Kirche und Sexualität, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2019

Zur Sonderausgabe 12 des Philosophiemagazins: Michel Foucault, Der Wille zur Wahrheit, erschienen im Mai 2019, im Philomagazin Verlag Berlin, Preis: 9,90 Euro

 

 

Bei der Durchsicht des Inhaltsverzeichnisses der Sonderausgabe, in der ich zunächst aus theologischem Interesse nicht so viel finde, stoße ich auf die Überschrift „Die Lust der Kirchenväter“. Mit diesem Artikel von Martin Saar (Professor für Sozialphilosophie Frankfurt/Main) wird auf eine Neuerscheinung hingewiesen (S. 93-94). Der vierte Band des Hauptwerkes von Michel Foucault (1926-1984) „Sexualität und Wahrheit“ mit dem Titel „Die Geständnisse des Fleisches“ erscheint posthum in diesem Tagen im Suhrkamp Verlag.

 

Wenn mich als Theologe die Schriften der Kirchenväter interessieren, so würde ich mich nicht direkt nach der Rolle der Sexualität gefragt haben. Andererseits jedoch werden die Fragen des sexuellen Missbrauchs in beiden Kirchen und der unsichere Umgang mit der Verurteilung der Täter zeigen, dass die Frage von Sexualität und Kirche vielleicht schon immer eine wichtige Rolle gespielt hat. Dies zeigen auch heute auch darauf resultierende Diskussionen in der katholischen Kirche um die Rolle von Frauen, ihre Zulassung zum Priesteramt, die Frage des Zölibats überhaupt und die Verurteilung von Homosexualität, die gleichwohl gerade im Priesteramt laut Aussage des letzten Papstes offen gelebt würde.

 

Was stellt nun aber Martin Saar an der Arbeit von Michel Foucault heraus?

 

Schon in den Bänden zwei und drei des Hauptwerkes hatte Michel Foucault sich mit der Antike beschäftigt. Mit einem Satz von Martin Saar zusammengefasst: „Die antike Sexualmoral schien weit weniger am Verbotenem und Gebotenem orientiert als an der Haltung und dem Ethos die beteiligten Subjekte interessiert.“ (93)

 

Schon im Jahr 1982 hatte Foucault ein vollständiges Manuskript zum Thema Frühchristentum hinterlegt. Da aus rechtlichen Gründen der Nachlass Foucaults inzwischen ohnehin öffentlich zugänglich ist, hat man sich entschieden, erst die französische Fassung und nun auch die deutsche Übersetzung zu veröffentlichen. Die Themen des Manuskripts nennt Saar im Überblick: „die Beichte und das Bekenntnis, die Buß-und Taufpraktiken, die mönchische Askese, das Verhältnis von Kloster und Laienleben, die Norm der Keuschheit und Jungfräulichkeit, die Ehemoral“ (94)

 

Durch verschiedene Richtlinien werden dem menschlichen Subjekt Regeln auferlegt. „Das christliche und auch das postchristliche Subjekt muss sich seitdem, scheint Foucault nahezulegen, beständig selbst prüfen und befragen, was es von sich weiß und welche Regeln es zu übertreten droht.“ (94).

 

Nicht nur die Sexualwissenschaft, sondern auch die Psychiatrie und vieles mehr steht im Kontext dieser christlichen Tradition und verbinden von daher die Fragen von Sexualität und Wahrheit miteinander.

 

Der Nachteil des Manuskripts scheint zu sein, dass es sich noch zu sehr im Modus des Materialbefundes zu befinden scheint, obwohl gerade dessen Präsentation zu einer Diskussion folgender Spannungsverhältnisse einlädt: „zwischen Lust und Moral, zwischen Recht und Macht, zwischen Körper und Religion, zwischen Tabu und Thematisierungsdruck.“ (94)

 

Auf der nächsten Seite des Philosophiemagazins wird ein Textabschnitt des Buches von Foucault vorab dokumentiert: „Böses machen“ (95)

 

Am Beispiel der Askese stellt Foucault die Rolle der Selbstreflexion heraus, die jeder Buße und Lebensveränderung zugrunde liegt: „Die Übung von sich an sich, die Erkenntnis von sich durch sich, die Konstituierung von sich selbst als Gegenstand der Untersuchung und des Diskurses, die Befreiung, die Reinigung von sich selbst und die Erlösung mittels Operationen, die bis ins Innerste des Selbst Licht bringen (…)“ (95)

 

Hinweis: Die Editionsgeschichte wird im Vorwort nachgezeichnet, das auf der Seite von suhrkamp.de als Leseprobe nachgelesen bzw. abgespeichert werden kann: https://www.suhrkamp.de/download/Blickinsbuch/9783518587331.pdf

„Die teure Gnade“, Dietrich Bonhoeffer (Reprint), hrsg. von Christoph Fleischer, Welver 2017

Die teure Gnade (Dietrich Bonhoeffer, Nachfolge, Ausgabe München 1982, Nachdruck von 1937, S. 13 – 27, gemeinfrei aus dem Originaltext)

Vorbemerkung: Mir ist bei der Vorbereitung über den Predigttext Jeremia 23, 16 – 29 aufgefallen, dass für die aktualisierende Auslegung des Jeremia die Unterscheidung zwischen billiger und teurer Gnade in Frage kommt. Das hat zudem den Vorteil, dass bei der Unterscheidung zwischen richtigen und falschen Propheten nicht vorschnell irgendwelche Steine aus dem Glashaus geworfen werden. Das Kriterium, das Jeremia an den falschen Prophet anlegt, ist neben der Frage, ob er Träume, eigene Gedanken oder das Wort Gottes predigt, die Tatsache, dass die falschen Propheten den Menschen nach dem Mund reden und ihnen das Heil Gottes zusagen, egal ob ihr Leben dazu passt oder nicht. Um hier nicht in das Lager der Gesetzesorientierung abzurutschen hilft allein die Unterscheidung zwischen billiger und teurer Gnade nach Dietrich Bonhoeffer. Es ist das erste Kapitel des Buches „Nachfolge“ (1937). Die Texte dieses Buches dokumentieren Vorträge und Bibelarbeiten, die Dietrich Bonhoeffer im Predigerseminar Finkenwalde gehalten hat. 

Foto: Niklas Fleischer (c)

Billige Gnade ist der Todfeind unserer Kirche. Unser Kampf heute geht um die teure Gnade.

Billige Gnade heißt Gnade als Lehre, als Prinzip, als System

Billige Gnade heißt Gnade als Schleuderware, verschleuderte Vergebung, verschleuderter Trost, verschleudertes Sakrament; Gnade als unerschöpfliche Vorratskammer der Kirche, aus der mit leichtfertigen Händen bedenkenlos und grenzenlos ausgeschüttet wird; Gnade ohne Preis, ohne Kosten. Das sei ja gerade das Wesen der Gnade, daß die Rechnung im voraus für alle Zeit beglichen ist. Auf die gezahlte Rechnung hin ist alles umsonst zu haben. Unendlich groß sind die aufgebrachten Kosten, unendlich groß daher auch die Möglichkeiten des Gebrauchs und der Verschwendung. Was wäre auch Gnade, die nicht billige Gnade ist?
Billige Gnade heißt Gnade als Lehre, als Prinzip, als System; heißt Sündenvergebung als allgemeine Wahrheit, heißt Liebe Gottes als christliche Gottesidee. Wer sie bejaht, der hat schon Vergebung seiner Sünden. Die Kirche dieser Gnadenlehre ist durch sie schon der Gnade teilhaftig. In dieser Kirche findet die Welt billige Bedeckung ihrer Sünden, die sie nicht bereut und von denen frei zu werden sie erst recht nicht wünscht. Billige Gnade ist darum Leugnung des lebendigen Wortes Gottes, Leugnung der Menschwerdung des Wortes Gottes. „„Die teure Gnade“, Dietrich Bonhoeffer (Reprint), hrsg. von Christoph Fleischer, Welver 2017“ weiterlesen

Predigt zu Okuli über 1. Petrus 1, Christoph Fleischer, Welver 2018

Predigt über 1.Petr 1,13-21

Die Predigt halte ich in Neuengeseke und Körbecke am 4.3.2018

Geheiligtes Leben

13 Darum  umgürtet die Lenden eures Gemüts, seid nüchtern und setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird in der Offenbarung Jesu Christi.

14  Als gehorsame Kinder gebt euch nicht den Begierden hin, denen ihr früher in der Zeit eurer Unwissenheit dientet;

15 sondern wie der, der euch berufen hat, heilig ist, sollt auch ihr heilig sein in eurem ganzen Wandel.

16 Denn es steht geschrieben (3. Mose 19,2): »Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.«

17 Und da ihr den als Vater anruft, der  ohne Ansehen der Person einen jeden richtet nach seinem Werk, so  führt euer Leben, solange ihr hier in der Fremde weilt, in Gottesfurcht;

18  denn ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem  nichtigen Wandel nach der Väter Weise,

19 sondern mit dem teuren  Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten  Lammes.

20 Er ist zwar zuvor ausersehen, ehe der Welt Grund gelegt wurde, aber offenbart am Ende der Zeiten um euretwillen,

21 die ihr durch ihn glaubt an Gott, der ihn auferweckt hat von den Toten und ihm die Herrlichkeit gegeben, damit ihr Glauben und Hoffnung zu Gott habt.

Dietrich Bonhoeffer im Hof von Tegel 1944, vierter von links (http://www.dietrich-bonhoeffer.net/leben/tegel/)

Liebe Gemeinde,

Als im Jahr 2007 die Heiligsprechung von Mutter Teresa vorbereitet wurde, kamen Notizen aus ihrem Tagebuch ans Tageslicht, in denen sie tiefe Gotteszweifel zugegeben hat. Sie schrieb unter anderem: Sollte ich jemals eine Heilige werden, dann werde ich zweifellos eine Heilige der ‚Finsternis‘ sein. Ich werde mich nie im Himmel aufhalten, sondern das Licht derer entzünden, die auf Erden im Dunkel leben. (Quelle: http://www.deutschlandfunk.de/mutter-teresa-eine-heilige-der-finsternis.2540.de.html?dram:article_id=364019).

Papst Franziskus hat dann die Heiligsprechung fast 10 Jahres später vollzogen und sagte: „Möge sie euer Vorbild an Heiligkeit sein! Diese unermüdliche Arbeiterin der Barmherzigkeit helfe uns, immer besser zu begreifen, dass das einzige Kriterium für unser Handeln die gegenleistungsfreie Liebe ist, die unabhängig von jeder Ideologie und jeder Bindung ist und sich über alle ergießt, ohne Unterscheidung der Sprache, der Kultur, der Ethnie oder der Religion.“ (http://religion.orf.at/tv/stories/2794383/) „Predigt zu Okuli über 1. Petrus 1, Christoph Fleischer, Welver 2018“ weiterlesen

Osterpredigt über 1. Korinther 15, 1-11, Christoph Fleischer, Welver

  1. Korinther 15, 1-11 (http://www.bibel-in-gerechter-sprache.de)

 

(Die Predigt wird am Ostersonntag in Günne und Meiningsen gehalten.)

Ich erinnere euch, Geschwister, an die frohe Botschaft, die ich euch brachte, die ihr auch angenommen habt und mit der ihr auch auf festem Boden steht.

Durch sie seid ihr auch befreit worden, wenn ihr sie festhaltet in dem Geist, in dem ich sie euch verkündete; ohne diese Botschaft höhlt ihr euer Vertrauen aus. Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was auch ich empfangen habe:

Der Messias ist für unsere Sünden gestorben, wie es die Schrift schon sagt. Er wurde begraben und am dritten Tag aufgeweckt nach der Schrift. Von Kephas und dann den Zwölf wurde er als Lebendiger gesehen. Danach erschien er mehr als 500 Geschwistern auf einmal, von denen die meisten heute noch leben, nur einige sind schon tot. Und er erschien danach noch Jakobus und allen Apostelinnen und Aposteln. Als Letztem erschien er auch mir als einer Nachgeburt.

Denn ich bin der Geringste in der apostolischen Gemeinschaft und nicht wert, Apostel zu heißen, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe. Durch Gottes Freundlichkeit bin ich geworden, was ich jetzt bin, und Gottes Freundlichkeit zu mir ist nicht enttäuscht worden. Ich habe nämlich mehr als alle anderen geschuftet – nicht aus angeborener Kraft, sondern weil Gottes Freundlichkeit mich begleitet hat. Doch gleich, ob die anderen oder ich: So haben wir verkündigt, und so habt ihr geglaubt.

83960006 Kopie

Liebe Gemeinde,

das Osterfest hat es mit einem Begräbnis zu tun. Jesus ist am Kreuz gestorben und im Grab des Ratsherrn Josef von Arimathäa beigesetzt worden. Das Grab wurde bewacht. Doch die Wachen waren in die Flucht geschlagen worden. Am frühen Morgen des 3. Tages, also nach weniger als 36 Stunden, war das Grab leer, als drei Frauen den Leichnam einmal einbalsamieren wollten. Jesus hat sich dem Begräbniskult verweigert. Der Leichnam schlicht verschwunden. Es hieß, dass Jesus auferstanden sei. Was mit dem Leichnam passiert ist, interessiert von da an niemanden mehr, denn Jesus begegnet den Jüngerinnen und Jüngern persönlich. Dass es sich dabei um Erscheinungen also um Visionen handelt, daraus macht die Bibel kein Hehl. Aber es sind sehr realistisch wirkende Erscheinungen, da Jesus zum Teil mehreren Aposteln gleichzeitig begegnet. Die Zeit der Erscheinungen Jesu ist 40 Tage nach Ostern allerdings auch wieder vorbei. Jesus wird, wie es heißt, in den Himmel aufgenommen. Die Gegenwart des Auferstandenen ist von nun an das Bekenntnis zu ihm. „Osterpredigt über 1. Korinther 15, 1-11, Christoph Fleischer, Welver“ weiterlesen

Predigt über Hebräer 4, 14-16, Christoph Fleischer, Welver 2016

Die Predigt zum Sonntag Invokavit wurde in unterschiedlicher Form gehalten in der REHA-Klinik – Möhnesee, in der Kirche Johannes der Täufer, Neuengeseke, in der Auferstehungskapelle Günne und in der St. Matthias-Kirche Meiningsen.

Drüggelter Kapelle
Drüggelter Kapelle

Liebe Gemeinde!

Hebräer 4, 14-16 (Lutherbibel)

14Weil wir denn einen großen Hohenpriester haben, Jesus, den Sohn Gottes, der die Himmel durchschritten hat, so lasst uns festhalten an dem Bekenntnis. 15Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde. 16Darum lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.

Liebe Gemeinde,

Dieser Predigttext antwortet auf eine Frage, die er selbst nicht stellt. Diese Frage lautet: Was bedeutet die Versuchung für Jesus und für uns? Damit ist der Sonntag Invokavit klar am Anfangs der Fastenzeit lokalisiert. Es soll also um die Versuchung gehen. Um die Versuchung Jesu, der Gläubigen und der Kirche. Jesus teilt die irdische Seinsweise ohne der Schwachheit zu erliegen. Wenn wir schwach sind, fühlt er mit uns. Damit dürfte die Fastenzeit zu bestehen sein. Verzicht ist kein Opfer, um Gott näher zu kommen, sondern eine Lebensweise in der Nachfolge Jesu. Es klingt alles also recht plausibel, wenn man denn das Fasten als den christlichen Lebensweg ansehen will. Da gibt es nur ein Problem: Jesus selbst hat gar nicht gefastet. Er hat seinen Jünger das Fasten sogar verboten, solange der Bräutigam bei ihnen ist. Am Sabbat haben sie die Ähren auf den Feldern ausgeklopft, um davon Brot zu backen. Trotzdem kann ja Fasten auch gut für uns sein. Die Aktion „Sieben Wochen ohne“ aus Hamburg hat da für eine gewisse Popularität gesorgt. Doch damit bekam das Fasten fast etwas Spielerisches, Zwangloses. Einfach einen Beitrag um zu zeigen: das Evangelium hat etwas mit mir selbst zu tun. Die Konsequenzen des Glaubens gehen bis in den Alltag hinein. Zurück zum Anfang: Es geht um die Versuchung. Die Frage ist nur, worauf bezieht sich die Versuchung, auf eine gläubige Übung wie das Fasten oder auf den Glauben selbst? Ich finde, wenn wir wirklich noch evangelisch argumentieren, dann müssten wir hier den Glauben selbst in der Versuchung sehen. Daher möchte ich jetzt im weiteren mit den Text aus dem Hebräerbrief einmal etwas genauer ansehen. „Predigt über Hebräer 4, 14-16, Christoph Fleischer, Welver 2016“ weiterlesen