes, keiner Wiederbelebung des Körpers ist nicht nur sachgemäß, sondern historisch auch eine ältere Tradition als die der Evangelien.

Meine Gedanken gehen nach der Lektüre einiger jüdischer und judaistischer Schriften noch etwas weiter. Ich verzichte hier auf die entsprechenden Stellennachweise.

Als Indiz dient für mich die sogenannte Auffindung des Kreuzes im dritten bzw. vierten Jahrhundert durch Helena, der Mutter des Kaiser Konstantin. Da über der heiligen Stätte ein römisches Heiligtum errichtet worden ist, war das Areal überbaut und konnte 300 Jahre unberührt bleiben. Dort steht heute die Grabeskirche in Jerusalem. Der Ort des Grabes und des Kreuzes befinden sich beide im Bereich dieser Kirche und sind so sehr nahe beieinander.

Auch jüdische Zeugnisse bezeugen die Richtigkeit dieser räumlichen Nähe. Damals lag der Kreuzigungshügel direkt an einem Gräberfeld außerhalb der Altstadt. Berichte, dass Gekreuzigte am Tag vor dem Sabbat vorübergehend in Privatgräbern untergebracht wurden, sind plausibel und werden durch die Kreuzigungsgeschichte Jesu bestätigt. Jedenfalls wurde streng darauf geachtet, dass Gekreuzigte nicht über den Ruhetag am Galgen verblieben.

Hinzu sollte die Beobachtung kommen, die in den Evangelien möglich, wenn auch in der späteren Tradition verdrängt worden ist: Jesus war kein Superstar, sondern am Tag der Kreuzigung einer von vielen bzw. mehreren. Massenhinrichtungen in Form von Kreuzigungen erscheinen mir eher bei politischen Konflikten oder Unruhen plausibel, d.h. wenn die Bestrafung besonders sichtbar sein sollte. Ich frage mich schon länger, wieso bislang niemand (?) den bei Josephus erwähnten Pilgeraufstand mit der Kreuzigung Jesu in Verbindung bringt.

Da die Kreuze in einer Reihe standen, waren jeweils zwei Hingerichtete neben ihm. Wer aber sagt, dass diese die einzigen waren, wie es die meisten Kreuzigungsgemälde darstellen?

Am Abend des Sabbattages war der Feiertag ja schon vorüber, bei uns Samstagabend. Erst nach dem Sabbat wurden die Leichname der Hingerichteten in das für Hingerichtete vorgesehene Massengrab gebracht, das sich in der Nähe des Kreuzigungshügels befand. (Die Identifizierung des sog. Gartengrabes mit dem Grab Jesu ist also hinfällig). Nur die Freunde und Verwandten Jesu wussten das nicht und haben einen Leichenraub vermutet. Dass das Grab in der morgendlichen Frühe des ersten Tages der Woche bereits geräumt war, war den aus Galiläa stammenden Frauen (bzw. den Evangelisten) nicht bekannt, die noch zum jüdischen Privatgrab gingen, um den Leichnam Jesu zu salben.

Diese Skizze beruht auf einer Kombination der aus den Evangelien bekannten Überlieferungen mit historischen Zeugnissen und Überlieferungen, wie z. B. bei Josephus.

Was ansonsten über die Auferstehung zu sagen ist, hat Ernst Vielhaber plausibel zusammengefasst. Ergänzend sollte man sich vielleicht fragen, welche Märtyrerverehrung die judaistischen Christinnen und Christen mit der Hinrichtung Jesu verbanden. Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und mich fragen, ob sich die Osterverkündigung der Evangelien nicht sogar mit der judenchristlichen Deutung verbinden lässt, in der der Tod Jesus mit dem Untergang des Volkes Israel im Jahr 70/71 parallel zu deuten ist.

Das Bekenntnis zum Auferstandenen wäre dann die subversive Deutung der Auferstehung des Gekreuzigten als Vorstellung für die Auferstehung des Judentums, wie sie ja später dann auch erfolgt ist.

Die mehr individualistische Deutung, die das Christentum geprägt hat, wäre parallel dazu im Bereich des „heidenchristlichen“ Judentums erfolgt, das man besser das hellenistische Judenchristentum nennen sollte. Man sollte einmal vor dem Hintergrund dieser zugegeben konstruktiven Deutung die Schriften der apostolischen Väter lesen, wie z. B. die Abendmahlsworte der Didache, wo es um die Sammlung der ausgestreuten Früchte geht, also um die Heimkehr der Diaspora.

Es geht also nicht nur darum, die antijudaistischen Spuren der christlichen Tradition in den biblischen Schriften aufzuspüren, sondern auch darum, ihre ursprüngliche Lesart zu rekonstruieren. Eine spannende Arbeit für die Theologinnen und Theologen der Zukunft.

Glauben in der Spätmoderne? Rezension von Konrad Schrieder, Hamm 2018


Rudolf Hubert: Wo alle anderen Sterne verlöschen. Glaube als Zukunftsmodell, Echter Verlag, Würzburg 2018, ISBN 978-3-429-05314-7, 133 S, broschiert, € 14,90.

Welche Bedeutung kann dem Glauben in einer modernen pluralistischen Gesellschaft noch zukommen? Dieser Frage geht Rudolf Hubert, Regionalleiter der Region Schwerin im Caritasverband für das Erzbistum Hamburg e.V. nach. Dazu lässt er Texte von Hans Urs von Balthasar, Karl Rahner, Reinhold Schneider und Eugen Drewermann sprechen. Die Erfahrung von Ohnmacht im Angesicht von Terror und anderen Katastrophen führt uns unsere eigene Geschichte als eine ständige Entfremdung vom Christentum vor Augen (S. 18 f.). Demgegenüber gilt es, das Christentum als „Anwalt echter Humanität“ (18) wiederzuentdecken. Dies versucht Rudolf Hubert in Abgrenzung zum atheistischen Humanismus, der meint, ohne Gott auskommen zu können und stattdessen das eigene Glücksstreben einer hedonistischen Ethik unterordnet (59, 79, 81).

Existentielle Grenzerfahrungen des Menschen angesichts des Todes und der Theodizeefrage können zu Anknüpfungspunkten für die Rede von Gott werden (60,64). Der Mensch stellt die Frage nach dem letzten Sinn, er ist selbst die Frage (33,88,92). Ja, es ist sogar so, dass der Glaubende einen „bekümmerten Atheisten“, der „vor dem finsteren Rätsel des Daseins“ verstummt, als jemanden ernstnehmen kann, der, auch wenn er Gott leugnet, sich nicht mit Klischees zufriedengibt, sondern eine „unerfüllte metaphysische Sehnsucht“ hat (96). 

Es gehört zum Wesen des Menschen, dass er offen ist für Gott, und wenn er das leugnet, dann widerspricht er sich selbst (95). Dennoch ist Gott nicht nur eine Vorstellung innerhalb des Menschen, sonder sein Gegenüber (41, vgl. 37). 

So kann Rahners Rede vom anonymen Christentum den Weg weisen, dass der Mensch sich nicht narzisstisch-sinnentleert in einer pluralistischen Gesellschaft verliert, sondern durch den Glauben an sich selbst und damit an Gott rückgebunden bleibt. 

Der Glaube transzendiert den Menschen und gibt seinem Leben Sinn. So ist der Mensch keine Funktion oder ein „Vehikel der Gene“, sondern ein „Kind der Liebe“ (88,94). Liebe ist „die Mitteilung der stärksten Kraft, der ein Mensch sich selber verdankt und die ihn zum Menschsein bestimmt“ (67) heißt es bei Drewermann, den Rudolf Hubert immer wieder als zuverlässigen Rahner-Interpreten heranzieht. Dieser Erfahrungshorizont des Geliebtwerdens um lieben zu können wird, Rahners Argumentation folgend, christologisch rückgebunden.

Christus ist als der Logos die trinitarische „Subsistenzweise“ (36 f.), die dazu bestimmt ist, Mensch zu werden. Als solcher ist er „am radikalsten Mensch“ (71) und Brücke zwischen Welt und Gott (vgl. 29, v. Balthasar). Diese Erkenntnis ergibt sich freilich aus der kategorialen Heilsgeschichte, in der sich Gott in Jesus Christus offenbart hat. Darin wird Christus dadurch zum Urtypus des Menschen, ohne dass das transzendentale Geheimnis Gottes dadurch aufgehoben oder vollständig erschlossen werden könnte. Oder mit Rahner: Das liebende Herz Jesu wird zu einem Realsymbol der transzendentalen Wirklichkeit des Menschen (53, gegen die positivistische Position auf S. 28). 

In Christus bleibt der Mensch zwangsläufig auf Gott bezogen. Der Autor zieht daraus die Konsequenz: „Wenn Christus das Geheimnis meines Lebens ist, das Geheimnis jedesmenschlichen Lebens, dann ergeben sich daraus Schlussfolgerungen für die Vermittlung und die Vermittler des Glaubens.“ (35). Es ist die priesterliche Existenz, die paradigmatisch für die Existenz schlechthin ist. Glaube hat etwas mit Einübung zu tun (ebd.), und so wird der Priester zum Mystagogen (101). Gott bleibt ein Geheimnis, und so bleibt auch die Sinnsuche ein Prozess (42), ebenso wie der Glaube nie fester verfügbarer Besitz sein kann (31). Die Erfahrung des Geistes, den Gott in seiner liebenden Selbstmitteilung in die Herzen ausgegossen hat (72) ermöglicht es, in Freiheit (103) das Gnadengeschenk des Glaubens anzunehmen (101), mehr noch, betend die eigenen Grenzen zu überschreiten (71) und dadurch, gegründet auf die Liebe, wirklichfrei zu sein (70) und ein sinnerfülltes Dasein zu führen – fernab von „Selbstüberschätzung, Hybris und falsch verstandener Autonomie“ (37 f.,71).

Rudof Hubert unternimmt in dem schmalen Band den erfreulichen Versuch, die großen Denkansätze des 20. Jahrhunderts in der katholischen Theologie wieder aufzugreifen und für den gegenwärtigen Lebenskontext fruchtbar zu machen, ein Anliegen, um das sich die herangezogenen Theologen stets bemüht haben. Es geht um nichts weniger als die Frage „wann und wo die Rede von Gott überhaupt sinnvoll ist“ (41). Der Glaube als „Vollzug des gläubigen Subjektseins“ (ebd.) ist Existenzweise nicht ein Moment im pluralistischen Konzert der Neuzeit, er ist existentialer Stand-punkt. Als Gegenüber  zu Gott erfährt sich der Mensch im Hören (49,56,103). Um dieses Wort lebendig werden zu lassen, bedarf es heute mehr denn je einer narrativen Theologie aber auch Multiplikatoren in den Gemeinden und der Gemeindeleitung, vor allem aber eines ganzheitlichen Vollzugs von Glauben und Leben (49 f.).

Rahners oft schwer zu verstehende Ansatz (37) hat seinen Ansatz bei der Anthropologie. „Erfahrung“ (41) ist ein transzendentaler Begriff, der im Menschen notwendig angelegt und auf Gott als sein Gegenüber ausgerichtet ist. Dieser katholische Ansatz ist auch – jenseits von Barth und Schleiermacher – für evangelische Christen bedenkenswert, nicht zuletzt auch aufgrund von Tillichs Rede von dem, „was uns unbedingt angeht“.

Predigt am Buß- und Bettag – Von guten Mächten – , Christoph Fleischer, Werl 2007

Predigt über „Von guten Mächten…“ von Dietrich Bonhoeffer.

Liebe Gemeinde,

Heute möchte ich das Gedicht „Von guten Mächten“ in den Mittelpunkt der Predigt stellen. Es ist inzwischen ein Kirchenlied geworden. Schon von der ersten Zeile an enthält es biblische Bezüge. Die Wortwahl lehnt sich an biblische Texte besonders an die der Psalmen an. Es ist anzunehmen, dass Bonhoeffer eine Lutherbibel benutzte. Mit einer alten Bibelkonkordanz versuchte ich, den biblischen Quellen dieses Liedes auf die Spur zu kommen. „Predigt am Buß- und Bettag – Von guten Mächten – , Christoph Fleischer, Werl 2007“ weiterlesen