Die eingeschriebenen Spuren des Faschismus – Kafka, Benjamin und Brecht 1934, Markus Chmielorz, Dortmund 2019

Zwei Aufsätze: „Theorien des deutschen Faschismus“ von Walter Benjamin in Kritiken und Rezensionen 1912-1931, Kapitel 97 (https://gutenberg.spiegel.de/buch/kritiken-und-rezensionen-1912-1931-2981/97) und „Brecht und Benjamin als Kafka-Interpreten“ von Stéphane Moses (Juden in der deutschen Literatur, hrsg. von Stéphane Moses und Albrecht Schöne, Suhrkamp Verlag Frankfurt/Main 1986)

Vorbemerkung

Am 26. September 1940 stirbt Walter Benjamin auf der Flucht vor denjenigen, die identifiziert waren mit der Barbarei und dem Terror der nationalsozialistischen Diktatur in Europa, im katalanischen Port Bou, im franco-faschistischen Nord-Spanien. Es bleibt unklar, ob es Selbstmord oder Mord war. Am selben Tag wird meine Mutter im westpreußischen Landsberg an der Warthe, dem heutigen Gorzow Wielkopolski geboren. Bei einem meiner vergangenen Besuche bei meinen Eltern erzählt mein Vater mir beiläufig, er habe meine Mutter in der Nacht wieder schreiend aus einem Albtraum wecken müssen. 79 Jahre nach dem Tod Walter Benjamins wirft der Faschismus seinen langen Schatten bis in die Gegenwart. Die Kinder von damals finden sich als Alte im längst vergangen gedachten Trauma wieder.

Foto: Niklas Fleischer, Eindrücke aus der KZ Gedenkstätte Bergen-Belsen

Die Schrecken des Krieges sind unmittelbar verbunden mit der Zeit des Nationalsozialismus. In seinem Aufsatz „Theorien des Faschismus“ folgt Benjamin der Spur der deutschen Geschichte zurück bis zu den Opfern des 1. Weltkrieges. Ganz in der Tradition der kritischen Theorie und ihrer Analyse der Moderne, nimmt er Bezug auf den technischen Fortschritt, der nur die Form der Steigerung kennt und diagnostiziert die „Diskrepanz zwischen den riesenhaften Mitteln der Technik auf der einen, ihrer winzigen moralischen Erhellung auf der anderen Seite“.

Die „Ideologie des Krieges“ mit ihren „Vernichtungsrekorden“ folgt „Maßstäben männlichen Denkens“. Der Begriff Ideologie weist daraufhin, das Erkenntnisinteresse offenzulegen und Herrschaftsverhältnisse zu hinterfragen. Zu Grunde geht „alles Nüchterne, Unbescholtene, Naive, was über die Verbesserung des Zusammenlebens der Menschen erdacht wird“. 

Nationalismus, Imperialismus, Krieg, Faschismus – so führt die Spur zurück aus dem Jahr 1934, in dem Walter Benjamin Bert Brecht im dänischen Exil in Svendborg trifft, bis zum Beginn der bürgerlichen Gesellschaft in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Benjamin und Brecht sprechen aus dem Exil, genauer: Sie sprechen mit der in ihre Körper eingeschriebenen Erfahrung von Bedrohung, Vertreibung und Flucht. Sie sprechen aus einer Position des Ausgeschlossenen und des De-plazierten, aus einer prekären Situation.

Und wenn sie über Kafkas „Das nächste Dorf“ sprechen – und für diese genaue Analyse ist Stéphane Moses nicht genug zu danken -, so sprechen sie mit unterschiedlichem Blick, der die beiden trennt und der eine jeweils ganz und gar andere Politik des Poetischen und des Geschichtsphilosophischen begründet.  „Die eingeschriebenen Spuren des Faschismus – Kafka, Benjamin und Brecht 1934, Markus Chmielorz, Dortmund 2019“ weiterlesen

Marlene Dietrich. Die Diva. Ihre Haltung. Und die Nazis. Pressemitteilung

Neue Ausstellung im Jüdischen Museum Westfalen,
Dorsten.

Wer kennt sie nicht, wer hat nicht schon von den berühmten langen Beinen der Dietrich gehört? Wer hat sie nicht als laszive Lola im Filmklassiker „Der blaue Engel“ gesehen? Und wer hat sie nicht schon einmal singen hören „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ oder „Sag mir, wo die Blumen sind“?

Marlene, Promotion, 1965

Den Großteil ihres Lebens stand Marlene Dietrich in der Öffentlichkeit. Schauspielerin, Sängerin, Weltstar, Diva – es verbinden sich viele Bilder und Begriffe mit ihr. Und selbst nach seinem Rückzug in die Pariser Wohnung in der Avenue de Montaigne Ende der 1970er-Jahre wirkte der erste deutsche Weltstar in das öffentliche Leben. Dementsprechend viel ist über Marlene Dietrich geschrieben, gefilmt und berichtet worden. Einen weniger beachteten Bereich ihres Lebens thematisiert die Ausstellung „Marlene Dietrich. Die Diva. Ihre Haltung. Und die Nazis.“: ihr Verhältnis zu Deutschland und den Deutschen, zu Unrecht, Krieg und Frieden. Anhand zahlreicher Dokumente, Fotografien und weitgehend unbekannter Filmsequenzen rekonstruiert die von der Gedenkhalle Oberhausen entwickelte Wanderausstellung, für welche Haltung diese Frau ihr gesamtes Leben stand.

Nachdem Marlene Dietrich 1944 bereits vor zahlreichen US‐Soldaten in Italien aufgetreten war, führte sie ihre zweite Tournee für die amerikanischen Streitkräfte im Herbst/Winter 1944/45 auch in das belgisch‐deutsch‐niederländische Grenzland. Unter anderem gastierte sie in Eupen, St. Vith, Verviers und Spa, in Aachen und Stolberg, sowie in Heerlen und Maastricht.

Der so entschiedene wie couragierte Einsatz von Marlene Dietrich auf Seiten der Amerikaner wurde ihr bei ihrer Deutschland‐Tournee 1960 von Teilen der deutschen Öffentlichkeit massiv vorgeworfen. Zur gleichen Zeit feierte man sie in Israel oder auch in Polen gerade für diese Haltung. Nach 1960 kehrte Marlene Dietrich nur noch selten nach Deutschland zurück. Erst mit ihrem Tode 1992 kam sie wieder in ihre alte Heimat Berlin, in der sie 1901 als Marie Magdalene Dietrich zur Welt gekommen war und sich so früh wie eigensinnig in „Marlene“ umbenannt hatte. Ihr Grab gehört zu den Ehrengräbern Berlins.

Die Ausstellung zu diesem deutschen Weltstar wurde von der Gedenkhalle Oberhausen realisiert. Die Wanderausstellung geht der komplexen Beziehung zwischen Marlene Dietrich und Deutschland nach. Im Lauf von fast 60 Lebensjahren lässt sich ein roter Faden nachzeichnen, der bislang noch nicht in dieser Ausführlichkeit erzählt wurde. Neben vielen Fotografien aus ihrem Leben zeigen zahlreiche Dokumente und Filmsequenzen auf eindrucksvolle Weise, für welche Haltung Marlene Dietrich unbeirrt über ihr gesamtes Leben hinweg stand, ohne dabei die jeweiligen zeitbedingten Umstände aus den Augen zu verlieren.

Die Ausstellung konnte nur dank der umfassenden Unterstützung durch die Marlene Dietrich Collection Berlin realisiert werden, die den 1993 von der Stadt Berlin übernommenen gesamten Nachlass dieser Künstlerin von Weltruf verwaltet. Insbesondere der schriftliche und fotografische Nachlass von Marlene Dietrich spielte für die Entwicklung der Ausstellung eine zentrale Rolle.

Die Ausstellung wird im Jüdischen Museum Westfalen in Dorsten vom 26. August bis zum 16. Dezember 2018 gezeigt werden. Infos zum Museum unter www.jmw-dorsten.de.

Wilhelm Morgner – Entdeckung der modernen Kunst, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2017

Zu: Wilhelm Morgner und die Anfänge der abstrakten Kunst, Herausgegeben von Klaus Kösters, mit einer Kurzbiographie Wilhelm Morgners von Walter Weihs, Hatje Cantz Verlag, Berlin 2016, ISBN: 9783775740975, 191 Seiten, 204 Abbildungen, Preis: 39,80 Euro

Cover: Wilhelm Morgner und die Anfänge der abstrakten Kunst, Hatje Cantz Verlag, 2016, Wilhelm Morgner, Astrale Komposition XVII, 1912, Detail

 

„Dass der Schaffende selber das Kind sei, das neugeboren werde, dazu muss er auch die Gebärerin sein und der Schmerz der Gebärerin.“ Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra

Unter den zahlreichen Abbildungen im zu besprechenden Buch über Wilhelm Morgner sind ca. 35 Bilder, die die Biographie illustrieren, die der langjährige Betreuer des Soester Morgner Archiv Walter Weihs diesem Band hinzugefügt hat. Die meisten dieser biografischen Bilder und Informationen sind auch schon in anderen Publikationen enthalten und auch im Internet greifbar (Homepage: wilhelm-morgner-preis.de). Hinzugefügt wurden noch einige Bilder des Kriegsschauplatzes in Belgien, wo er am 16. August 1917 den Tod fand. Wilhelm Morgner war im Jahr 1891 geboren und starb nach nur 26 Lebensjahren im Ersten Weltkrieg. Da er schon 1913 zur Wehrmacht kam, um dann 1914 zum Kriegseinsatz zu bleiben, waren ihm eigentlich nur vier künstlerisch aktive Schaffensjahre gegeben. „Wilhelm Morgner – Entdeckung der modernen Kunst, Rezension von Christoph Fleischer, Welver 2017“ weiterlesen

Predigt über Offenbarung 21, 1-7, Christoph Fleischer, Welver 2016

 

Die Predigt wird am Ewigkeitsonntag in der reformierten Kirche in Soest (Schiefer Turm) gehalten.

Offenbarung 21, 1-7 (Zürcher Bibel)

1 Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde.

Denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. 2 Und die heilige Stadt, ein neues Jerusalem, sah ich vom Himmel herabkommen von Gott her, bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat.

3 Und ich hörte eine laute Stimme vom Thron her rufen:

Siehe, die Wohnung Gottes bei den Menschen! Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und Gott selbst wird mit ihnen sein, ihr Gott.

4 Und abwischen wird er jede Träne von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, und kein Leid, kein Geschrei und keine Mühsal wird mehr sein; denn was zuerst war, ist vergangen.

5 Und der auf dem Thron sass, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er sagt: Schreib, denn diese Worte sind zuverlässig und wahr. 6 Und er sagte zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich werde dem Dürstenden von der Quelle des Lebenswassers zu trinken geben, umsonst.

7 Wer den Sieg erringt, wird dies alles erben, und ich werde ihm Gott sein, und er wird mir Sohn sein.

 

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Foto: Niklas Fleischer (c)

Liebe Gemeinde,

Diesen Text aus der Offenbarung kenne ich seit meiner Kindheit und ich muss sagen, dass ich von dieser Radikalität immer sehr fasziniert war. Allerdings hätte mir damals eine neue Erde voll und ganz gereicht. Warum Johannes sich und uns auch einen neuen Himmel wünscht, dass ist mir damals nicht klar gewesen. Bis ich auf einmal gerade zu dieser Aussage einen neuen Zugang bekommen habe. Das war im Jahr 1987 und ich saß mit zigtausend anderen Menschen auf dem Fußballplatz der Frankfurter Eintracht, im Waldstadion. Nur dass es kein Fußballspiel war, was ich damals erlebte, sondern den Schlussgottesdienst eines Kirchentages. Der Kirchentag war noch sehr geprägt vom Widerstand gegen die Apartheid in Südafrika – muss ich erklären, dass man damals schwarze und hellhäutige Menschen brutal voneinander getrennt hat und die Schwarzen gezwungen hat, in sogenannten Homeland oder Townships wie Soweto zu leben. Entweder lebten sie als Wanderarbeiter weit von ihrer Familie oder von den Townships aus fuhren die meisten mit den Zügen nach Großstädten wie Johannesburg oder Kapstadt zur Arbeit, sei es als Haussklavin oder als billige Arbeitskraft? „Predigt über Offenbarung 21, 1-7, Christoph Fleischer, Welver 2016“ weiterlesen

Alltag im Wiederaufbau – Fotoausstellung im Stadtmuseum, Pressemeldung

Die ersten Straßenbahnen nach Kriegsende fuhren ab November 1946 wieder auf der Strecke von der Halle Münsterland über den Hauptbahnhof in Richtung Danziger Freiheit. Nicht selten mussten die Passagiere in der ersten Zeit auf einen Lastwagen umsteigen, der sie zwar weiterbeförderte – allerdings weit weniger komfortabel wie dieses Foto vom Mai 1947 deutlich zeigt. Den Alltag zwischen Kriegsende und Gründung der Bundesrepublik Deutschland zeigt die Ausstellung „Ende und Anfang – Münster in Fotos zwischen 1945 und 1949“ im Stadtmuseum Münster. Die etwa 150 Fotografien sind bis zum April 2016 zu sehen.

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Foto: Stadt Münster – Sammlung Stadtmuseum.