Die sieben Worte Jesu am Kreuz, Joachim Leberecht, Herzogenrath 2020

Herzogenrather Passionspredigtreihe in der Markuskirche 2020, 1. Predigt

1 „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Lk 23,34

Liebe Gemeinde,

seit dem Mittelalter werden die sieben Worte Jesu am Kreuz meditiert. Die letzten Worte Jesu haben eine breite literarische Spur hinterlassen. Viele von ihnen sind in das kollektive Bewusstsein eingegangen. Unsere Predigtreihe über die sieben Worte Jesu am Kreuz beginnt mit dem ersten: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lukas 23,34)

Es steht im Lukasevangelium. Stück für Stück möchte ich es entfalten und herausstellen, dass das erste Wort Jesu am Kreuz uns zu einem guten Leben führen will.

 

Vater

Jesus redet Gott mit Vater an. Jesus sagt einfach Vater zu Gott. Vorher hat Gott Jesus bei seiner Taufe Sohn genannt (Lukas 3,22). Ich habe das Lukasevangelium durchgeblättert und festgestellt, dass der lukanische Jesus Gott wiederholt direkt mit Vater anspricht.

Am auffälligsten ist das beim Vater unser, dem bekanntesten Gebet der Christenheit, wenn nicht des ganzen Erdkreises. Wir haben es nach dem Matthäusevangelium aus der Bergpredigt gelernt, und aus „Unser Vater“, wie es bei Matthäus heißt, wurde das „Vater unser“. In der Feldrede bei Lukas lehrt Jesu seine Jüngerinnen und Jünger einfach Vater zu sagen – ohne jegliches Pronomen. „Vater! Dein Name werde geheiligt! Dein Reich komme!“ (Lukas 11,2)

Weiter fällt auf: Lukas ist der einzige Evangelist, der das bekannte Gleichnis vom verlorenen Sohn erzählt (Lukas 15). Im Gleichnis ist es der Vater, der den verlorenen Sohn mit offenem Armen wieder aufnimmt, obgleich der Sohn sich vorher von ihm losgesagt hatte. Jesus, der Lehrer in der Synagoge; Jesus, der das Reich Gottes verkündigt in Worten und kraft des Geistes durch Heilungen; Jesus, der in Gleichnissen spricht; der sterbende Jesus am Kreuz und der auferweckte Jesus nennt Gott schlicht Vater. „Die sieben Worte Jesu am Kreuz, Joachim Leberecht, Herzogenrath 2020“ weiterlesen

Fragen nach Welt-Anschauung, Rezension von Konrad Schrieder, Hamm 2019

 

Zu:

Antonia Bräutigam: Zwischen Offenbarung und metaphysischer Losigkeit. Philosophisch-theologische Lektüre literarischer Jenseitsreisen, in: Edition Moderne Postmoderne, Transcript Verlag, Bielefeld 2019, ISBN 978-3-8376-4683-2, 446 S., € 49,99.

Der Mythos als vorwissenschaftliche Erzählform hat ausgedient. In der Philosophie hat der Logos längst die archaischen Stilmittel ersetzt, derer sich noch Parmenides und Platon bedienten, um die Welt zu erklären.

Von Aristoteles bis weit in die Neuzeit hinein hat die Metaphysik mit ihrer präzisen Begrifflichkeit, aber auch die Kritik daran diese zentrale Rolle übernommen. Das Zeitalter der Moderne und Postmoderne ist durch eine fortschreitende Ausdifferenzierung gekennzeichnet, deren Merkmale Pluralismus und Individualismus sind. Die allgemeingültige Evidenz vernunftgeleiteter Antworten wird zunehmend durch die individuelle Suche nach Sinn in Frage gestellt.

Der klassische Gegensatz von Metaphysik und Mythos beginnt zu verschwimmen. In ihrer Dissertation versteht Antonia Bräutigam Metaphysik demnach nicht im Sinn einer methodisch geleiteten Wissenschaft, sondern allgemein als Versuch, im Seienden das dahinterliegende Sein zu erfassen (120) und Weltanschauung zu formulieren.

Der Mythos eignet sich darin als „neutrales Darstellungsmittel“, um die eigene unübersichtliche Lebenswirklichkeit, verbunden mit dem Bewusstsein um die Endlichkeit auf eine Metaebene zu heben und dadurch zu thematisieren (146 f.). Damit verbindet sich durchaus ein religiöses Interesse im Sinne einer soteriologischen Fragestellung (389-398). Die Affinität zu einem Umgang mit existentialistischen Grenzerfahrungen liegt auf der Hand. Die Metaebene führt diese ad absurdum, so dass die Gefahr des Nihilismus überwunden wird.

Die Autorin analysiert zeitgenössische literarische Werke von Clive Staple Lewis, Dostojewski, Franz Werfel, David Lindsay, Hermann Kasack, Thomas Mann und Samuel Beckett und ordnet sie zeitgeschichtlich ein und untersucht sie mithilfe eines Fragerasters, inwieweit sie sich zwischen den Polen von thematisch-strukturgebend im traditionellen religiösen und metaphysisch-kollektiven Sinn und von unthematisch-partiell-säkular im Sinne einer Privatmetaphysik bewegen (117 f.). Was die Erzählungen in ihrer Unterschiedlichkeit miteinander verbindet ist, dass es sich dabei um „Jenseitsreisen“ handelt, die Wirklichkeit erzählen, nicht im Sinne eines nachtodlichen Geschehens, sondern eines Perspektivwechsels. So können Erfahrungen einfließen und Offenbarung transportieren (vgl. 387). Metaphysik ist hier die Voraussetzung dafür, dass Jenseitsreisen unternommen werden, dass Fragen gestellt werden, um zu einem Verständnis von Welt zu gelangen (373). In Samuel Becketts Werk „Der Verwaiser“ sieht sich der Leser freilich in einer Welt gefangen, in der es nicht möglich ist, einen jenseitigen Standpunkt einzunehmen, um die bestehende Ordnung zu hinterfragen – ein Zustand metaphysischer Losigkeit (ebd.).

Bräutigams Untersuchung ist interdisziplinär angelegt zwischen Philosophie, Theologie und Literaturwissenschaften. Das macht ihren besonderen Reiz aus. Der Mensch wird in seiner anthropologischen Grundbefindlichkeit als Fragender verstanden, der nach Welt-Anschauung strebt – ein Ausgangspunkt, den Heidegger und Rahner ausführlich entfaltet haben. Bereits der unthematischen Anschauung kommt eine religiöse Dimension zu, sofern sie auf Reflexion beruht und so dem Fragenden seine Stellung innerhalb des Ganzen offenbart. Die Tiefe des Denkhintergrundes in der analysierten Literatur scheint besonders geeignet, den modernen Menschen mit seinen Fragen und Erfahrungen zum Transzendieren auf das Allgemeine hin anzuregen. Damit ist der Bezug zum traditionellen Mythos hergestellt. Dass der Mensch in der Moderne dies mehr oder weniger bewusst als Einzelner tut, mag Kennzeichen unserer Zeit sein, aber er darf sich dennoch in der Gemeinschaft der Fragenden wissen.

Karl Marx für heute, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2018

Zu:

Michael Quante, David P. Schweikard (Hg.): Marx Handbuch, Leben – Werk – Wirkung, J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 2016, gebunden, 443 Seiten, ISBN 978-3-476-02332-2, Preis: 69,99 Euro

Die im Marx Handbuch angesprochene „ungebrochene Aktualität des Denkens von Karl Marx“ zeigen auch die aktuellen Veranstaltungen zum Anlass seines 200. Geburtstages am 5.5.2018. Das Handbuch hat sich die Aufgabe gestellt, sein Wirken primär philosophisch zu interpretieren. Dabei soll dieses Wirken von den 33 Autorinnen und Autoren durchaus plural wiedergegeben werden. „Karl Marx für heute, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2018“ weiterlesen

Die unbedingte Wertschätzung eigener Erfahrungen, Rezension von Gerd Kracht, Recklinghausen 2015

Rezension zu Abraham H. Maslow: Jeder Mensch ist ein Mystiker, Impulse für seelische Ganzwerdung, Einleitung von David Steindl-Rast, Herausgegeben und mit einem Nachwort von Erhard Doubrawa, Aus dem Amerikanischen von Karola Tembrins, Peter Hammer Verlag Wuppertal, Juni 2014, broschiert, ISBN: 377950488X, 17,80 €.
(Erstmalige deutsche Übersetzung des 1964 erschienen Buches: A. H. Maslow, Religions, Values and Peace-Experience, erweitert um den 1962 erschienen Vortrag: A. H. Maslow: Lessons from the Peak-Experiences.)

41aJ0BVt7wL._SY344_BO1,204,203,200_Die einfache Sprache Maslows kommt in der Übersetzungsarbeit von Karola Tembrins und dem Nachwort des Herausgebers Erhard Doubrawa neben den treffenden Betrachtungen in der Einleitung des Benediktiners David Steidl- Rast zum Ausdruck. Auf den Punkt bringt der Benediktiner den Sachverhalt in der Einführung:
“Weltbewegende Bücher sind selten dicke Schmöker. Von Platon bis Einstein sind es oft nur dünne Bändchen. Ihr äußerer Umfang verrät nicht ihr inneres Gewicht. Auch das schlanke Büchlein, das Sie in Händen halten, enthält mehr geistigen Explosionsstoff als ganze Bibliotheken.“ 
 „Die unbedingte Wertschätzung eigener Erfahrungen, Rezension von Gerd Kracht, Recklinghausen 2015“ weiterlesen

Religion neu denken – und praktizieren, Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2012

zu: Marion Küstenmacher, Tilman Haberer, Werner Tiki Küstenmacher: Gott 9.0, Wohin unsere Gesellschaft spirituell wachsen wird, Mit Illustrationen von Werner Tiki Küstenmacher, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2010, 3. Auflage 2011, ISBN 978-3-579-06546-5, Preis: 22,99 Euro

Das Buch „Gott 9.0“ ist zweifelsohne ein großer Ent-Wurf. Mit Orientierung am zeitgenössischen Konzepten, wie etwa von Ken Wilber, entsteht das Bild einer Religion, die eingebettet erscheint in verschiedene Gestalten menschlicher Bewusstseinsstufen (9 Stufen=9.0) und damit auch interreligiös betrachtet werden kann. „Religion neu denken – und praktizieren, Rezension von Christoph Fleischer, Werl 2012“ weiterlesen